1902
J U GEN D
Nr. 1
„DLs woaß i schs l" sagte dieser mißtrauisch.
„Aber am End' Ham G' djs Ding da schs
amal am Lutherischen-"*)
5 In der „Augsburg. Abdztg." las man kürzlich:
Zwei schlaslose Nächte hat der Leitende der
»N. Bayer. Ztg." hinter sich. Am Samstag mel-
dete er mit allen Zeichen peinigender Angst: „Das
Georgianum hat einen Protestanten als
Hausarzt ausgestellt. Wir halte» es für kaum
glaublich und warten vorerst aus ein Dementi. Ein
Institut zur Heranziehung katholischer Priester kann
doch unmöglich mit Uebergehnng katholischer Aerzte,
deren es übergenug in München gibt, einen Prote-
stanten als Hausarzt bestallen." Zum Glück kam
das Dementi sehr bald, denn das Georgianum bat
nicht einen protestantischen, sondern einen „römisch-
katholischen Hausarzt" angestellt.
Äenn kiner eine Reise tbut....
Der französische Romancier I. K. HuysmanS
macht sich jetzt wie seine chrenwerthen Herren Cvl-
legcn Pierre Loli, Marcel Prevost und Jules Lc-
mcntre durch Chauvinismus interessant. Er be-
ichreibt irgendwo seine Berliner Eindrücke:
„Aus den TrottoirS desiliren geschniegelte Ossiziere,
m corsctartige Tuniken eingezwängt und in schtvar-
zcn Beinkleider» mit rothcn Nudelstreifcn steckend:
Ne gehen vorüber, stramm, ein Monocle von dcr
Größe eines Lokomotivrades im Auge; dabei rauchen
ste Einem die Ströme von Ranch ins Gesicht, den
Ile langen Baumstämmen entziehen, und lassen dazu
auf dem Pflaster ihre Säbel Sprünge machen. Oder
cs sind dicke Damen, geschnürt in Cvstüme, deren
Farben sich untereinander beleidigen, mit immer
ofsenem Munde, aus dem Hühnerschreie als Gelächter
ertönen. Die Männer breitrückig, mit goldenen
Brillen, kahlen Schädel», gelichteten Bärten, ge-
rvthcten Wangen, mit Köpfe» von homöopathischen
Apothekern und — Denkern. Die menschliche Häß-
"chkett hat hier einen besonders unverschämten An-
strich hei dcni linisormirtcn, einen dummen bei dem
Weibe und einen ernsten bei dem Bürger."
. Mit verblüffender Beobachtungsgabe und Wahr-
heitsliebe ist das geschildert! Wir versuchen, im
glerchen Stil den Eindruck sestzuhaltcn, den aus einen
levenio objektiven) Besucher die Pariser machen:
. -.Auf den Boulevards wimmeln schaarcntveise per-
verse Mystiker, die in ihrer Jugend bei den Zolarsten
die Schweine gehütet haben, >m Alter sich mit Ma-
, onnenbild photographircn lassen und ans Rcklamc-
wllheit »l's Kloster gehen, wenn sie nicht vvrziehcn,
zu hcirathcn und sich durch Schimpsen aus die Deul-
lchcn.aiis die „Akademie" vorzubcreiten. Oder es
und kleine krumme Kerle in rothen Hosen, mit blei-
ern, aristokratischen Wasserköpfen und ungeheuren
— Nasen, die mit hageren Jesuiten Arm
in Arm wandeln, Generalstabsossi-
zicre mit lächerlichen goldbestickten
Käppj's, ivelche fortwährend die Ge-
heimnisle der Mobilmachung an Preu-
ßen verkaufen und, damit sic nicht er-
wischt werden, jüdische Ossiziere ans
einsamen Inseln foltern lassen."
Das Publikum von L ond on wäre
in der Manier voir Huysmans etwa
wie solgt zu beschreiben:
„Hagere alte Misses, an deren
Schulterblättern man Hüte aushängcn
könnte, treten mit grotesken, meter-
langen Schuhen die Trottoirs kaput.
