M. Hoernes Die neolithische Keramik in Österreich
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Grenzen der Vasenmalerei. Bei einer merk-
würdigen, aber nicht unerklärlichen Identität
der Gegenstände (fast ausschließlich nackte
oder bekleidete, meist auch geschmückte
weibliche Gestalten, daneben kleine Tier-
figuren) äußert sich die Gruppenbildung in
den typischen Verschiedenheiten der Figuren
von Butmir, Jablanica, Tordos, Kronstadt und
der nordöstlichen Gruppe, deren steife, aber
wohlgegliederte Nacktgestalten die schärfste
Durchbildung erfahren haben, wie auch die
Gefäßformen und Gefäßornamente dieser
großen, noch wenig studierten Gruppe eine
weitgediehene Entwicklung bezeugen. Kleine
Annäherungen an diesen durchgebildeten
figuralen Typus des Nordostens — durch-
bohrte Ohren und Armstümpfe — finden
sich in Kronstadt (Siebenbürgen) und Jabla-
nica (Serbien), nicht aber in Butmir. Allerlei
Verschiedenheiten der Formgebung, Aus-
schmückung und Innenzeichnung beruhen er-
sichtlich auf lokalem Können und Wollen.
Zeitliche Unterschiede und räumliche im
engeren Sinne, sofern sich an einem Orte
wie Butmir Arbeiten aus verschiedenen
Fabrikationsstätten gemengt haben mögen,
spielen wohl auch mit, sind aber meist schwer
nachweisbar. Wie die Gefäßdekoration in
Butmir alle Stufen von dem feinsten kunst-
voll verschlungenen Spiralornament bis zum
flüchtigsten Gekritzel und zu den gröblichsten
Verzerrungen durchläuft, so sind auch einige
Fragmente plastischer Figuren von diesem
Fundort das beste, was wir überhaupt aus
neolithischer Zeit an Rundbildnerei besitzen,
während das übrige daneben tiefer und tiefer
steht und teilweise alles ähnliche an Form-
losigkeit übertrifft. Nicht die besten Körper-
formen, aber den reichsten Gewand- und
Leibesschmuck zeigt die Tonfigur von Klice-
vac in Serbien (Fig. 85 und 86); man hat be-
zweifelt, daß sie der jüngeren Steinzeit ange-
hört, aber jedenfalls beruht sie in der Form-
gebung und Ausschmückung noch ganz auf neo-
lithischer Überlieferung, neolithischem Stil,1) und
x) Bei mehreren Tonfiguren aus Butmir (vgl. die Stücke
Butmir II Taf. III 3 und 7) waren die Arme ebenso spiralig
um die Brüste herumgelegt wie an dem „Idol“ von Klicevac
78 79
81
83
82
84
Fig. 78—84 Figurale Keramik von Jablanica, n. Gr.
Nach M. Vasiö, l’Anthr. XII (1901) 527 ff. Fig. 1—7.
war vielleicht sogar nur der figurale Fuß einer
weiten Aufsatzschale, eines sogenannten „Pilz-
gefäßes“. Manche Ritzzeichnungen an diesen Ton-
figuren, teils Einzelheiten der Körperbildung oder
Bekleidung, teils aufgemalten oder auftätowierten
und an einem mykenischen Glasfigürchen bei Perrot-
Chipiez VI Fig. 339. Ähnliches an troischen Frauenvasen
s. z. B. Troja und Ilion S. 256 Beil. Fig. IV.
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Grenzen der Vasenmalerei. Bei einer merk-
würdigen, aber nicht unerklärlichen Identität
der Gegenstände (fast ausschließlich nackte
oder bekleidete, meist auch geschmückte
weibliche Gestalten, daneben kleine Tier-
figuren) äußert sich die Gruppenbildung in
den typischen Verschiedenheiten der Figuren
von Butmir, Jablanica, Tordos, Kronstadt und
der nordöstlichen Gruppe, deren steife, aber
wohlgegliederte Nacktgestalten die schärfste
Durchbildung erfahren haben, wie auch die
Gefäßformen und Gefäßornamente dieser
großen, noch wenig studierten Gruppe eine
weitgediehene Entwicklung bezeugen. Kleine
Annäherungen an diesen durchgebildeten
figuralen Typus des Nordostens — durch-
bohrte Ohren und Armstümpfe — finden
sich in Kronstadt (Siebenbürgen) und Jabla-
nica (Serbien), nicht aber in Butmir. Allerlei
Verschiedenheiten der Formgebung, Aus-
schmückung und Innenzeichnung beruhen er-
sichtlich auf lokalem Können und Wollen.
Zeitliche Unterschiede und räumliche im
engeren Sinne, sofern sich an einem Orte
wie Butmir Arbeiten aus verschiedenen
Fabrikationsstätten gemengt haben mögen,
spielen wohl auch mit, sind aber meist schwer
nachweisbar. Wie die Gefäßdekoration in
Butmir alle Stufen von dem feinsten kunst-
voll verschlungenen Spiralornament bis zum
flüchtigsten Gekritzel und zu den gröblichsten
Verzerrungen durchläuft, so sind auch einige
Fragmente plastischer Figuren von diesem
Fundort das beste, was wir überhaupt aus
neolithischer Zeit an Rundbildnerei besitzen,
während das übrige daneben tiefer und tiefer
steht und teilweise alles ähnliche an Form-
losigkeit übertrifft. Nicht die besten Körper-
formen, aber den reichsten Gewand- und
Leibesschmuck zeigt die Tonfigur von Klice-
vac in Serbien (Fig. 85 und 86); man hat be-
zweifelt, daß sie der jüngeren Steinzeit ange-
hört, aber jedenfalls beruht sie in der Form-
gebung und Ausschmückung noch ganz auf neo-
lithischer Überlieferung, neolithischem Stil,1) und
x) Bei mehreren Tonfiguren aus Butmir (vgl. die Stücke
Butmir II Taf. III 3 und 7) waren die Arme ebenso spiralig
um die Brüste herumgelegt wie an dem „Idol“ von Klicevac
78 79
81
83
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Fig. 78—84 Figurale Keramik von Jablanica, n. Gr.
Nach M. Vasiö, l’Anthr. XII (1901) 527 ff. Fig. 1—7.
war vielleicht sogar nur der figurale Fuß einer
weiten Aufsatzschale, eines sogenannten „Pilz-
gefäßes“. Manche Ritzzeichnungen an diesen Ton-
figuren, teils Einzelheiten der Körperbildung oder
Bekleidung, teils aufgemalten oder auftätowierten
und an einem mykenischen Glasfigürchen bei Perrot-
Chipiez VI Fig. 339. Ähnliches an troischen Frauenvasen
s. z. B. Troja und Ilion S. 256 Beil. Fig. IV.