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M. Hoernes Die neolithische Keramik in Österreich
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sehe Tonfigur mit reichem Brustschmuck und langer,
rückwärts herabfallender Haarflechte (s. Fig. 23. 24),
viele aus hornförmigen und anderen Topfhenkeln
erzeugte Glättwerkzeuge, ganz wie sie in Lengyel,
aber auch in den fernen neolithischen Wohnstätten
bei Troppau vorkommen, Hirschhorn- und Knochen-
werkzeuge, endlich undurchbohrte und durchbohrte
Steinäxte, die letzteren stets von einfachster, nicht
geschweifter oder im Durchschnitt polygonaler
Form.
Fig. 23 und 24 Weibliche Tonfigur aus Babska in
Syrmien, x/3 n. Gr. Nach dem Original im k. k. naturhist.
Hofmuseum in Wien.
Die bisher genannten bosnischen, slawonischen
und südungarischen Fundorte liegen alle unfern
des 180 östl. L. v. Gr. In der nördlichen Fort-
setzung dieser Linie finden sich dieselben Formen
wie in Lengyel und Babska (natürlich nicht alle,
aber gerade sehr charakteristische), in neolithischen
Wohngruben bei Troppau (Mitt, prähist. Komm.
I 401—411) und in neolithischen Skelettgräbern
Preußisch-Schlesiens, so in denen von Jordans-
mühl, Kreis Nimtsch (Schles. Vorz. VII 1899, 540 ff.,
hier wieder mit den ältesten kleinen Metallschmuck-
sachen). Sind die Gefäße auch nahezu unverziert,
so daß vom „Umlaufstil“ hier nicht die Rede sein
kann, so leidet es doch keinen Zweifel, daß sie
mit denen von Butmir und stilistisch verwandten
Stationen einer großen Gruppe angehören.
Welches ist nun die Zeit dieser Gruppe? Für
unbedingt „altneolithisch“ wird man sie nicht
halten dürfen; aber es wird doch auch nicht an-
gehn, sie bis unmittelbar vor den Beginn der
Bronzezeit herabzurücken als absolut spätneo-
lithisch. Als die ersten Butmirfunde bekannt
wurden, machten sie den Eindruck einer so vor-
geschrittenen Kulturstufe, daß man es für schwer
hielt, sie überhaupt als rein neolithisch gelten
zu lassen. Man meinte, es müsse an diesem
Orte voll plastischen und ornamentalen Kunst-
lebens noch Metall gefunden werden. Als dies
nicht der Fall war, glaubte man, den Mangel aus
der Verzögerung der Zufuhr südlichen Metalles
nach diesem nördlichen Teil der Balkanhalb-
insel erklären zu können. So Montelius,
welcher die Gräber von Lengyel in die erste
Hälfte des dritten Jahrtausendes, Butmir um
2500 v. Chr. ansetzte (Arch. f. Anthr. XXVI
947 Anm. 1 950), wobei er annahm, daß der
Südwesten Ungarns vom Osten her leichter
erreichbar gewesen sei als das Innere Bos-
niens und daher das Kupfer früher emp-
fangen habe als dieses. Montelius leitet alles
vom Süden und Südosten her, nicht nur
die Perlen aus großen Meermuscheln und
Dentalium-Röhren und die Spiralmalerei,
sondern auch die Pilzgefäße und die runden
steinernen Streitkolbenknäufe. Gemalte Spi-
ralen könnten in Lengyel nicht älter sein
als auf den griechischen Inseln, wo sie in
prämykenischer Zeit zuerst auftreten. In
der Zeit der 12. ägyptischen Dynastie, zirka 2700
bis 2500 v. Chr., habe die griechische Inselwelt
von Ägypten das Spiralmotiv erhalten nach dem
Zeugnis ägyptischer Skarabäen und kretischer
Siegelsteine. Ich gestehe, daß ich solchen chrono-
logischen und genealogischen Bestimmungen nur
beschränkten Wert beimessen kann, weil sie auf
Voraussetzungen beruhen, die selbst noch des
Beweises bedürfen, wenn ich auch nicht sagen
will, daß sie unrichtig sind. Es ist mindestens
zweifelhaft, ob man, wie Montelius tut, alles und
jedes unter dem Gesichtspunkte der Kulturüber-
tragung aus den Mittelmeerländern nach Mittel-
und Nordeuropa auffassen darf. Andere vertreten
den umgekehrten Weg wieder für alles und jedes
und wieder auf Grund unbewiesener, ja unbeweis-
barer Voraussetzungen. Darum möchte ich an
solchen Ursprungsfragen hier überhaupt nicht
rühren und mich auf die Feststellung der für
Österreich wichtigen Gruppen beschränken, deren
M. Hoernes Die neolithische Keramik in Österreich
16
sehe Tonfigur mit reichem Brustschmuck und langer,
rückwärts herabfallender Haarflechte (s. Fig. 23. 24),
viele aus hornförmigen und anderen Topfhenkeln
erzeugte Glättwerkzeuge, ganz wie sie in Lengyel,
aber auch in den fernen neolithischen Wohnstätten
bei Troppau vorkommen, Hirschhorn- und Knochen-
werkzeuge, endlich undurchbohrte und durchbohrte
Steinäxte, die letzteren stets von einfachster, nicht
geschweifter oder im Durchschnitt polygonaler
Form.
