Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1897

JUGEND

Nr. 17

m


V.

Sodann ward den Vögeln die dringende Bitte
Bekannt gegeben um bessere Sitte.

Sie sollten sich des;, was sie nicht mehr benöth'gen,
Doch nicht ans die Hüte der Leute entled'gen!.
Es sei zu dem Zweck in jedem Revier
Ein bestimmter Platz mit der Inschrist: Hier!
lind der Kukuk möge es doch verhindern,

Daß die Liebespärchen ibn nach den Kindern,
Deren Zahl sie so germe im Voraus wüßten,
Im Walde fragten und dann sich küßten.

So gab man sich Mühe von allen Seiten,
Kultur und Gesittung ringsum zu verbreiten,
Indessen, von all diesen eifrigen Werken
War Anfangs recht wenig Erfolg zu vermerken,
llnd damit nun das Publikum stets in der Nähe
Den Willen der Obrigkeit vor sich sähe,

Ließen die Rätbe die Spechte holen
llnd es ward ihnen anbefohlen,

Alsbaldigst, innerhalb von zwei Tagen,

Lauter Tafeln an die Bäume zu schlagen.

Die Spechte, die hämmerten fleißig drauf los,
Obschon sie's im innersten Herzen verdroß!
„Hier Singen verboten!" „Hier Honig holen!"
„Dem Schutze des Publikums empfohlen!"
„Rechts fliegen! Hier Obacht geben! Links lausen!"
„Es ist verboten, Thautropfen zu saufen!"

„llm 8 wird geschlossen." Und so noch mehr —
Da begann es zu gähren im Wald ringsumher.
Aus dem Boden drunten, in den Wipfeln hoch,
Man summte, man brummte, mau flog, mnnkroch.
De8 Abends, beim hohlen Weidenstumpf,

Da kam man zusammen: es donnerte dumpf
In der Ferne, bedrückt war jedes Gemüth,

Und die Nachtigall rief: Gott behüt, Gott behüt!
Da hielt der Uhu mit finsteren Brauen
Eine Rede voll Aufruhr, Verschwörung und

Grauen

Und bewies, alles Unglück in der Natur
Das käme her von den Menschen nur.

Und ihre Gewaltherrschaft sei miserabel!

Da klatschte man Beifall mit Flügel und Schnabel,
Und als nun emvorstieg das Morgenroth,

Da schwur man sich Treue bis in den Tod,

Und für denselbigen Mittag schon
Ward anbcraumt die Revolution.

Die Sonne bog zur Seite die Zweige

Und blickte verwundert, >vas beut sich wohl zeige.

Da flog der Kukuk vor das Bureau,

Und rief: „Kukuk" und zwölsmal so.

Die beiden Räthe. die hörten das.

Zuklappten sie eilig ihr Tintenfaß,

Denn die Räthinnen hielten alle beid'

Beim Mittagessen auf Pünktlichkeit.

Doch als sie nun kamene des Mahles gewärtig,
Da zeigt sich, der Braten.war lang noch nicht fertig.

Der Kukuk, dieses rebellische Vieh,

Der Dolus ist klar, er rief zu früh!

Gleich sollte ein Hirschkäfer ihn eruiren
Und alsobald vor Gericht citiren.

Der Kukuk aber fraß — meiner Seel' —!

Den Boten mitsammt dem Verhaftungsbefehl.
Und als der Herr Rath nun erschien und tvollte,
Daß er unverzüglich herabkommen sollte,

Da schüttelt' er nur ein klein wenig sich,
Worauf der Herr Rath vor Empörung erblich. —
Denn grade am Knopfloch war ihm geworden
Von Kukuks Gnaden ein weißer Orden.

Und nun, auf dieses genaue Signal,

Da kamen die andern in voller Zahl:

Die Glühwürmer, Mistkäfer, Bienen, Ameisen,
Die Spatzen, die Finken und wie sie heißen,

Die Elsenkönigiu mit ihren Elfen,

Sogar die Hirschkäfer wollten helfen,

Der Kukuk, die Wanzen, die Mücken, sie alle
Sie halfen mit Flügel, mit Stachel, mit Kralle,
Mit Schnabel, mit Zange, mit Schlimmrcm sogar,
Bis die Kommission entflohen war.

Die Tafeln wurden, tver hätt' es geglaubt,

Im Nu von den Holzwürmern abgeschraubt.
Dann traf den Gnomen des Volkes Haß:

Man tauchte ihn tief in ein Tintenfaß,

Denn es war allgemein bekannt:

Er war es, der jene gerufen ins Land.

Dem Kukuk ward in derselbigen Nacht
Ein Glühwurmfackelzug dargebrackit.

Und heute noch heißt's, wo zu viel wird besohlen:
Der Kukuk soll die Regierung holen!!

267
Index
Arpad Schmidhammer: Zeichnungen zm Text "Die Revolution im Tannenwald"
 
Annotationen