Neben ihnen schwanken vierschröüge
Bengel, denen entweder die blutigen
Fetzen eines Beefsteaks zu den sisch-
grätigen Zähnen Heraushängen, oder
Stmnmelpscisen vom Kaliber eines
mittleren Festungsgcschützcs. Bon
Zeit au Zeit sicht man einen betrunke-
nen Soldaten aus allen Bieren krie-
chen, oder einen seiner Borgesetzten
an den Ohren ziehen. Schurkische
Asrikamillionüre bummeln zwischen-
durch und klimpern in ihren Taschen
mit hühnereigroßen Diamanten, und
Minister, die Besitzer von Patronen-
sabriken sind, rempeln die ausländ-
ischen Passanten an, um womöglich
mit deren Regierungen lukrative Kriege
ansangen zu können. Dazu schreit dir
ganze_ verkommene Gesellschaft mit
A FieUcer widerlichen Quetschstimmen, zwischen
Notl,stand! it)ren Zahnlücken durch, fortgesetzt:
.Verdammt schlechte ”YeSI YeSI — o —
öettenl Muß mich jetzt gewöhnen,
billigen Sekt zu trinken!"
Altreichskanzler Fürst Bismarck auf dem Spaziergang
im Sachsenwald, begleitet von der ihm von Sr. Maj.
Kaiser Wilhelm II. geschenkten Reichsdogge, die bei
der Firma Caesar & Minka in Zahna (Preussen) ge-
kauft wurde.
Reichskanzler Graf von Bülow auf der Düne von
Norderney, begleitet von Mohr, dem neuen Reichs-
hund, den Se. Excellenz vor Kurzem bei der Firma
Caesar & Minka in Zahna (Preussen) angekauft hat.
Die beiden obigen Bilder entnehmen wir einem Prospekt der Hundezüchterei Caesar & Minka
in Zahna. — Ist es nicht ganz interessant, dass der neue Reichshund ein wohldressirter
Pudel ist?
Bismarcklied
Mel.: Das war der Herr von Rodcnstein
Da lebte just mit Mann und Knecht
Durch Wort und Witz bekannt
Der Herr von Bismarck schlecht und recht
Als Vogt im Märkerlaud;
Stützte, stützte dort und schützte
Vor Wetter, Sturm und Fluth,
Vor Schutt und Schlamm durch Deich und Damm
Des Landes Hab und Gut.
Des Königs und des Volkes Ehr
Lag tief in Nacht und Bann.
Da rief dcr König: „Bismarck her!"
Da sprach der Vogt: „„Wohlan!""
Rüttelt, rüttelt draus und schüttelt
Das Volk ails R>ih nnd Schlaf.
Da sperrt der Hanf die Augen auf,
Da ward der Vogt ein Graf.
Und als des Erbfeind's Uebermuth
Des Volkes Herz empört,
Da kocht des Grafen heißes Blut,
Er greift zu Schild und Schwert;
Ringt nun, ringt nun und bezwingt nun
Den Feind durch Hieb und Streich
Und wirkt und schafft voll Muth und Kraft
Das Deutsche Kaiserreich.
Ein Rauschen durch die Lüfte zieht:
Der Reichsaar schwebt zum Licht.
Es preist das Volk den Einheitsschmied;
Der Kaiser aber spricht:
„Deichsvogt, Dcichsvogt wirst jetzt Rcichsvogt!
Hier Rang und Band! Du wirst
Zum Dank und Lohn für Reich und Krön
Mein Kanzler und mein Fürst."
Der Kaiser starb. Dcr Kanzler ward
Bon Hof und Macht verbannt;
Allein sein Deutscher Sinn verharrt
In Treu zu Fürst und Land;
Wankt nicht, wanket nicht und schwankt nicht
Dem Neid und Haß zum Trutz,
So spät als früh in Sorg und Müh
Um Deutschland's Schirm und Schutz.
Und ob manch grämlicher Gesell
Mit Schimpf und Spott ihn lohnt,
Mas kümmert denn das Hundsgebell
Am Himmel dort den Mond?
Schiert ihn, schieret ihn und rührt ihn
Auch nicht den kleinsten Deut.
Er denkt und spricht nach Recht uitd Pflich',
Bis ihm der Tod gebeut.
Und wer in Treuen steht und fällt
Für Thron und Vaterland,
Der schant hinauf zum Himmelszelt
Und fleht mit Herz und Hand:
„Walte, walte stets und halte
Auch dort als Lichtgestalt
Für Deutschlands Macht die Wehr und Wacht
Wie einst im Sachsenwald!" ^ (Barben
Kleines Gespräch
Graf Bülow wurde berichtet, daß der Zustand
des russischen Finanzministers Witte lebhafte Be-
unruhigung errege, da derselbe häufig, auch beim
Zaren, Ohnmächten ausgesetzt gewesen sei.
„Das ist nicht so bedenklich," lächelte der blühende
Reichskanzler, „ich bin dem Kaiser gegenüber auch
schon oft ohnmächtig gewesen."
