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Η. ΤΐΕ’ΓΖΕ Johann Michael Rottmayr
ίΟΟ
Fig. 54 Rottmayr, Deckenbild in Schönbrunn
ten und ungleich großen Kartuschen eingelassen
und von zierlichem Stuckornament umspielt. Aber
jedes Bild für sich betrachtet ist nun in schiefer
Untensicht gedacht (Taf. II) und dem eigentlich
optischen Eindruck in dieser mehr empirisch ge-
fundenen Lösung doch besser Rechnung getragen
als durch die noch später übliche direkte Unten-
sicht, zu deren Würdigung wir ja — wenigstens
bis zu einem gewissen Grad — doch erst auf einem
intellektuellen Umwege gelangen. Denn selbst das
kühnste Sotto in Su erweckt doch nicht rein optisch
den täuschenden Eindruck in uns, als schwebten hier
wirklich Gestalten in einem imaginären Luftraum;
was die Barocke später mit solchen Malereien
bezweckt, war die Durchbrechung des Raumes,
die Überführung aus der begrenzten umgebenden
Räumlichkeit in eine unendliche Weite, eine Illusion,
die durch die angebrachten Figuren erhöht oder
stärker zum Ausdruck gebracht wurde. Davon
wird noch die Rede sein müssen, aber hier bei
den kleinen Gemälden dieser eine Stuckverzierung
mit Bildern kombinierendenDecken war eine solche
Illusion des unbegrenzten Luftraumes nicht wohl
zu erzielen und deshalb rechnete der Maler nicht mit
ihr, sondern ließ die Bilder — außer in ihrer flächen-
dekorierenden Funktion — in ihrer Bildwirkung
ihren Einzelwert haben. Von diesem Gesichts-
punkt ist für den schief unten stehenden Betrachter
der Decke wohl die Empfindung die vorherrschende,
daß er es mit einem hoch angebrachten Bilde zu
tun hat und es bedeutet für ihn wenig, ob dieses
vertikal oder horizontal steht, insofern die Per-
spektive nur überhaupt auf eine solche Verschiebung
Rücksicht genommen hatte.
Aber auf diesem Wege gab es kein Halten;
vergleichen wir Fig. 51 mit Fig. 47, so sehen wir,
wie alles auf eine freiere Auffassung der Plafond-
malerei zutrieb. Bei ersterem wird jene schiefe
Untensicht mit ihrer Selbstbeschränkung durch die
Szenerie, durch das Sichabspielen des;Vorganges
in einer bestimmten Räumlichkeit, dem Zelte
Alexanders, verstärkt. Bei der zweiten Decke ist
der Schauplatz in den freien Luftraum verlegt,
dadurch werden jenem Eindruck einer nur schiefen
Untensicht die unmittelbarsten, das optische Ver-
hältnis sofort festlegenden Hilfslinien entzogen;
die Frauengestalten sind in eine unbestimmte
Entfernung entrückt, dem unbefangenen Auge
verwirrt sich das Oben und Unten, in direkter
Untensicht gegebene Nebensachen verstärken
diesen Eindruck und schließlich erscheinen auch
die Hauptgestallten im unbegrenzten Raume
schwebend nur auf eine Sehfläche projiziert. Konnte
also auch bei diesen kleinen, in Felder zerteilten
Decken der Eindruck der Durchbrechung ins Un-
gemessene nicht für den ganzen Raum geschaffen
werden, so ließ sich doch für das einzelne Deckenfeld,
wenn es seinem speziellen Charakter entsprach,
von Fall zu Fall eine ähnliche Wirkung erzielen.
Eine Bestätigung dafür finden wir bei anderen
Decken dieser Zeit, bei den Plafondgemälden des
alten Rathauses; auch diese waren nicht zu selb-
Η. ΤΐΕ’ΓΖΕ Johann Michael Rottmayr
ίΟΟ
Fig. 54 Rottmayr, Deckenbild in Schönbrunn
ten und ungleich großen Kartuschen eingelassen
und von zierlichem Stuckornament umspielt. Aber
jedes Bild für sich betrachtet ist nun in schiefer
Untensicht gedacht (Taf. II) und dem eigentlich
optischen Eindruck in dieser mehr empirisch ge-
fundenen Lösung doch besser Rechnung getragen
als durch die noch später übliche direkte Unten-
sicht, zu deren Würdigung wir ja — wenigstens
bis zu einem gewissen Grad — doch erst auf einem
intellektuellen Umwege gelangen. Denn selbst das
kühnste Sotto in Su erweckt doch nicht rein optisch
den täuschenden Eindruck in uns, als schwebten hier
wirklich Gestalten in einem imaginären Luftraum;
was die Barocke später mit solchen Malereien
bezweckt, war die Durchbrechung des Raumes,
die Überführung aus der begrenzten umgebenden
Räumlichkeit in eine unendliche Weite, eine Illusion,
die durch die angebrachten Figuren erhöht oder
stärker zum Ausdruck gebracht wurde. Davon
wird noch die Rede sein müssen, aber hier bei
den kleinen Gemälden dieser eine Stuckverzierung
mit Bildern kombinierendenDecken war eine solche
Illusion des unbegrenzten Luftraumes nicht wohl
zu erzielen und deshalb rechnete der Maler nicht mit
ihr, sondern ließ die Bilder — außer in ihrer flächen-
dekorierenden Funktion — in ihrer Bildwirkung
ihren Einzelwert haben. Von diesem Gesichts-
punkt ist für den schief unten stehenden Betrachter
der Decke wohl die Empfindung die vorherrschende,
daß er es mit einem hoch angebrachten Bilde zu
tun hat und es bedeutet für ihn wenig, ob dieses
vertikal oder horizontal steht, insofern die Per-
spektive nur überhaupt auf eine solche Verschiebung
Rücksicht genommen hatte.
Aber auf diesem Wege gab es kein Halten;
vergleichen wir Fig. 51 mit Fig. 47, so sehen wir,
wie alles auf eine freiere Auffassung der Plafond-
malerei zutrieb. Bei ersterem wird jene schiefe
Untensicht mit ihrer Selbstbeschränkung durch die
Szenerie, durch das Sichabspielen des;Vorganges
in einer bestimmten Räumlichkeit, dem Zelte
Alexanders, verstärkt. Bei der zweiten Decke ist
der Schauplatz in den freien Luftraum verlegt,
dadurch werden jenem Eindruck einer nur schiefen
Untensicht die unmittelbarsten, das optische Ver-
hältnis sofort festlegenden Hilfslinien entzogen;
die Frauengestalten sind in eine unbestimmte
Entfernung entrückt, dem unbefangenen Auge
verwirrt sich das Oben und Unten, in direkter
Untensicht gegebene Nebensachen verstärken
diesen Eindruck und schließlich erscheinen auch
die Hauptgestallten im unbegrenzten Raume
schwebend nur auf eine Sehfläche projiziert. Konnte
also auch bei diesen kleinen, in Felder zerteilten
Decken der Eindruck der Durchbrechung ins Un-
gemessene nicht für den ganzen Raum geschaffen
werden, so ließ sich doch für das einzelne Deckenfeld,
wenn es seinem speziellen Charakter entsprach,
von Fall zu Fall eine ähnliche Wirkung erzielen.
Eine Bestätigung dafür finden wir bei anderen
Decken dieser Zeit, bei den Plafondgemälden des
alten Rathauses; auch diese waren nicht zu selb-