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Nr. 24

Die „Rumberts“ im Scbwabcnland

Der Jürft von Fürstenberg unternahm dieser
Tage mit mehreren Mitgliedern der hohen Aristo-
kratie eine Automobilfahrt nach Kempten. 3»
>np, wo man die Herren, die französisch mit-
einander sprachen, nicht kannte, faßte die Polizei
den verdacht, man habe es mit der flüchtigen
Familie Humbert zu Ihun, und »elegraphirte in
diesem Sinne an die Polizei in Kempten, von dieser
wurden die Touristen im Hotel „zur Krone" kon-
troUirt, wobei sich sofort der Irrthum herausstellte.

„kos, los!') Mit fünf Persone drei(n)

Im grausigschte Galöpple

Ischt g'rad in euser") Schtädtle 'nei(n)

Ä richtig's Automöbble!"

— „Sn Automöbble? Kotz und Blitz!

A so ä Tuisels Lhaislc?

Und fünf Persone auf de Sitz'!

Wie Hand' se ausg'schaut, Kläsle?" 3)

„Ah! Bluetig wild, dös ka' D'r fa'l
No wilder als mei Bäs'") isch!

Und g'schproche Hand' se, Haber Ma(n),

G'rad spanisch und franzäsisch!"

„— Franzäsisch Hand' se g'schproche, he?

Und g'autlet*) send' se, “) Iäcklc?7)

Paß auf! Was gilt's! Mir hand's! ") Iuhe!
Dös send die Dorenäkle l! —" 9)

„Dia wo in Frankreich g'schtohle Hand
Gar hundertweis d' Milljone!

Schnell, Iäckle! Kläsle! Kommet! Gand!'")

Der Fang, der weard it") ohne!!"

„Iin Namen das Gcsötzes, hoi!
verhaft' i Ui, ihr keutle! — —

Was? — Wer send Ihr? — Ä Fürscht?-

21h not ^ ^

Io währle! '^) Da stohts deutle!"

„An, na isch nix! Alans, Iäckle, gand
No hoim! S' isch hott' mim '*) gange! . .
G'west") aber wenn fe's wäre, Aland,'")
Die hätt' m'r nobel'") g'fange!!"

>) Horch I unser s) Diminutiv von «laus <) Base
ge-a»telt °> sind sie r, Diminutiv von Jakob ») haben
sie ") die Daurignacs >») geht! >» wird nicht wahr-
haftig, i») hott hinüber — rechtsum ») gewesen >°) Männer
>»> brillant, ausgezeichnet.

Der Kampf der BroTchüren

Lied eines fchadenirehen Deutfchenfeindes Ober die
Maire WolHSchalk

Als ich die erste Broschüre gelesen,

Da ist meine Freude ganz wölfisch gewesen,
Doch als die zweite zur Hand ich genommen,

Da ist mir ein schalkhaftes Lächeln gekommen.
Ich hab's mit Vergnügen herausgespürt,

Daß dieser Kampf immer schönerer wird!

Streiflichter der „Jugend"

Ganz London taumelt im Siegesrausch. Mau
betrinkt fiel) ans da» Wohl Chamberlains und be-
denkt nicht, daß man sich dieses Vergnügen schon vor

einem Jahre hätte leisten können, wenn-Ja,

wenn! An dieses „Wenn" mögen die Herren an
der Themse nicht denken. Denn dieses „Wenn" be-
deutet mindestens zwei Milliarden Mark, die man
unnütz zum Teufel gejagt hat! Von den Menschen-
leben, die ein richtiger Engländer pro Stück kaum
ansV« Pfund Sterling einschätzt, gar nidst zu reden.
Chnmberlain und Milner sind jedenfalls ganz er-
staunt, daß man sie, statt sie zu lNnchen, als die Retter
des Vaterlandes seien. Und Kitchener, den die Zeil-

