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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 8 (19. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3886#0136

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1900

Nr. 8

gcir keinen Gedanken d'rauf hat und der
Verdruß ist fertig.

Gewesen ist's in der vorigen Woche.
Ihr wißt es ja, beim Grabenwirth, wie wir
den schwarzen Schuster haben geprügelt.
Muß nicht der Mathias so eng dabei stehen,
daß er auf ja und nein Eine hat in seinem
vorderen Gesicht. Und schießt ihni von der
Nase auch schon die roth' Suppen.

„Aff', ungeschickter!" red' ich ihn
d'rauf an, den Mathias, „siehst es denn
nicht, daß ich just bei der Arbeit bin?
Was stehst mir denn im Weg um? Nun
— ist's Dir etwan nit recht?" sag ich
in aller Güte, weil der Mathias Kloiber
alleweil mein bester Kamerad ist gewest.
Und jetzt denkt Euch, will er aufbegehren,
und das ließ' er sich nit gefallen. Und das
möcht er sehen, wer Schneid hätt! „Halt's
Maul!" red' ich ihm freundlich zu, „oder
ich reiß Dir die Haxen aus," sag ich, „und
schmeiß sie in den Fletzboden, daß sie
Dir's heraus st e m m e n müssen!"

Auf diese wohlgemeinte Ansprach' —
nun ja, sagen Hab' ich es ihm müssen,
daß er sich zu richten weiß für ein anderes-
mal — auf die freundschaftliche Ansprach'
geht er mich klagen! Klagen geht er mich,
der Tropf! Und haben nachher allzwei
die Laufereien zum Gericht gehabt. Na,
und so ein Richter versteht natürlich auch
keinen Spaß und heißt es jetzt, den Mathias
Kloiber hätt' ich beleidigt!

„Beleidigt?!" frag' ich ganz der-
schossen. „Beleidigt? Ich? Wen? Den
Mathias?"

Zuckt der Richter die Achsel, was
mir eh schon allemal verdächtig ist und
sagt: „Ja wohl, mein Lieber, Drohung
gegen die körperliche Sicherheit!"

— Na, meiner Seel' und Gott! Hell
auflachen Hab' ich müssen mitten im Ge-
richtssaal. Eine Drohung?! Ah, das ist
nit übel, wo ich ihm nur gemütlich Hab'
zugesprochen, wie es ein Bruder dem
andern nit besser kann.

Ja, meint der Richter, da könnt' er
mir nit helfen und liest mir so was Para-

graphisches vor, wo ich eh schon allemal
g'fressen Hab. Und sagt, er müßt mich
auf ein paar Wochen in den Kotter stecken
lassen. Ausgenommen, ich thät bereit sein
zu einer Abbitt' und der Mathias Kloiber
thät' die Abbitt' annehmen.

Denk ich ein bissel nach. — Abbitt!
„Dafür ist er mir auch noch nit feil, der
Mathias," sag ich, „denn weil der Mensch
mit seinem besten Kameraden gern in
Fried und Verträglichkeit lebt und weil's
in solchen Sachen allemal am gescheitesten
ist, man verständigt sich gut miteinand."
Gleich Hab' ich mich hingestcllt vor den
Mathias, Hab' ihm die Hand entgegen
gehalten: „Mathias!" sag'ich freundlich,
„Mathias! Du bist zwar ein Rindvieh und
bleibst ein Rindvieh, aber ich verzeih' Dir!"

Die Augen sind ihm naß worden,
dem Mathias, um den Hals hat er mich
genommen und gut ist's g'west.

A. Schmidhamnicr

Günstige Konjunktur

— „Kommst Du nicht mit zum Fußball, Bob?"

— „Nein, ich gehe Miß Evelyn einen Heirnths-
antrag machen."

— „Aber sie hat Dich doch bereits einmal ab-
gewiesen?"

— „Well, das war vor dem Kriege. Jetzt,
nach all den großen Verlusten da unten, sind
meine Chancen natürlich gestiegen."

Die koslürnirten Tugenden

Den Tugenden, diesen korrekten Lymphen,
Ram einmal die Luft nach seidenen Strümpfen,
Nach ftatternden Röcklein, entblößtem Hals
Und dem höchsten Zauber des Larnevals:
Nach des Maskenballs fröhlichem

Mummenschanz

Im glänzenden Saal, im rasenden Tanz.
Denn gesellt ihrem Alter ist ewige Jugend,
Und Temperament hat schließlich auch Tugend.

Nun aber welches Rostüm auftreiben,

Um sicherlich unerkannt zu bleiben?

Gerechtigkeit war am schnellsten fertig:
„Ich geh als französischer General.

In dieser Verkleidung gegenwärtig
Renn' ich mich selber nicht einmal."

„So wird Dich ein Rapuziner begleiten!"
Rief Reu sch heit und schnitt ein faunisch

Gesicht.

„Ich schleich' als Anonymus Euch zu Seiten —"
Sprach Tapferkeit. „Hui! ein solcher wicht!"

„Ja! geht ihr denn alle gleich Ungethümen
In unkleidsamen Männcrkostümen?"

Ließ sich vernehmen Bescheidenheit.

„Ich könnte freilich den Mimen wählen,

Doch, daß mir pompöse Farben nicht fehlen,
Sei „Berlin er blau" mein Maskenkleid."

Die Weisheit stand in Sinnen verloren.

Sie dachte zuerst an die langen Ohren
Des Esels. „Ach nein! Das wäre zu plump!
Doch Rerle, die von: Gedankenpump
Bei Andern leben, hm! — Goetheforscher. . .
Rein Schädel ist dicker zugleich und morscher;..
Dahinter hat niemand noch Weisheit gefunden;
So einen borg' ich auf einige Stunden."

Sie waren nun alle so ziemlich im Rlaren,
Und wollten schon zur Redoute fahren.

Da merkten sie, daß eine Schwester noch fehle,
Die volle Wahrheit, die gute Seele.

(Seit sie Herrn Lessing lernte kennen,

Ließ sie sich gern „die volle" nennen,

Hatt' auch eine recht freundliche Fülle
Und zeigte sie immer ganz ohne Hülle.)

Eben kam sie des Wegs gegangen,

Mit nichts, als dieser Fülle behängen.

„Ja! aber Schwester, was soll das bedeuten?
willst unmaskirr Du zu all' den Leuten?"

„wie könnt' ich noch maskirter gehn?

Mich hat ja kein Einziger je geschn!"

* Hr *

Nun sollt' ich vermuthlich noch erzählen,
was die Tugenden auf dem Ball erlebt,
wie graziös sie im Tanz geschwebt, —

Doch will ich Euch nicht weiter quälen.

2luch fürcht' ich,^es käme zu spät mein Bericht
Den Lesern der „Jugend," den jungen und alten.
Ihr habt sie ja selber im Arme gehalten
Aufdem Maskenball! —... Oder etwa nicht?

3. V. SCUdmann

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Index
Julius Diez: Der britische Leu
Josef Victor Widmann: Die kostümirten Tugenden
Arpad Schmidhammer: Zeichnung zum Text "Günstige Konjunktur"
[nicht signierter Beitrag]: [ohne Überschrift]
[nicht signierter Beitrag]: Günstige Konjunktur
 
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