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N r. 1

- JUGHND -

1900

R. M. Eichler (München)

So horchte ich also in die Runde
In Erwartung der großen Geisterstunde,

Da hörte ich plötzlich neben mir einen Ton
Von einer ganz ungeheuerlichen Dimension.

Entsetzt wandte ich mich nach der Seiten,
wo man mir diese Ueberraschung thäte bereiten,
Und rief: „warum sprengen Sie mir das Ohr?
Es ist doch noch siebzehn Minuten vorl"

Aber der Unhold neben mir verbeugte
Sich frech im Scheine seiner Stockleuchte
Und sagte: „was für eine Albernheit!

Ich kümmere mich nicht um die mitteleuropäische Zeit.

ch stand, den Iahrhundertschlag zu erwarten,
In tiefer Stille im Bürgergarten,

Oben auf dem walle des Abends spat
Zu Schildburg, meiner lieben Vaterstadt.

Ich hoffe, daß der Respekt vor Autoritäten
In diesem Jahrhundert noch nicht ganz ginge flöten;
Saget mir also nichts weiter Grobs:

Ich bin der berühmte Hieronymus Jobs."

Die Bäume starrten wie rauhe Besen,

Und etwas gruselig ist es gewesen,

Auch ein Liebespaar hatte diese Empfindung,
Denn ich sah, wie es sich eng umschlung.

„Umso besser," versetzt' ich, „oder vielmehr schlechter,
Du verkommener Nachtwächter!

Vor hundert Jahren war Dein Gesang fein,

In die heutige Welt paßt Du nicht mehr herein."

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Register
Reinhold Max Eichler: Zeichnung zum Text "Der Nachtwächter"
Gustav Kühl: Der Nachtwächter
 
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