Fig. 69 Detail aus der Grablegung im Dominikanerkloster in Wien
Unbekannte Werke von G. R. Donner
Von E. Tietze-Conrat.
Die Zeitgenossen nennen Georg Raphael
Donner „den berühmtesten Meister, bei welchem
Phidias und Praxiteles ihrer Zeit Lehrjünger zu
sein, für das größte Glück gehalten hätten.“x) —
Die Wiener Chronisten erzählen launige Anekdoten
„Von einem, der keine Perücke trug“2) und ihrer
Wertung gemäß rufen sie aus: „Du Donner bist
Canova und Thorwaldsen zugleich!“ 3) — Der Kunst-
historiker Ilg schreibt eine Festschrift4) zum zwei-
hundertsten Geburtstag des Künstlers. Trotz dieser
pompösen Beweise von Anerkennung besitzen wir
nur spärliche Nachrichten über das Leben und
die Werke Donners; diese sind in der Schlager-
schen Preisschrift5) gesammelt worden und Ilg
hat zu diesem Buch nur wenig Neues hinzugefügt.
Schlagers breite Schilderung'en, die uns den Wiener
b Ruhmwürdigste Taten des Grafen Emerich Ester-
hazy von Leopold Fisches, Preßburg 1746.
2) Schattenspiele.
3) Fr. Gräffer, Kleine Wiener Memoiren, Wien 1845.
4) A. Ilg, G. R. Donner, Gedenkschrift zum 200. Geburts-
tag des großen österreichischen Bildhauers, Wien 1893.
5) Schlager, Georg Raphael Donner, Wien 1848.
Hof mit seinen Schlittenfahrten und Karusseln
in bunten Bildern vorführen, hat er weggelassen
und statt ihrer eine kunsthistorische Beurteilung-
des Donnerschen Stiles gegeben, die wenig anderes
enthält als einen Ausfall gegen einen Unge-
nannten,1) der Donners Arbeiten auf französische
Vorbilder zurückführen will. Wer aber nach seiner
Meinung den Donnerschen Stil beeinflußt und dem
Künstler in seinen Kompositionen Anregungen
geboten hat, darüber schweigt der Biograph;
Italien kommt für ihn gar nicht in Frage, da die
alten Chronisten und mit ihnen Schlager eigens
hervorheben, daß es verwunderlich wäre, zu welcher
Höhe Donners Meisterschaft gelangt sei, da der
Künstler sich doch niemals in Italien aufgehalten
hätte, nur Hagedorn2) setzt hinzu: „niemals, außer
zu Marmoreinkäufen.“ Dernjac dürfte auch meines
x) Dr. J. DernjaC, G. R. Donner, seine Vorgänger und
Zeitgenossen. Österr.-ungar. Revue 1889, 2. und 3. Heft.
2) Hagedorn, Lettre ä un amateur de la Peinture,
(Dresde 1755) p. 332 „ ... ses progres dans la Sculpture sont
d’autant plus etonnans, qu’il n’avoit vü l’Italie que pour
y acheter du marbre.“