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E. Tietze-Conrat Unbekannte Werke von G. R. Donner
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das Auge vor der übergroßen Kraft der Strahlen
schützen sollte. Den Soldaten rechts hat die Er-
scheinung am stärksten aufgerüttelt; er ist in die
Höhe gesprungen, hat instinktiv nach den Waffen
gegriffen und hält den linken Arm mit dem Schild
vor das Auge. Das rechte Bein ist so hoch abge-
brochen, daß wir gar keinen Anhaltspunkt für seine
ursprüngliche Stellung haben.
Trotz des vorgebeugten Oberkörpers, trotz des
gebogenen linken Beines und der mit der Lanze
bewaffneten linken Hand erweckt er nicht den
Anschein, als wolle er die Gestalt in feindlicher
Absicht angreifen, er dürfte eher im nächsten
Augenblick anbetungsvoll vor dem Wunder in
die Knie sinken.
Über die Feinheit der Ausführung können wir
uns kein Urteil bilden, da das Werk so sehr ge-
litten hat; die fast ebenerdige Aufstellung hat es
den Beschädigungen der Straßenjugend ausgesetzt,
die den ganzen Reliefgrund mit Kritzeleien ver-
schmiert hat. Es sind nur wenige Teile, z. B.der
Fuß des Christus oder das rechte Bein und der
Rock des mittleren Soldaten unverletzt geblieben.
Die Komposition zeigt viele Mängel; z. B.
Christus: sein segnender Arm ist in gleichmäßig
aufgetragenem flachen Relief, die Hand steht nur
wenig heraus, der ganze Arm ist ohne Verkür-
zung mit kaum merklicher Biegung im Ellen-
bogen. Oder der Soldat
rechts, dessen Bewegung
— man denke sich das
rechte Bein ergänzt — in
keiner Weise dem Oval
angepaßt ist. Auch hat ihn
der Künstler so sehr her-
ausgearbeitet, daß er den
Kontrast abschwächt, der
zwischen Christus und dem
Soldaten in der Mitte be-
steht. Und dieses Kon-
trastes wegen ist dieses
Relief von großer Wich-
tigkeit für die späteren
Arbeiten des Künstlers,
denn alles, was er in die-
sem Relief gewollt hat,
das hat er in seinen spä-
teren gekonnt, das Problem,
das er in diesem aufgewor-
fen hat, das hat er in
seinen späteren gelöst; es
ist das Verhältnis des Visio-
nären zur Wirklichkeit; in
der Sprache des Bildhauers:
das Verhältnis des Flach-
reliefs zum Hochrelief, das
sich fast völlig von der Fläche loslöst.
Wir ziehen jetzt die Darstellungen an der
Gurker Kanzel zum Vergleich heran.x) Es sind
x) Hann, Carinthia 86 „Die Barockkanzel im Gurker
Dom.“ Schnerich, „Die Kunst der Gegenreformation imDom-
stift Gurk.“ Wien 1899, Leogesellschaft. — Beide Autoren
zitieren Syhn als Quelle, der im Jahre 1769 die Kanzel
beschrieb: „ ... nebst dem die Verfertigung der prächtigen
Kanzel, ein Werk der Donnerschen Invention, die er durch
seinen besten Gehilfen ausarbeiten lassen. Und sind die an
dem Kanzelstuhl zu sehenden Schilde en basrelief Zeich-
nungen von denen besten kaiserlichen und königlichen Hof-
ingenieuren den zweien Gebrüdern Bibiena, welche durch
Fig. 82 Himmelfahrt des Elias, Relief an der Kanzel im Dom zu Gurk
E. Tietze-Conrat Unbekannte Werke von G. R. Donner
220
das Auge vor der übergroßen Kraft der Strahlen
schützen sollte. Den Soldaten rechts hat die Er-
scheinung am stärksten aufgerüttelt; er ist in die
Höhe gesprungen, hat instinktiv nach den Waffen
gegriffen und hält den linken Arm mit dem Schild
vor das Auge. Das rechte Bein ist so hoch abge-
brochen, daß wir gar keinen Anhaltspunkt für seine
ursprüngliche Stellung haben.
Trotz des vorgebeugten Oberkörpers, trotz des
gebogenen linken Beines und der mit der Lanze
bewaffneten linken Hand erweckt er nicht den
Anschein, als wolle er die Gestalt in feindlicher
Absicht angreifen, er dürfte eher im nächsten
Augenblick anbetungsvoll vor dem Wunder in
die Knie sinken.
Über die Feinheit der Ausführung können wir
uns kein Urteil bilden, da das Werk so sehr ge-
litten hat; die fast ebenerdige Aufstellung hat es
den Beschädigungen der Straßenjugend ausgesetzt,
die den ganzen Reliefgrund mit Kritzeleien ver-
schmiert hat. Es sind nur wenige Teile, z. B.der
Fuß des Christus oder das rechte Bein und der
Rock des mittleren Soldaten unverletzt geblieben.
Die Komposition zeigt viele Mängel; z. B.
Christus: sein segnender Arm ist in gleichmäßig
aufgetragenem flachen Relief, die Hand steht nur
wenig heraus, der ganze Arm ist ohne Verkür-
zung mit kaum merklicher Biegung im Ellen-
bogen. Oder der Soldat
rechts, dessen Bewegung
— man denke sich das
rechte Bein ergänzt — in
keiner Weise dem Oval
angepaßt ist. Auch hat ihn
der Künstler so sehr her-
ausgearbeitet, daß er den
Kontrast abschwächt, der
zwischen Christus und dem
Soldaten in der Mitte be-
steht. Und dieses Kon-
trastes wegen ist dieses
Relief von großer Wich-
tigkeit für die späteren
Arbeiten des Künstlers,
denn alles, was er in die-
sem Relief gewollt hat,
das hat er in seinen spä-
teren gekonnt, das Problem,
das er in diesem aufgewor-
fen hat, das hat er in
seinen späteren gelöst; es
ist das Verhältnis des Visio-
nären zur Wirklichkeit; in
der Sprache des Bildhauers:
das Verhältnis des Flach-
reliefs zum Hochrelief, das
sich fast völlig von der Fläche loslöst.
Wir ziehen jetzt die Darstellungen an der
Gurker Kanzel zum Vergleich heran.x) Es sind
x) Hann, Carinthia 86 „Die Barockkanzel im Gurker
Dom.“ Schnerich, „Die Kunst der Gegenreformation imDom-
stift Gurk.“ Wien 1899, Leogesellschaft. — Beide Autoren
zitieren Syhn als Quelle, der im Jahre 1769 die Kanzel
beschrieb: „ ... nebst dem die Verfertigung der prächtigen
Kanzel, ein Werk der Donnerschen Invention, die er durch
seinen besten Gehilfen ausarbeiten lassen. Und sind die an
dem Kanzelstuhl zu sehenden Schilde en basrelief Zeich-
nungen von denen besten kaiserlichen und königlichen Hof-
ingenieuren den zweien Gebrüdern Bibiena, welche durch
Fig. 82 Himmelfahrt des Elias, Relief an der Kanzel im Dom zu Gurk