Fig. 23 und 24 Weibliche Tonfigur aus Babska in
Syrmien, x/3 n. Gr. Nach dem Original im k. k. naturhist.
Hofmuseum in Wien.
Die bisher genannten bosnischen, slawonischen
und südungarischen Fundorte liegen alle unfern
des 180 östl. L. v. Gr. In der nördlichen Fort-
setzung dieser Linie finden sich dieselben Formen
wie in Lengyel und Babska (natürlich nicht alle,
aber gerade sehr charakteristische), in neolithischen
Wohngruben bei Troppau (Mitt, prähist. Komm.
I 401—411) und in neolithischen Skelettgräbern
Preußisch-Schlesiens, so in denen von Jordans-
mühl, Kreis Nimtsch (Schles. Vorz. VII 1899, 540 ff.,
hier wieder mit den ältesten kleinen Metallschmuck-
sachen). Sind die Gefäße auch nahezu unverziert,
so daß vom „Umlaufstil“ hier nicht die Rede sein
kann, so leidet es doch keinen Zweifel, daß sie
mit denen von Butmir und stilistisch verwandten
Stationen einer großen Gruppe angehören.
Welches ist nun die Zeit dieser Gruppe? Für
unbedingt „altneolithisch“ wird man sie nicht
halten dürfen; aber es wird doch auch nicht an-
gehn, sie bis unmittelbar vor den Beginn der
Bronzezeit herabzurücken als absolut spätneo-
lithisch. Als die ersten Butmirfunde bekannt
wurden, machten sie den Eindruck einer so vor-
geschrittenen Kulturstufe, daß man es für schwer
hielt, sie überhaupt als rein neolithisch gelten
zu lassen. Man meinte, es müsse an diesem
Orte voll plastischen und ornamentalen Kunst-
lebens noch Metall gefunden werden. Als dies
nicht der Fall war, glaubte man, den Mangel aus
der Verzögerung der Zufuhr südlichen Metalles
nach diesem nördlichen Teil der Balkanhalb-
insel erklären zu können. So Montelius,
welcher die Gräber von Lengyel in die erste
Hälfte des dritten Jahrtausendes, Butmir um
2500 v. Chr. ansetzte (Arch. f. Anthr. XXVI
947 Anm. 1 950), wobei er annahm, daß der
Südwesten Ungarns vom Osten her leichter
erreichbar gewesen sei als das Innere Bos-
niens und daher das Kupfer früher emp-
fangen habe als dieses. Montelius leitet alles
vom Süden und Südosten her, nicht nur
die Perlen aus großen Meermuscheln und
Dentalium-Röhren und die Spiralmalerei,
sondern auch die Pilzgefäße und die runden
steinernen Streitkolbenknäufe. Gemalte Spi-
ralen könnten in Lengyel nicht älter sein
als auf den griechischen Inseln, wo sie in
prämykenischer Zeit zuerst auftreten. In
der Zeit der 12. ägyptischen Dynastie, zirka 2700
bis 2500 v. Chr., habe die griechische Inselwelt
von Ägypten das Spiralmotiv erhalten nach dem
Zeugnis ägyptischer Skarabäen und kretischer
Siegelsteine. Ich gestehe, daß ich solchen chrono-
logischen und genealogischen Bestimmungen nur
beschränkten Wert beimessen kann, weil sie auf
Voraussetzungen beruhen, die selbst noch des
Beweises bedürfen, wenn ich auch nicht sagen
will, daß sie unrichtig sind. Es ist mindestens
zweifelhaft, ob man, wie Montelius tut, alles und
jedes unter dem Gesichtspunkte der Kulturüber-
tragung aus den Mittelmeerländern nach Mittel-
und Nordeuropa auffassen darf. Andere vertreten
den umgekehrten Weg wieder für alles und jedes
und wieder auf Grund unbewiesener, ja unbeweis-
barer Voraussetzungen. Darum möchte ich an
solchen Ursprungsfragen hier überhaupt nicht
rühren und mich auf die Feststellung der für
Österreich wichtigen Gruppen beschränken, deren