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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Editor]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 3.1905

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Nr. 2
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Tietze-Conrat, Erica: Unbekannte Werke von G.R. Donner
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https://doi.org/10.11588/diglit.47867#0308
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225

E. Tietze-Conrat Unbekannte Werke von G. R. Donner

22Ö

fachen Behandlung der klassischen Antike ganz
ferne steht; nicht anders der Mirabellparis mit
seinen spiegelnden Marmorflächen und runden
Muskeln; der Argustöter mit seiner Dreiteilung
des Rumpfes und seiner vereinfachten übersicht-
lichen Verteilung des Lichtes und des Schattens
scheint hingegen direkt nach einem griechischen
Torso gearbeitet zu sein.
Mit diesen drei Figuren zeigt die kleine Por-
zellanstatuette (Abb. 86) engen Zusammenhang.
Über den Zeitpunkt der Entstehung wissen wir
nichts Genaues; aus den Akten der Porzellanfabrik
ergibtx) sich für die Datierung nur ein terminus
ante quem; die Akten, die sonst ziemlich zuver-
lässig sind, erwähnen nämlich für diese Statuette
kein Modell; da sie nun bis zum Jahre 1743 zurück-
gehen — das ist das Jahr, in dem die Fabrik ver-
staatlicht wurde — so muß das Modell noch für
die Privatfabrik gearbeitet worden sein, deren
Akten aber nicht erhalten sind. Es ist eine kleine
Figur aus bläulichweißem Porzellan, die einen
Jüngling vorstellt, der an einen Baumstamm ge-
lehnt ist. Er ist nackt und hat um die Lenden einen
Gurt geschlungen, der einen Schurz hält. In der
Rechten, die an der schwach ausgebogenen Hüfte
liegt, trägt er einen Apfel, der Kopf ist leicht
zur Seite geneigt, der linke Ellenbogen ruht
auf dem Baumstamm, der Unterarm ist zur
Brust zurückgebogen und scheint zwischen dem
Daumen und den Fingern etwas gehalten zu haben.
Die Stellung des Paris ist ein starker Kontra-
post, das rechte Bein ist weit zurückgesetzt, die
Fußspitze steht auf einem kurzen Baumstumpf.
Das Bewegungs- und Stellungsmotiv weist mit
allen drei oben besprochenen Figuren Ähnlichkeit
auf. Die Stellung der Füße und die Überschneidung
des Baumstammes, der nicht sehr hoch ist und
darum die Schulter nicht zu stark hinaufdrängt,
der rechte Arm, der den Apfel trägt, erinnern an
den Argustöter, während der leicht geneigte Kopf
den barockeren Figuren des Klosterneuburger
Merkur und des Mirabellparis ähnelt; der rechte
Unterarm, der zur Brust zurückgreift, gleicht dem
Arm des Paris, der den Lederriemen hält. Nach

b Diese Nachricht verdanke ich auch Herrn Dr. Modern,
der die Akten der Wiener Porzellanfabrik durchgearbeitet
hat.

den Einzelheiten der Ausführung Donner als
Autor zu konstatieren, ist schwer, da das Modell
bei der Umgießung in Porzellan Veränderungen
ausgesetzt ist u ,d die Glasur mit ihren spiegelnden
Lichtern die ursprüngliche Flächengebung ver-


Fig. 85 Paris, Marmorstatuette im Mirabellschloß
zu Salzburg

wischt. Trotzdem sind charakteristische Merkmale
Donners erkennbar: vor allem der starke Hals,
die Füße mit dem hohen Rist und der ihm eigen-
tümlichen Zehenbehandlung.
Wenn die Geschichte der Wiener Porzellan-
fabrik geschrieben sein und eine größere Anzahl
von Werken in Reproduktionen vorliegen wird,

Jahrbuch der k. k. Zentral-Kotnmission III 2, 1905

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