Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 10

JUGEND

1898

B. Pankok (München).

Mit dem Eselskinnback

IV. Lernaische Pfeile

volkswirthschaftlichc Drehorgel

Weil wir fasten,

Müssen wir rasten,

Lind weil wir rasten,

Müssen wir fasten!

Aeszen ivir alle fatt,

Hätten wir alte zu thun,

Weit aber Keiner was hat,

Wutz auch die Arbeit rnh'n!...

Herablassung

Hein tzochmuth steckt im Fuchs. Das zu

beweisen,

Will er sogar, man denk', mit den

Hühnern speisen!

Moderne Volksvcrgnügungen

Genügsamkeit sei in der Weit verschwunden?
— Ich Hab' sie genügsamer nie gefunden!

Wo, sagt die Redaktion
sGlossukes Preßprogramm)

„Man ivird uns gewappnet sehen
Fiir's Recht — trotz Spott und Hohn!
Wir werden wie Felsen stehen ...!“
-Wo, sagt die Redaktion.

„Nur Wahrheit werden wir künden,

Im lautern Herzenston!

Die Flamme des Cdein zünden ... I"

— — Wo, sagt die Redaktion.

„Wir schleppen für'« Volk unt Mühe
Die fetten Brocken davon,

Nnd trinken selber die Brühe...!"
-Wo, sagt die Redaktion.

MM

(V i:c|ntÄ tn

Von Max Grad.

^)?'ingshernm blühen in dem weitläufigen
'-&V Garten die Rosen. Gelbe Sonnenkringel
spielen auf dem Sammetrasen. Die hohen Baum-
kronen umarmen sich zu einem scingeflochtenen
Gitter. Die Sonne ist dem Sinken nahe, ein
müder Dust lagert über dem Rvsenmeer.

Aber Madame ist nicht zufrieden. Sie lehnt
am offenen Fenster shres Boudoirs, starrt miß-
vergnügt in das dämmrige Grün hinein und
läßt die Unterlippe hängen. Ist man allein,
braucht man sich ja nicht zu geniren. Der Spring-
brunnen plätschert nur ganzdiscret; sie hat ihn

eben abstellen lassen. Das ausdringliche Lärmen
der vierfach gespaltenen Fontaine kann sie nicht
ertragen. Nervös fühlt sie sich; sehr nervös!

Das Gclbscidene sitzt nicht und ist so gut wie
verdorben, — Nina, die Unentbehrliche, ivill
hcirathen, und für das Fest des Präsidenten
wird sie — Madame — einen Pickel aus die
Nase bekommen. Sie fühlt ihn schon; so einen
garstigen, rothen Pickel, der sich allmählig ver-
größert und immer mehr entzündet. Selbst
Petit, der Unübertreffliche, wird ihn nicht weg-
bekvmmcn. Und ausgerechnet für das Fest des
Präsidenten! Aber das Aergste ist dvch das mit
Lo! Die kleine Lo! Wie ging nur Alles so
rasch!

Hätte sie daS Kind doch noch im Kloster ge-
halten! Aber freilich, sie >var fast siebzehn!
Und dann kam Alles so plötzlich. Der Baron
war reich, sehr verliebt, Lo schön — nnd zuerst
waren sie ja auch weit auseinander. Wer hätte
gedacht, daß sie dann in dieselbe Stadt, — und
auch daß Lo so bald — säst vulgär ist's! Kaum
ein Jahr vcrheirathet!

Madame Adeline de Soiron zeigt sich jetzt
wirklich seit den vierzehn Tagen, da die kleine
Baronin hier ist, nicht gerne mit der Töchter.
Nicht daß diese weniger hübsch gewesen wäre!
O nein, ihre Tochter! Aber eben daß sie ihre
Tochter und schon selbst — Lo ist eigentlich jetzt

gerade erst recht süß! Wenigstens behauptet das
der Baron. Sic sind noch innner so grauenhaft
verliebt. Auch beinahe vulgär! Und Lo beginnt
das nahende Mutterglück mit so naiv strahlender
Freude zu empfinden und so schrecklich offiziell
zu zeigen; das ist auch vulgär und eigentlich
rücksichtslos!

Mein Gott, wenn nimr doch selbst erst 37 ist!
Für die Welt noch immer 28!

Nicht daß Madame die Tochter nicht liebte!
Lo war immer ein schönes Kind geivescn und
man konnte stets stolz darauf sein!

„Mein kleiner Engel" hatte sic Herr v. Soiron
immer genannt. Aber nicht lange. Friede seiner
Asche!

dich und Maximes! Männer können so son-
derbar sein.

Großmaman! Wie das klingt! So wohlbc-
lcibt, resignirt, nach Lavendel und Fliederlhee
duftend! Mau denkt unwillkürlich an graues
Haar nnd Runzeln. Maximes ivürde dann ge-
wiß darnach suchen. Ach Gott, — ein haar
würde er ja schon finden, — mit 37 Jahren!
Und die Creme de Salon ist lange nicht mehr so
wirkungsvoll wie früher. Sie wird cs Petit einmal
sagen. Maximes ist nur ein Jahr jünger >vie sie.
Aber diese Männer! Sie dürfen leben, lieben —
älter werden, — und lvcrden doch nie zu alt!

Madame seufzt. Dann nimmt sic einen kleinen
silbernen Handspiegel und betrachtet sich ernst
und nachdenklich. Lächerliche Grillen! Keine
Spur alt ist sie! Jung, — ganz jung sicht sie
noch aus. Und gar, meint sic lächelt. Hatte
nicht jüngst erst, beim Gesandten, der neue Tenor
sie für ein Mädchen gehalten? Ein netter, feiner
Mensch, dieser Tenor!

Wenn sic nur ein klein wenig Puder — und
dann in Rosa nnd mit dem originellen Hut und
dem Point-Schleier, — bah, kein Mensch — aber
Lo ist dvch da und bald auch das —!

Que fairoi Die Zeit rollt weiter, immer
weiter! Gewiß werden dann mehrere kommen;
dunkle, wie der Baron und helle, blonde, wie
Lo! Und Alle werden sie sagen und rufen:
„Großmaman, Großmaman!"

Sie spürt cs jetzt schon an den Nerven. Wie
konnte ihr nur Lo das anthun! Ganz böse und
bitter steigt in ihr ein Gefühl — säst der Ab-
neigung — gegen die Tochter auf.

Heute aber, heute Abend will sie sich auf dem
großen Garlenscst des Marquis de Genil noch
ainüsiren. So recht nmiisircn — glänzen! An-
dere in den Schatten stellen, die jünger sind wie
sie, aller Welt den Kopf verdrehen!

Und Maxiines kommt auch!! Weiß, ganz
weiß wird sie tragen, mit Silber gesticktem Tab-
lier aus Lilien. Das alte prächtige Brillant-
diadem der SoironS im Haar, frische Lilien a»
der Britst, mit Staubfäden aus ächten Brillanten.
Das hat sie sich nusgcdncht; Keine hatte cs zu-
vor. Madame la Hausse wird bersten vor Neid,
Maximes sie, seine Adeline, bewundern, um den
berühmten Nacken . . .

„Madame, entschuldigen — von Llonsiour lo
Larou —" — Ein Brief!

162
Register
Max Grad: Großmaman
Bernhard Pankok: Zierleiste
[nicht signierter Beitrag]: Mit dem Eselskinnback
Fritz Erler: Zeichnung ohne Titel
 
Annotationen