-7
J U GEN D
Nr. 1
„DLs woaß i schs l" sagte dieser mißtrauisch.
„Aber am End' Ham G' djs Ding da schs
amal am Lutherischen-"*)
5 In der „Augsburg. Abdztg." las man kürzlich:
Zwei schlaslose Nächte hat der Leitende der
»N. Bayer. Ztg." hinter sich. Am Samstag mel-
dete er mit allen Zeichen peinigender Angst: „Das
Georgianum hat einen Protestanten als
Hausarzt ausgestellt. Wir halte» es für kaum
glaublich und warten vorerst aus ein Dementi. Ein
Institut zur Heranziehung katholischer Priester kann
doch unmöglich mit Uebergehnng katholischer Aerzte,
deren es übergenug in München gibt, einen Prote-
stanten als Hausarzt bestallen." Zum Glück kam
das Dementi sehr bald, denn das Georgianum bat
nicht einen protestantischen, sondern einen „römisch-
katholischen Hausarzt" angestellt.
Äenn kiner eine Reise tbut....
Der französische Romancier I. K. HuysmanS
macht sich jetzt wie seine chrenwerthen Herren Cvl-
legcn Pierre Loli, Marcel Prevost und Jules Lc-
mcntre durch Chauvinismus interessant. Er be-
ichreibt irgendwo seine Berliner Eindrücke:
„Aus den TrottoirS desiliren geschniegelte Ossiziere,
m corsctartige Tuniken eingezwängt und in schtvar-
zcn Beinkleider» mit rothcn Nudelstreifcn steckend:
Ne gehen vorüber, stramm, ein Monocle von dcr
Größe eines Lokomotivrades im Auge; dabei rauchen
ste Einem die Ströme von Ranch ins Gesicht, den
Ile langen Baumstämmen entziehen, und lassen dazu
auf dem Pflaster ihre Säbel Sprünge machen. Oder
cs sind dicke Damen, geschnürt in Cvstüme, deren
Farben sich untereinander beleidigen, mit immer
ofsenem Munde, aus dem Hühnerschreie als Gelächter
ertönen. Die Männer breitrückig, mit goldenen
Brillen, kahlen Schädel», gelichteten Bärten, ge-
rvthcten Wangen, mit Köpfe» von homöopathischen
Apothekern und — Denkern. Die menschliche Häß-
"chkett hat hier einen besonders unverschämten An-
strich hei dcni linisormirtcn, einen dummen bei dem
Weibe und einen ernsten bei dem Bürger."
. Mit verblüffender Beobachtungsgabe und Wahr-
heitsliebe ist das geschildert! Wir versuchen, im
glerchen Stil den Eindruck sestzuhaltcn, den aus einen
levenio objektiven) Besucher die Pariser machen:
. -.Auf den Boulevards wimmeln schaarcntveise per-
verse Mystiker, die in ihrer Jugend bei den Zolarsten
die Schweine gehütet haben, >m Alter sich mit Ma-
, onnenbild photographircn lassen und ans Rcklamc-
wllheit »l's Kloster gehen, wenn sie nicht vvrziehcn,
zu hcirathcn und sich durch Schimpsen aus die Deul-
lchcn.aiis die „Akademie" vorzubcreiten. Oder es
und kleine krumme Kerle in rothen Hosen, mit blei-
ern, aristokratischen Wasserköpfen und ungeheuren
— Nasen, die mit hageren Jesuiten Arm
in Arm wandeln, Generalstabsossi-
zicre mit lächerlichen goldbestickten
Käppj's, ivelche fortwährend die Ge-
heimnisle der Mobilmachung an Preu-
ßen verkaufen und, damit sic nicht er-
wischt werden, jüdische Ossiziere ans
einsamen Inseln foltern lassen."
Das Publikum von L ond on wäre
in der Manier voir Huysmans etwa
wie solgt zu beschreiben:
„Hagere alte Misses, an deren
Schulterblättern man Hüte aushängcn
könnte, treten mit grotesken, meter-
langen Schuhen die Trottoirs kaput.
