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E. Tietze-Conrat Unbekannte Werke von G. R. Donner
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einem Fabrikat der Wiener Porzellanfabrik. Um
diese Statuette als eine Arbeit Donners sicherzu-
stellen; müssen wir drei Figuren — den Merkur
aus Klosterneuburg; den Paris aus dem Mirabell-
schloß in Salzburg und den Merkur aus der Samm-
lung Benda — als Vergleichsmaterial heranziehen.
Im Jahre 1722 vollendet Donner das Fried-
höfsportal in Klosterneuburg: eine Pietä; die von
Fig. 84 Merkur, Statuette im Kunsthistorischen
Hofmuseum in Wien
zwei adorierenden Engeln umgeben ist, unter ihr
in einer Steinhöhle das Fegefeuer mit armen
Seelen.1) Im Stiftsmuseum zu Klosterneuburg ist
*) Wir finden dieses Motiv bei vielen Werken jener
Zeit: in der Rochuskirche und in der Franziskanerkirche in
Wien ist es in Holz ausgeführt und bunt bemalt. Aus etwas
späterer Zeit (1748) ist in Reisach ein Altar des hl. Simon
Stock mit einem Holzrelief, das die Mutter mit dem Kind
und den hl. Simon Stock darstellt, darunter zwei arme
eine Statuette (Abb. 83) aus Blei, ein Merkur mit
einem Putto zu seinen Füßen, ein signiertes Werk
von Donner. Es ist keine Nachricht vorhanden,
wann diese Arbeit in den Besitz des Stiftes ge-
langt ist; doch darf man annehmen, daß Donner
sie in den zwanziger Jahren ausgeführt hat, denn
die Figur hat große Ähnlichkeit mit dem soge-
nannten Paris im Stiegenhause des Mirabell-
schlosses, der in das Jahr 1726 b fällt und das Motiv,
mit einem Putto den Raum auszufüllen, den das
Standbein auf dem Postament frei läßt, findet sich
auch bei der Statue des hl. Johann Nepomuk in
Linz, die Donner laut Kontrakt „Ende August 1727
geliefert hat2).“ Es ist also nicht unwahrscheinlich,
daß ihre Entstehung in das Jahr 1722 fällt und ihre
Einverleibung in das Stiftsmuseum mit Donners
Aufenthalt in Klosterneuburg zusammenhängt. Es
existiert eine zweite Statuette von Donner, Mer-
kur mit dem Kopfe des Argus in der Rechten, die
bei Versteigerung der Sammlung des Malers
Kratzer in den Besitz des Herrn Benda kam.3)
Doch dürfte diese (Abb. 84) aus späterer Zeit sein;
die rechte Hüfte ist nicht mehr so stark ausge-
bogen wie bei der Klosterneuburger Statuette
(Abb. 83) oder dem Salzburger Paris (Abb. 85);
der linke Arm stützt sich auf einen weniger hohen
Baumstamm, die linke Schulter ist daher schwächer
hinaufgezogen als bei den zwei anderen Werken;
während bei diesen das Haupt zur Seite geneigt
ist und die Haare in runde Locken aufgelöst
sind, die wie Schneckenwindungen modelliert und
über den ganzen Kopf verteilt werden, sind beim
Argustöter die Haare als eine Masse behandelt,
der Kopf ist auf dem streng vertikalen Hals leicht
gesenkt, der Blick ruht sinnend auf dem geflügelten
Kaduceus. Am deutlichsten sichtbar wird Donners
Fortentwicklung vom Barock zur strengeren Rich-
tung, wenn man die Fleischmodellierung dieser
drei Figuren vergleicht; der Klosterneuburger
Merkur zeigt einen Thorax, der mit seinem wech-
selnden Spiel von Licht und Schatten der ein-
Seelen im Fegefeuer (Kunstdenkmäler des Königreichs
Bayern, bearbeitet von Bezold und Riehl).
b Fr. Pirkmayer 1. c.
2) Ilg, Mitteil. d. Z. K. N. F. 1896 1. c.
3) Herr Benda hat die Figuren während der Druck-
legung dieses Aufsatzes den Sammlungen des Allerhöchsten
Kaiserhauses übergeben.
