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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 3.1905

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Nr. 2
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Tietze-Conrat, Erica: Unbekannte Werke von G.R. Donner
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257

E. Tietze- Conrat Unbekannte Werke von G. R. Donner

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auf die Schulter herabgeglitten ist. Der feinge-
rundete Kontur des Rückens und der in großen
Flächen modellierte Nacken sind ganz ähnlich bei
den Personifikationen der Ybbs und der March des
Neuen Marktbrunnens.
Auch in dem melancholisch versonnenen Bacchus,
der den Herbst (Abb. 98) darstellt, glaube ich eine
eigenhändige Arbeit Donners sehen zu dürfen.
Der Jüngling steht in starkem Kontrapost, der
linke Fuß ist nach rückwärts gesetzt, die rechte
Hüfte ausgebogen. Das Haupt ist zur Seite ge-

Paris für das Schloß Mirabell in Salzburg (1727)
und der kleinen Statuette der Wiener Porzellan-
fabrik fortgesetzt wird, und er dürfte zwischen 1730
und 1738 entstanden sein. Die männlichen Fluß-
personifikationen des Brunnens am Neuen Markt,
Werke, die nach 1738 ausgeführt wurden, stehen
in ihren freien Bewegungsmotiven zu dieser
Figurenreihe im Gegensatz und zeigen eine Um-
wandlung des Donnerschen Stiles. Da aber der
Meister bis 1735 mit der Ausschmückung der
Elemosynariuskapelle und seinen Arbeiten am


Fig. 100 Christus im Kaiser Friedrichsmuseum zu Berlin

neigt, ein schwerer Kranz aus Weinlaub mit großen
Trauben liegt auf dem langen gescheitelten Haar.
Die linke Hand ruht auf einem Weinstock, der
rechte Arm liegt an dem Körper an, die Hand
hält das Tierfell, das die Hüften bedeckt und rück-
wärts bis zur Erde herabfällt. Auch beim Bacchus
ist eine etwas rohe Ausführung der Hände und
Füße zu bemerken. Doch haben die Hände mit
den etwas flachen naturalistisch modellierten Fin-
gernägeln und die Füße mit dem feinen Gelenk,
dem hohen Rist, der verlängerten zweiten und
angepreßten kleinen Zehe die für Donners Arbeits-
weise charakteristischen Kennzeichen.
Dieser Bacchus scheint die letzte Figur in
jener Reihe zu sein, die beim Klosterneuburger
Merkur ihren Anfang nimmt (um 1722) und im
Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission III 2, 1905

Hochaltar des Preßburger Domes vollauf beschäf-
tigt war, so können wir mit großer Wahrschein-
lichkeit die Entstehung der vier Jahreszeiten erst
nach dieser Zeit, also in den Jahren 1735—1738,
suchen. Für diese spätere Datierung spricht auch
die Figur des Sommers, die, wie schon hervorge-
hoben wurde, mit den Frauendarstellungen aus den
letzten Jahren des Meisters Übereinstimmung zeigt.
9-
Zum Schluß möchte ich noch ein großes Werk
Donners vorführen, die Gruppen des Heiligen
Grabes in der Dominikanerkirche, das uns den
Meister von einer ganz neuen Seite kennen lernen
läßt, da es ihn uns als Holzplastiker zeigt.
Donner hatte das Holzschneiden bei Giuliani
in Heiligenkreuz gelernt, von dem daselbst eine
 
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