DOI Heft:
Nr. 38
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.4384#0283
Morgenfeier
Don Franz Langheinrich
Aus dem Wirrsal tiefverhängter Stunden,
die mir wie ein wüstes Traumbild ist,
Hab ich mich zu dir zurück gefunden,
weiß ich erst, was du, Natur, mir bist,
weiß, daß du mich immerdar besessen,
daß du deines Kindes nie vergessen,
ob es dich auch treuelos vergißt.
liebender als je in diesem Leben
ziehst du mich an deine heilige Brust,
und dein Blick ist lächelndes Vergeben,
das nur Mitleid, niemals Zorn gewußt.
Mutterliebe, ewiges Erbarmen,
weinend berg ich mich in deinen Armen-
laß mich weinen, Tränen deiner Lust!
Freudig fühl ich deine Wälder schimmern,
deine Berge durch den blassen Flor,
deine Fluren, die im Taulicht flimmern,
deiner Blumen süßbewegten Ehor.
Sieh, die Pflugschar glüht im Ackergrunde!
Segnend das Vermächtnis dieser Stunde
steigt die Sonne über uns empor.
Oie Linde
Don Will Vesper
Riesige Linde, gebreitet über den Sitz,
in der Krone gespalten von Wetter und Blitz,
wie ein Himmel gewölbt, von Schicksal durchweht,
die wie ein Schuhgeist vor unserer Hütte steht!
Stcrnenvoll in der Nacht und am Tag voll Getier-
Vögel wohnen und Wind ist zu Haus in dir.
Wenn du blühest tönt von Bienen die Lust,
schmeckt bis ins Tal hinunter nach deinem Duft.
Wohl Zahrhunderte gingen über dich hin und her,
Zeiten für Menschenherzen zu schwer.
Die dich gepflanzt, sind gestorben, die alt dich gesehn
mußten zu deinen Wurzeln hinunter geh».
Viele Geschlechter sahst du. Tote trug man vorbei.
Liebende hast du vereint und vernahmst der Geborenen Schrei
Kinder bauten in dich Treppe und Hüttlein hinein,
saßen, Greise, verschrumpft, bei dir im Abendschein.
Zn dich selber nun frißt Tod schon Wunden. Es bricht
Ast um Ast sich heraus. Und doch endest du nicht,
nicht mit Blühen und Duft, siehst, ein Ritter, im Streit
wider die alles verzehrende, nagende, mordende Zeit.
Wie ein gewaltiges Lied, wie eine Sage bist du,
raunst von Unsterblichen uns Sterblichen Lehre» zu —
bis dich die Flamme ergreift und dich der Erde entreißt.
Zn die Lüfte, befreit, stürmt geflügelt dein Geist.
Zn der Wilden au
' .-HU F ’i'
jL*g? ,
Earl Reiser (München)
Don Franz Langheinrich
Aus dem Wirrsal tiefverhängter Stunden,
die mir wie ein wüstes Traumbild ist,
Hab ich mich zu dir zurück gefunden,
weiß ich erst, was du, Natur, mir bist,
weiß, daß du mich immerdar besessen,
daß du deines Kindes nie vergessen,
ob es dich auch treuelos vergißt.
liebender als je in diesem Leben
ziehst du mich an deine heilige Brust,
und dein Blick ist lächelndes Vergeben,
das nur Mitleid, niemals Zorn gewußt.
Mutterliebe, ewiges Erbarmen,
weinend berg ich mich in deinen Armen-
laß mich weinen, Tränen deiner Lust!
Freudig fühl ich deine Wälder schimmern,
deine Berge durch den blassen Flor,
deine Fluren, die im Taulicht flimmern,
deiner Blumen süßbewegten Ehor.
Sieh, die Pflugschar glüht im Ackergrunde!
Segnend das Vermächtnis dieser Stunde
steigt die Sonne über uns empor.
Oie Linde
Don Will Vesper
Riesige Linde, gebreitet über den Sitz,
in der Krone gespalten von Wetter und Blitz,
wie ein Himmel gewölbt, von Schicksal durchweht,
die wie ein Schuhgeist vor unserer Hütte steht!
Stcrnenvoll in der Nacht und am Tag voll Getier-
Vögel wohnen und Wind ist zu Haus in dir.
Wenn du blühest tönt von Bienen die Lust,
schmeckt bis ins Tal hinunter nach deinem Duft.
Wohl Zahrhunderte gingen über dich hin und her,
Zeiten für Menschenherzen zu schwer.
Die dich gepflanzt, sind gestorben, die alt dich gesehn
mußten zu deinen Wurzeln hinunter geh».
Viele Geschlechter sahst du. Tote trug man vorbei.
Liebende hast du vereint und vernahmst der Geborenen Schrei
Kinder bauten in dich Treppe und Hüttlein hinein,
saßen, Greise, verschrumpft, bei dir im Abendschein.
Zn dich selber nun frißt Tod schon Wunden. Es bricht
Ast um Ast sich heraus. Und doch endest du nicht,
nicht mit Blühen und Duft, siehst, ein Ritter, im Streit
wider die alles verzehrende, nagende, mordende Zeit.
Wie ein gewaltiges Lied, wie eine Sage bist du,
raunst von Unsterblichen uns Sterblichen Lehre» zu —
bis dich die Flamme ergreift und dich der Erde entreißt.
Zn die Lüfte, befreit, stürmt geflügelt dein Geist.
Zn der Wilden au
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Earl Reiser (München)