. JUGEND

ungen einen zweiten Moltke nennen, erkun-
digte fid) telegraphisch in Paris, ob wirklich das
deutsche Generalstabswerk über den Krieg von^nn»70
eine einzige Lüge sei, und ob der Sieger von Weissen-
burg, Wörth, Gravelotte und Sedan ein ganzes Jahr-
lang immer Prügel bekommen Hütte, ohne daß es
jemand merkte! Doch wie dem auch sei: in einem
Punkt sind sich Moltke und Kitchener völlig glcidz:
sie haben beide, naäidem sie genug gekriegt hatten,
Frieden geschlossen. Die englischen Zeitungen sagen:
aus Großmuth! Das erinnert mich an eine Ge-
schichte, die id) als kleiner Knabe in der Kinderfibel
gelesen habe. Sie lautet also: Es war einmal ein
Straßenränder. Der lauerte einem friedlichen Bürger,
der desselben Wegs kam, auf, stad, ihn nieder und
nahm ihm seine Börse. Allein der Todwunde halte
noch Kraft genug, den Räuber zu packen, nieder zu
werfen und zu würgen, daß ihm Hören und Sehen
verging. Da sagte der Räuber: Laß mich los! Dann
schenke id) Dir das Leben! Und der Andere, der ein
Christ war, ließ ihn los und ging in das Spital,
sich die Wunden verbinden zu lassen. Der Räuber
aber ging mit der gestohlenen Börse nach Hause
und etzählle seinen Kameraden, er habe dem armen
Kerl, dem er sie abgenommen, aus Großmuth das

Leben geschenkt. K. st.

» * *

Intra murosi Eine neue Enchklika, nickst wahr?
Koma locuta. . . Weit gefehlt: Die Behörden der
größten deutschen Universität haben es geprägt,
dieses scksöne Wort. So wandeln sich die Zeiten!
Wer entsinnt sicks nickst, wie vor Herrn von Stumm
einst der Katbedersozialismus in die Oesfentlichkeit
sich flüchten mußte? Ach, Herr v. Stumm ist tobt,
und der einflußreichste der Kathedersozialisten will
unbehelligt sein von der Oesfentlichkeit. Mauern
um die deutschen Hochschulen, wie um ein römisches
Priesterseminar; Gitter vor die Fenster; Schlösser
vor die Lippen der Jünglinge; Ketzergerichte wider-
alle, die nicht schweigen mögen: und fröhliche Feste
nur zur höheren Ehre des Ministerialdirektors! Jhr
wollt unter euch sein? — o ihr Kurzsichtigen! Für
die deutsche Kultur hättet ihr mit diesem Intra muros
euer eigenes Consilium abeundi unterschrieben.
Cingemauerte Wissenschaft — das ist die neueste
Phase im Sturmlaus des Berliner Geistes. Ver-
zeichnet sie, Chronisten!