Neben ihnen schwanken vierschröüge
Bengel, denen entweder die blutigen
Fetzen eines Beefsteaks zu den sisch-
grätigen Zähnen Heraushängen, oder
Stmnmelpscisen vom Kaliber eines
mittleren Festungsgcschützcs. Bon
Zeit au Zeit sicht man einen betrunke-
nen Soldaten aus allen Bieren krie-
chen, oder einen seiner Borgesetzten
an den Ohren ziehen. Schurkische
Asrikamillionüre bummeln zwischen-
durch und klimpern in ihren Taschen
mit hühnereigroßen Diamanten, und
Minister, die Besitzer von Patronen-
sabriken sind, rempeln die ausländ-
ischen Passanten an, um womöglich
mit deren Regierungen lukrative Kriege
ansangen zu können. Dazu schreit dir
ganze_ verkommene Gesellschaft mit
A FieUcer widerlichen Quetschstimmen, zwischen
Notl,stand! it)ren Zahnlücken durch, fortgesetzt:
.Verdammt schlechte ”YeSI YeSI — o —
öettenl Muß mich jetzt gewöhnen,
billigen Sekt zu trinken!"
Altreichskanzler Fürst Bismarck auf dem Spaziergang
im Sachsenwald, begleitet von der ihm von Sr. Maj.
Kaiser Wilhelm II. geschenkten Reichsdogge, die bei
der Firma Caesar & Minka in Zahna (Preussen) ge-
kauft wurde.
Reichskanzler Graf von Bülow auf der Düne von
Norderney, begleitet von Mohr, dem neuen Reichs-
hund, den Se. Excellenz vor Kurzem bei der Firma
Caesar & Minka in Zahna (Preussen) angekauft hat.
Die beiden obigen Bilder entnehmen wir einem Prospekt der Hundezüchterei Caesar & Minka
in Zahna. — Ist es nicht ganz interessant, dass der neue Reichshund ein wohldressirter
Pudel ist?
Bismarcklied
Mel.: Das war der Herr von Rodcnstein
Da lebte just mit Mann und Knecht
Durch Wort und Witz bekannt
Der Herr von Bismarck schlecht und recht
Als Vogt im Märkerlaud;
Stützte, stützte dort und schützte
Vor Wetter, Sturm und Fluth,
Vor Schutt und Schlamm durch Deich und Damm
Des Landes Hab und Gut.
Des Königs und des Volkes Ehr
Lag tief in Nacht und Bann.
Da rief dcr König: „Bismarck her!"
Da sprach der Vogt: „„Wohlan!""
Rüttelt, rüttelt draus und schüttelt
Das Volk ails R>ih nnd Schlaf.
Da sperrt der Hanf die Augen auf,
Da ward der Vogt ein Graf.
Und als des Erbfeind's Uebermuth
Des Volkes Herz empört,
Da kocht des Grafen heißes Blut,
Er greift zu Schild und Schwert;
Ringt nun, ringt nun und bezwingt nun
Den Feind durch Hieb und Streich
Und wirkt und schafft voll Muth und Kraft
Das Deutsche Kaiserreich.
Ein Rauschen durch die Lüfte zieht:
Der Reichsaar schwebt zum Licht.
Es preist das Volk den Einheitsschmied;
Der Kaiser aber spricht:
„Deichsvogt, Dcichsvogt wirst jetzt Rcichsvogt!
Hier Rang und Band! Du wirst
Zum Dank und Lohn für Reich und Krön
Mein Kanzler und mein Fürst."
Der Kaiser starb. Dcr Kanzler ward
Bon Hof und Macht verbannt;
Allein sein Deutscher Sinn verharrt
In Treu zu Fürst und Land;
Wankt nicht, wanket nicht und schwankt nicht
Dem Neid und Haß zum Trutz,
So spät als früh in Sorg und Müh
Um Deutschland's Schirm und Schutz.
Und ob manch grämlicher Gesell
Mit Schimpf und Spott ihn lohnt,
Mas kümmert denn das Hundsgebell
Am Himmel dort den Mond?
Schiert ihn, schieret ihn und rührt ihn
Auch nicht den kleinsten Deut.
Er denkt und spricht nach Recht uitd Pflich',
Bis ihm der Tod gebeut.
Und wer in Treuen steht und fällt
Für Thron und Vaterland,
Der schant hinauf zum Himmelszelt
Und fleht mit Herz und Hand:
„Walte, walte stets und halte
Auch dort als Lichtgestalt
Für Deutschlands Macht die Wehr und Wacht
Wie einst im Sachsenwald!" ^ (Barben
Kleines Gespräch
Graf Bülow wurde berichtet, daß der Zustand
des russischen Finanzministers Witte lebhafte Be-
unruhigung errege, da derselbe häufig, auch beim
Zaren, Ohnmächten ausgesetzt gewesen sei.
„Das ist nicht so bedenklich," lächelte der blühende
Reichskanzler, „ich bin dem Kaiser gegenüber auch
schon oft ohnmächtig gewesen."
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