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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 33.1918

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Six, Jan: Die Mänaden des Skopas
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https://doi.org/10.11588/diglit.44572#0051
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J. Six, Die Mänaden des Skopas.

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Tn der reichhaltigen Sammlung von Terra-sigillata-Scherben zu Leiden fand ich,
neben anderen interessanten Stücken, ein Schalenfragment, auf dem, im inneren Kreis,
ein Stempel einer tanzenden Mänade (Abb. i) als einziges Ornament abgedruckt war,
ein kleines, aber reizendes Figürchen, das mich sofort an den Dresdener Torso
erinnerte. Ich bat Herrn Dr. H. J. Holwerda, die Scherben für mich formen zu
lassen, was er in liebenswürdigster Weise zusagte, und erhielt durch Vermittlung
von Herrn Prof. Dr. G. Treu einen Abguß des Torso aus Dresden.
Bei dem Vergleich ergab sich sofort, daß das kleine Relief mit einer einzigen
Abweichung ein Spiegelbild der Statuette, soweit erhalten, war und vorzüglich
geeignet, zur Rekonstruktion zu dienen, die Form also nach der Statue ohne Seiten-
verwechselung geschnitten sein müßte. Die Abweichung besteht darin, daß Spiel-
bein und Standbein verwechselt sind, daß eigentlich also eine Kontamination der
beiden Seitenansichten (Hauptansichten) gegeben ist. Wie leicht sich das erklärt,
wird man sich besser vergegenwärtigen, wenn man erst unsere neue Rekonstruktion
kennen gelernt hat.
Es galt nun zunächst, die Scherbe auf ihr Zeugnis zu prüfen. Dabei schien
sich allerdings eine Schwierigkeit zu ergeben. Die rundliche Scheibe unter der
linken Hand der Tänzerin schien zunächst ein Tympanon zu sein, obgleich sie
dazu wohl sehr klein war und kaum so gehalten werden konnte. Ich bat deshalb
Herrn Holwerda um Auskunft, der so freundlich war, mir Gelegenheit zu
geben, selber das Stück zu studieren und es zeichnen zu lassen. Viel klüger
wurde ich vorerst noch nicht, obgleich auch der im Kreise eingeritzte »Stern«
einem Tympanon sehr unähnlich sah, bis Herr Harting, ein Schüler der Kupfer-
stichklasse Duponts, mit peinlichster Genauigkeit das ein wenig verschliffene Relief
zu zeichnen unternahm. Als er Falte um Falte des aufwehenden Ge-
wandes genau verfolgt und festgelegt hatte, stieß er auf eine Form zwischen dem
Saume und dem vermeinten Tympanon, die er nicht zu erklären wußte. Augenschein-
lich gehörte dieser Wulst nicht zum Kleide, sondern zum Rund unter der Hand. Das
heißt, daß wir hier ein halbiertes Tier zu erkennen hätten, in Verkürzung gesehen,
so daß sich die Schnittfläche gerade dem Beschauer zuwendet und, indem in der
Hand die eine Keule zu denken ist, das andere Hinterbein, hier allerdings einem
langen Schweif ähnlicher, dem Gewandsaume entlang hängt.
Ich kannte einen jungen Bildhauer, Herrn F. Werner, mit mehr Talent als
Schule, was seiner Folgsamkeit zugute kam, und fand ihn bereit, unter meiner
Leitung die Rekonstruktion zu unternehmen.
Der Torso wurde mehr rückwärts gelehnt und an einem Modell die Stellung
ausprobiert. Er hatte dazu ein vorzügliches, sehr schönes Modell, das zum Ober-
körper vortrefflich stimmte. Sie war aber etwas zu jung, erst siebzehn und
kaum ganz erwachsen und daher in den Hüften zu leicht gebildet. Das hatte
den Nachteil, daß ihr Rücken noch zu biegsam war, und sie bei dem Annehmen
der Pose in den Weichen zu leicht nach hinten durchbiegen konnte. Da der
Rumpf im Torso gegeben war, hätte das nicht geschadet, wenn es nicht auch
die Beinstellung beeinflußt hätte. Am Modell blieb das Knie des Spielbeins ein
 
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