* * *

„Rettet den Mittelstand!" rufen die Herren
Agrarier. „Das Brot ist zu billig. Der Bauer geht zu
Grunde." Wenn nun aber statt des Bauern die brot-
esjende Arbeiterbevölkerung der Städte zu Grunde
geht? Was wird dann aus dem Mittelstand? Pastor-
Naumann, dieser ehrliche Socialpolitiker, der schon
so oft zum Schrecken der Philister die Wahrheit ge-
sagt hat, wirft in seiner „Neudeutschen Wirth-
schastspolitik" diese interessante Frage auf. Und
die Antwort? Nun, für die Agrarier lautet sie
wenig erbaulich. Die 800,000 Kinder, die alljährlich
in Deutschland geboren werden, können beim beste»
Willen nicht als Rittergutsbesitzer, Offiziere und
Landgerichtsräthe untergebracht werden. Auch nicht
als ehrsame Handwerksmeister und Kleinbauern.
Nein, sie werden, wenige glückliche Ausnahmen ab-
gerechnet, Proletarier oder, was dasselbe besagen
will, die — Ernährer des Mittelstandes! Werlacht
da? Da gibt es nichts zu lachen. Es ist nun ein-
mal eine traurige Wahrheit im ökonomischen Leben
der Gegenwart, daß die Aermsten aller Armen die
Masse der sogenannten Bessersituierten Tag für Tag
am Leben erhalten. Fast die halbe Bevölkerung
Deutschlands besteht aus Lohnarbeitern. Was diese
an baarem Geld verdienen, das tragen sie alles
zum Bäcker, Metzger, Krämer, Schneider, Schuster
und Gastwirth. haben sie kein Geld, so kan» der
Bäcker und der Metzger seinen Laden, der Schneider
und der Schuster seine Werkstätte schließen. Und
da kommen unsere neuesten Mittelstandsretter und
wollen dem Arbeiter das tägliche Brot vertheuern,
um den — Mittelstand zu retten! Ich fürchte, ick,
fürchte, es wird ihnen ergehn wie Till Eulenspiegel,
als er seinem Schimmel das Fressen abgcwöhnen
wollte. An dem Tage nämlich, da das Thier zum
ersten Male gar nichts kriegen sollte, war cs bereits
gestorben. JunIun

407

ReicbstagsmiUtäriscbes

Die Ernennung des Reichstagsabgeordncten
de Schmiddt zum Rittmeister ä la suite eines Kü-
rassierregiments hat vielfaches Kopfschütteln hervor-
gerufen. — Unserer Meinung nach mit Unrecht. —
Warum soll ein fleißiges Reichstagsmitglied,
welches sich um eine Regierungsvorlage wohlver-
dient gemacht hat, nicht zum Lohn dafür mit einer
militärischen Charge bekleidet werden?! Zu verlangen
wäre allerdings, daß die be-
willigte Uniform den Körper-
proportionen des betreffenden
Abgeordneten angemessen er-
scheint, damit der neugebackene
Krieger nicht bei der ersten
besten militärischen Vorstell-
ung dem Fluch der Lächer-
lichkeit anheimfällt. Ich könnte
mirz. B. den Durchschnitts-
Centrumsmann beim be-
sten Willen nicht als Ulanen
denken.

Andrerseits dürfte der hagere Müller-Fulda
nicht in eine Kürassier uniform gesteckt werden,
die de» Abgeordneten Oertel wiederum imposant
und geradezu monumental erscheinen lassen würde.

Eugen, dem eine kleine Aufmunterung wohl
auch einmal zu gönnen wäre, ist durchaus nicht
von einer so chklopenhasten Unförmlichkeit, wie g -
wissenlose und böswillige Witz-
blätter darzustellen Pflegen.

Er ist im Gcgentheil trotz sei-
ner Körperfülle ganz nett pro-
portionirt und würde sich in
Husaren-Uniform immerhin
ganz leidlich machen. Sein
etwasstarkcrKops könnte durch
den flotten Ka'pak und ein
Monocle sicher an Anmuth

Singer hat eitzp aner-
kannt schlechte Figur und
würde seines langen Ober-
körpers und der kurzen
Beine wegen in jeder Uni-
form ungünstig erscheinen.
Dagegen käme ihm die lan-
ge Offizierspelerine, die ja
von jeder Wassengattung
getragen werden darf, sehr
zu statten — —

Sicher würden vermehrte Beförderungen sehr
zum Ansehen des heute leider etwas in Mißkredit
gekommenen Parlamentarismus beitragen!

Zur gef 1. Beachtung!

Das Titelblatt dieser Nummer ist von Max
Hagen (München).

gewinnen.
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-ystr-: Streiflichter der "Jugend"
[nicht signierter Beitrag]: Reichstagsmilitärisches
E. St. [1]: Streiflichter der "Jugend"
[nicht signierter Beitrag]: Die "Humberts" in Schwabenland
Monogrammist Frosch: Illustrationen zum Text "Reichstagsmilitärisches"
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Die 'Humberts' im Schwabenland"
 
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