E. Tietze-Conrat Unbekannte Werke von G. R. Donner
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einem Fabrikat der Wiener Porzellanfabrik. Um
diese Statuette als eine Arbeit Donners sicherzu-
stellen; müssen wir drei Figuren — den Merkur
aus Klosterneuburg; den Paris aus dem Mirabell-
schloß in Salzburg und den Merkur aus der Samm-
lung Benda — als Vergleichsmaterial heranziehen.
Im Jahre 1722 vollendet Donner das Fried-
höfsportal in Klosterneuburg: eine Pietä; die von
Fig. 84 Merkur, Statuette im Kunsthistorischen
Hofmuseum in Wien
zwei adorierenden Engeln umgeben ist, unter ihr
in einer Steinhöhle das Fegefeuer mit armen
Seelen.1) Im Stiftsmuseum zu Klosterneuburg ist
*) Wir finden dieses Motiv bei vielen Werken jener
Zeit: in der Rochuskirche und in der Franziskanerkirche in
Wien ist es in Holz ausgeführt und bunt bemalt. Aus etwas
späterer Zeit (1748) ist in Reisach ein Altar des hl. Simon
Stock mit einem Holzrelief, das die Mutter mit dem Kind
und den hl. Simon Stock darstellt, darunter zwei arme
eine Statuette (Abb. 83) aus Blei, ein Merkur mit
einem Putto zu seinen Füßen, ein signiertes Werk
von Donner. Es ist keine Nachricht vorhanden,
wann diese Arbeit in den Besitz des Stiftes ge-
langt ist; doch darf man annehmen, daß Donner
sie in den zwanziger Jahren ausgeführt hat, denn
die Figur hat große Ähnlichkeit mit dem soge-
nannten Paris im Stiegenhause des Mirabell-
schlosses, der in das Jahr 1726 b fällt und das Motiv,
mit einem Putto den Raum auszufüllen, den das
Standbein auf dem Postament frei läßt, findet sich
auch bei der Statue des hl. Johann Nepomuk in
Linz, die Donner laut Kontrakt „Ende August 1727
geliefert hat2).“ Es ist also nicht unwahrscheinlich,
daß ihre Entstehung in das Jahr 1722 fällt und ihre
Einverleibung in das Stiftsmuseum mit Donners
Aufenthalt in Klosterneuburg zusammenhängt. Es
existiert eine zweite Statuette von Donner, Mer-
kur mit dem Kopfe des Argus in der Rechten, die
bei Versteigerung der Sammlung des Malers
Kratzer in den Besitz des Herrn Benda kam.3)
Doch dürfte diese (Abb. 84) aus späterer Zeit sein;
die rechte Hüfte ist nicht mehr so stark ausge-
bogen wie bei der Klosterneuburger Statuette
(Abb. 83) oder dem Salzburger Paris (Abb. 85);
der linke Arm stützt sich auf einen weniger hohen
Baumstamm, die linke Schulter ist daher schwächer
hinaufgezogen als bei den zwei anderen Werken;
während bei diesen das Haupt zur Seite geneigt
ist und die Haare in runde Locken aufgelöst
sind, die wie Schneckenwindungen modelliert und
über den ganzen Kopf verteilt werden, sind beim
Argustöter die Haare als eine Masse behandelt,
der Kopf ist auf dem streng vertikalen Hals leicht
gesenkt, der Blick ruht sinnend auf dem geflügelten
Kaduceus. Am deutlichsten sichtbar wird Donners
Fortentwicklung vom Barock zur strengeren Rich-
tung, wenn man die Fleischmodellierung dieser
drei Figuren vergleicht; der Klosterneuburger
Merkur zeigt einen Thorax, der mit seinem wech-
selnden Spiel von Licht und Schatten der ein-
Seelen im Fegefeuer (Kunstdenkmäler des Königreichs
Bayern, bearbeitet von Bezold und Riehl).
b Fr. Pirkmayer 1. c.
2) Ilg, Mitteil. d. Z. K. N. F. 1896 1. c.
3) Herr Benda hat die Figuren während der Druck-
legung dieses Aufsatzes den Sammlungen des Allerhöchsten
Kaiserhauses übergeben.