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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 4.1906

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Nr. 3
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Buchtela, Karl: Die Lausitzer und schlesischen Brandgräber in Böhmen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47869#0012
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K. Büchtela Die Lausitzer und schlesischen Brandgräber in Böhmen

4

Phasen durch schuhleistenförmige Steinwerkzeuge
charakterisiert. Während der jüngeren Phase des
Neoliths machten sich vorerst vereinzelt, später aber
immer häufiger Einflüsse aus fremden Kultur-
zentren geltend. So kam von Süden her die Terra-
in arenkultur, welche wohl hauptsächlich überUng-arn
ihren Weg nahm, obwohl gewisse Momente auch
auf das Laibacher Moor und die Alpenseen hin-
weisen. Von Nordwesten zog die Schnurkeramik
(gleichzeitig mit den Zonenbechern), von Norden
die Dolmenkeramik bei uns ein. Das Auftreten
dieser Kulturen ist wohl ausschließlich auf mäch-
tige Handelsverbindungen in der Fremde zurück-
zuführen und erscheint ursprünglich auf einzelne
Handelsemporien (geschützte Orte auf unseren
ältesten Burgwällen, z. B. Sarka, Rivnäc, Zämky
bei Bohnitz, Schlauer Berg) konzentriert. Erst später
verbreiteten sich die fremden Einflüsse über Nord-
böhmen, um die neolithische Kultur daselbst voll-
ständig umzugestalten (Übergangskultur). In dieser
Zeit drangen auch die ersten Metallgegenstände
(überwiegend aus Kupfer, seltener aus zinnarmer
Bronze oder Gold) und Steinwerkzeuge mit ge-
schweiften Formen ein, und jetzt begegnen wir
auch den ersten rituellen Begräbnissen.
Bei der Umwandlungder neolithischen Kultur in
die Übergangskultur betätigten sich am ausgiebigsten
die jüngeren Elemente der südlichen Terramaren-
kultur, aus deren Schoße in Mittelböhmen, nament-
lich in der Umgebung von Schlan, unsere herrliche
Unetitzer Kultur (ältere Bronzezeit) emporblühte.
Während der höchsten Entfaltung der Unetitzer
Kultur mit ihren streng rituellen Hockergräbern
dürfte sich das Gros der Einwohner in Westböhmen
zusammengezogen haben, so daß Ostböhmen nur
von einer sporadischen Bevölkerung besiedelt blieb,
welche die Übergangskultur ziemlich rein beibe-
hielt, obwohl wir auch in Ostböhmen entlang den
Handelswegen (in der Umgebung von Nimburg,
Pardubitz, Chrudim, ja sogar in der Nähe von
Jungbunzlau) einzelnen versprengten Unetitzer
Gräbern begegnen. Die Unetitzer Kultur, welcher
im Hinblicke auf die zahlreichen Gräber und Wohn-
stätten eine beträchtliche Dauer zuzumessen ist,
ereilte offenbar ein ziemlich jähes Ende; denn wir
bemerken weder ein langsames Degenerieren noch
ein allmähliges Verschmelzen mit der nachfolgenden
jüngeren Bronzekultur. Und eben zu dieser Zeit

des Verfalles der Unetitzer Kultur erfolgte der
kriegerische Einbruch neuer Volksmassen, in welchen
wir die Angehörigen der Lausitzer Brandgräber er-
blicken . Diese neuenV ölkerscharen überschwemmten
Nordböhmen von Osten und Norden her, unter-
warfen sich die Unetitzer Bevölkerung und zwangen
ihr ihre eigene Kultur und später auch ihren Be-
stattungsritus auf. Es ist dies die zweite epochale
Überschwemmung Nordböhmens durch neue Volks-
elemente; die Schilderung ihrer kulturellen Ent-
wicklung und Verbreitung soll nun den Inhalt
der folgenden Arbeit bilden.
Kulturgruppen
Um eine möglichst verläßliche Handhabe für
die Bestimmung und Abgrenzung der einzelnen
Kulturgruppen zu gewinnen, wollen wir vor allem
von der Keramik unserer Brandgräber ausgehen.
Und daß gerade die Keramik wegen ihres eigen-
artigen, individuellen Charakters, welchen sie schon
als Erzeugnis des häuslichen Fleißes der eigenen
Volksangehörigen aufweist, ferner infolge ihres
Typenreichtums und ihres außerordentlich häufigen
Auftretens als verläßlichster Leitfaden zur Unter-
scheidung der einzelnen Kulturgruppen sowie zur
Erkenntnis ihrer gegenseitigen Beeinflussung sich
erwiesen hat, hierüber herrscht wohl keinerlei
Zweifel mehr. Bei dem übrigen Fundinventar,
namentlich dem aus Metall, spielt stets eine größere
oder geringere Rolle der Import, beziehungsweise
selbst bei der heimischen Produktion die rasch
tvechselnde Mode und der fremde Geschmack.
In der Keramik — gleichwie in der gesamten
Kultur unserer Brandgräber überhaupt — unter-
scheiden wir zwei selbständige Hauptgruppen,
nämlich
I die Lausitzer Hauptgruppe (Lausitzer
Typus) und
II die schlesische Hauptgruppe (schlesi-
scher Typus).1) Jede dieser Hauptgruppen zerfällt
wieder in selbständige, zeitlich getrennte Ent-
h Wir behalten hier absichtlich die Benennung „Lau-
sitzer“ und „schlesischer“ Typus bei; denn sie hat sich in
der böhmischen Literatur nicht nur eingebürgert, sondern
besitzt auch deshalb eine gewisse sachliche Berechtigung,
weil sie uns den Ursprung und Ausgangspunkt der beiden
Hauptgruppen ziemlich richtig bezeichnet.
 
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