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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 3.1905

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Nr. 1
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Hoernes, Moritz: Die neolithische Keramik in Österreich: Eine kunst- und kulturgeschichtliche Untersuchung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47867#0015
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io

M. Hoernes Die neolithische Keramik in Österreich


Fig. 10—14 Tongefäßbruchstücke aus Butmir, i/3 n. Gr.
Nach Originalien im Landesmuseum zu Sarajevo

Henkel, der die Halskehle überspannt (beide Typen
charakteristisch für den Rahmenstil), kommen nicht
vor. In den Gefäßformen und den Gefäßornamenten
harmoniert also die Butmirkeramik, soweit man
das bei der großen räumlichen Entfernung nur
erwarten darf, mit der älteren und ältesten so-
genannten „Bandkeramik“ der steinzeitlichen
Gräberfelder bei Worms, wie man sie in Dr. C.
Koehls Festgabe vom J. 1903 so schon überblickt
(Taf. VII—X ältestes, I—VII mittleres, XI und XII
schon jungneolithisch) und natürlich auch mit den
gleichen Erscheinungen im Zwischengebiet, deren
noch ferner zu gedenken sein wird. Die Butmir-
funde können also weder chronologisch, noch —
wenn der Ausdruck gestattet ist — genealogisch
von jenen anderen Fundstätten und Fundschichten
sehr weit entfernt liegen.
Butmir * l) war ein offenes, höchstens flach um-
walltes Dorf in der Nähe der Bosnaquellen, kein
Sitz auf geschützter Höhe. Es war zugleich ein
Fabrikationsort für Stein Werkzeuge. Einst standen

b Die neolithische Station von Butmir bei Sarajewo
in Bosnien, herausgegeben vom bosn.-herzeg. Landes-
museum: 1 (1895) Bericht von Radimsky mit 20 Taf., 1 Plan
und 85 Abbild., II (1898) Bericht von Fr. Fiai.a mit 19 Taf.,
1 Plan und 47 Abbild., Vorwort von M. Hoernes ad I S. 1 ff.,
ad II S. 1 ff. (vgl. meine Urgesch. d. bild. Kunst in Europa
S. 226—235 u. 302 f.). Ich nehme den Ausgang von Butmir,
nicht bloß um darüber reifere Ansichten vorzutragen als
in den genannten Büchern, sondern weil ich wirklich meine,
daß dieser reichste neolithische Fundort mit seinen posi-

da, zuerst auf dem steinigen Urboden
der Hochebene, dann in höheren
Horizonten über der anwachsenden
Schuttmasse, Hütten aus lehmbewor-
fenem Flechtwerk, deren Grundrisse
sich aus Bodenvertiefungen erkennen
lassen. Von der Tätigkeit der Men-
schen, die hier wohnten, zeugen vor
allem ungeheure Massen von ganzen
oder halbfertigen, zerbrochenen und
zum Teil reparierten Arbeiten aus
verschiedenen harten Steinsorten, die
im nahen Gebirge und an den Wasser-
läufen der Ebene vorkommen. Es sind
polierte oder zur Folierung bestimmte
flache oder dicke Hauen und Meißel
fast immer mit einer ebenen und einer
konvexen Breitseite, was bei extremer Ausbildung
zum sogenannten Schuhleistenkeil führt, dann bloß
zugeschlagene Messer, Sägen, Schaber, Pfriemen
und zahlreiche Pfeilspitzen, endlich Rohmaterial
und Instrumente zur Herstellung der Steinsachen.
An manchem Arbeitsplätze fand sich das Pensum
des Handwerkers noch in situ: fertige und un-
fertige Stücke auf der Reibsteinplatte ordentlich
zusammengelegt. Durchbohrte Äxte, d. h. Kriegs-
oder Jagdwaffen, kamen fast nur als Bruchstücke
vor; diese sind aus ortsfremdem Gestein und
wurden als Schlagsteine benützt. Bohrzapfen
fehlen; ein weiterer Beweis, daß dieser Typus hier
nicht erzeugt wurde. Die polierten Steinwerkzeuge
waren ausschließlich zur Schäftung mit quer-
gestellter Schneide bestimmt, also keine Waffen,
sondern Werkzeuge zur Bodenkultur. Wie diese
durch den Handel verbreitet wurden, zeigt z. B.
der Depotfund von Gjewersko im Bezirke Scardona
an der Straße von Zara nach Knin, wo 60 Schuh-
leistenkeile mit etlichen Flachbeilen und Pfeil-
spitzen isoliert gefunden wurden, wohl eine Träger-
last, die aus unbekannten Gründen hier nieder-
gelegt und vergessen wurde. Auch in Butmir
tiven und negativen Merkmalen in einer Studie wie dieser
in erster Linie zu erklären ist. Man wird allerdings finden,
daß gewisse „letzte Worte“, z. B. über die absolute Zeit-
stellung der Funde und die Nationalität der Kulturträger
von Butmir, hier nicht ausgesprochen sind; aber die
letzten Worte, welche man heute darüber sagen kann,
überlasse ich gerne anderen.
 
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