Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 3.1905

DOI Heft:
Nr. 1
DOI Artikel:
Hoernes, Moritz: Die neolithische Keramik in Österreich: Eine kunst- und kulturgeschichtliche Untersuchung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.47867#0035
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
49

M. Hoernes Die neolithische Keramik in Österreich

50

anderseits die Ähnlichkeit der Funde aus der
Theresienhöhle mit solchen aus ebenen und offenen
nicht troglodytischen Wohnstätten in Mähren und
Niederösterreich: roh geformte, rot übertünchte
Fußbecherchen, wie aus den Wohngruben von Ma-
fatitz, graue Scherben mit braunen Parallelbändern
wie aus Weikersdorf und Znaim, Tonstempel, wie
aus Hadersdorf am Kamp usw. Die Cotarjova-
pecina enthielt keine spiralverzierten, bemalten
oder weiß inkrustierten Stücke, dagegen Scherben
mit gestrichelten Schachbrettfeldern (Fig. 120),
hornförmige Henkel (richtiger durchbohrte horn-
förmige Ansätze zu nennen, an vielen Fundorten
eines der sichersten Kennzeichen einer älteren
neolithischen Schichte), sonst meist nur Scher-
ben mit Tupfenreihen und Tupfenleisten, die chro-
nologisch weniger gut verwendbar sind. Aus der
Vlasca-jama stammen wieder zahlreiche Schalen
und Becher mit hohlem Fuß, eine Schale mit
schöner, weiß ausgefüllter Rand- und Innenver-


Fig. 121—122 Tongefäßrandstücke aus der Höhle von
Gabrovizza, Küstenland; 1/6 n. Gr. Nach Marchesetti,
Caverna di G., Taf. VI Fig. 1. 2.

zierung (Moser Karst II 64), Scherben mit Zickzack-
und Spiralornamenten in Doppellinien mit Strich-
füllung, wie in Butmir (Moser a. O. 78, 18), oder
in einfacher Linienzeichnung, und ein dicker, ko-
nischer Schöpfbecherstiel mit feiner Dekoration
(der sonst seltene Typus fand sich auch in der
Jama na Dolech), endlich auch ein Kupferpfriemen.
Ganz ähnlich waren die keramischen Reste aus
der Jama na Dolech, wo außerdem zahlreiche Bruch-
stücke kleiner, bombenförmiger Töpfe mit Wolfs-
zahnornament und Tupfengirlanden, dann ein
Becher mit auf- und absteigender Reihe kleiner
Buckelchen (Mitt. Anth. Ges. a. O. 174] Fig. 1) vor-
kamen. Moser nennt das letztere Ornament irrtüm-
lich einen „Mäander“ und das Schalenfragment
a. O. Fig. 4 (ein nicht hiehergehöriges Stück der
Bronzezeit) „eine Öllampe“. Die Höhle von Ga-
brovizza lieferte u. a. spiralverzierte Topfscherben
Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission III i, 1905

(Fig. 121 und 122 nach Marchesetti a. O. VI i. 2.),
deren Ornament doch einigermaßen von der ge-
wöhnlichen Spiraldekoration der jüngeren Steinzeit
abweicht. Die Voluten selbst sind sehr klein und
einfach, lang dagegen die auf- und absteigenden ge-
raden Verbindungslinien des mehrreihigen Musters.
Die weitere Vereinfachung des letzteren führt zu
jenen bekannten Zickzacklinien, auf deren Scheitel-
punkten voluten- oder fähnchenartige Zeichen auf-
sitzen. Dies ist neben dem Mäander die zweite
geradlinige Umformung der Spiralenkette. Eine
dritte Umformung derselben, wobei abwechselnde
Vierecks- und Kreisfiguren herauskommen, ist die
spezielle Übersetzung der Spiralreihe in den Streu-
figurenstil. Wir werden sie alsbald in den ober-
österreichischen Pfahlbauten kennen lernen. Auch
die Technik der spiralverzierten Tongefäße von
Gabrovizza weicht von der Butmirtechnik ab. Der
Raum zwischen den eingeritzten Ornamentlinien
ist nicht mit Stricheln oder Punkten gefüllt, son-
dern mit einem feineren Tonschlich überzogen und
dieser poliert, eine Art von Bemalung. Chrono-
logische Unterschiede mögen die kleinen Diffe-
renzen im Inhalt dieser Höhlenkulturschichten be-
wirkt haben; allein sicher ist das nicht, und im
großen und ganzen sind sie zweifellos zur Butmir-
stufe zu rechnen. Im seßhaften Feldbau- und Hand-
werkbetrieb der Butmirleute ist vielleicht der
Grund größerer Beharrlichkeit gegenüber den
Vertretern anderer, noch halbnomadischer Wirt-
schaftsformen zu suchen und so das Fehlen ge-
wisser Züge in Butmir, die wir an anderen Orten
bemerken (der Vasenmalerei, der weißen Inkru-
station, eines minimalen Kupferbesitzes), zu er-
klären. Erzeugnisse der Tonplastik sind meines
Wissens in jenen Karsthöhlen nicht vorgekommen.
Die neolithischen Höhlenfunde der österrei-
chischen Küstenländer sind hier aus stilistischen
Gründen in eine ältere Stufe der jüngeren Steinzeit
gestellt. Die Vertretung des jungneolithischen oder
Rahmenstiles müßte, wenn er hier, wie in Bosnien
und Slawonien, geherrscht hat, auf den Castellieri
des Küstenlandes gesucht werden; doch weiß ich
nicht, ob sie etwa dort schon wirklich gefunden
wurde (Marchesettis Buch über die Castellieri
enthält nichts davon), oder ob in diesem Gebiete,
was sehr möglich ist, unmittelbar auf die altneo-
lithische eine bronzezeitliche Stufe mit anderen
4
 
Annotationen