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Junge, Friedrich
Syntax der mittelägyptischen Literatursprache: Grundlagen einer Strukturtheorie — Mainz/​Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.70996#0016
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1. Einleitung

1.1 Ziel
Wenn man zusammenfassen will, was die Ägyptologen bewegt, die sich heutzutage mit der
Erforschung der ägyptischen Sprache befassen oder befaßt haben, so kann man vielleicht sagen,
daß die Untersuchungen um das Verbum gekreist sind. Die Formen des Verbums scheinen sich
noch am weitestgehenden einer Erklärung zu entziehen, und so fand und findet die Frage, ob
in diesem oder jenem Syntagma etwa das prospektive, „circumstantial", geminierende oder per-
fektische o.ä. sdm=f stehe, immer neue Antworten. Mit dieser Frage hat auch diese Arbeit an-
gefangen, und zwar in der Vorstellung, eine Entscheidung durch große Materialfülle herbei-
führen zu können. Die Vorstellung erwies sich als Irrtum, sie brachte aber nach und nach die
Erkenntnis, daß neues Material nichts Neues über die Verwendungsweisen des Verbums bringt,
daß über die engeren Verbindungen des Verbums hinauszugehen und daß schließlich ein ganz
anderer Weg zu beschreiten ist als der, Form und Bedeutung aufeinander beziehen zu wollen.
So standen am Ende die Belege aus alt-, aber dafür wohlbekannten Texten und für die Um-
gebungen des Verbums der Satz; aus der Konfrontation mit den verschiedenen Satzarten aber
entstand eine Syntax.
Natürlich wäre auch.eine berechtigte Frage, welches Interesse denn die Klärung der Formen
des Verbums überhaupt beanspruchen darf, und es ist die Meinung nicht eben selten, daß man
mit den vorhandenen Kenntnissen der Texte ja ganz gut Herr wird und genannte Probleme doch
eher als Sport von Grammatikern anzusehen seien. Gewiß, die Beschäftigung mit den Mecha-
nismen einer Sprache hat auch ihren Reiz als Selbstzweck und der Wunsch, gerade ein noch un-
gelöstes Problem zu bewältigen, ist nicht zu unterschätzen. Letztendlich ist dies aber hinter dem
Mißbehagen über ein viel weiterreichendes Ungenügen zurückgetreten. Es ist das Mißbehagen
über die Vorläufigkeit so vieler Übersetzungen, die ihre Wurzel zwar auch andernorts hat, aber
nicht wenig darin, daß man der Formenfülle des Ägyptischen vor allem auch übersetzungs-
technisch so hilflos gegenübersteht und nicht nur die Verbalformen, sondern auch viele Satz-
arten und ihre Aussagenuancen seltsam einförmig und allgemein wiedergibt. Oder auch: Der
Wunsch nahm überhand, die Einflußmöglichkeiten des Übersetzers bei der Übersetzung zurück-
zudrängen und ihm mehr Gesetz der Sprache aufzuzwingen.
So ist schließlich das primär linguistische Interesse aus dem Zentrum gerückt und hat dem
philologischen Interesse Platz gemacht. Der Linguistik wird hier der Status einer Hilfswissen-
schaft zugeteilt, sie soll „Korrektiv" sein bei der Texterschließung (s. Schenkel 1974, 44 ff.).
Mein Ziel will sein, Übersetzungen regelhafter und konsequenter zu machen; eine gewisse Ver-
trautheit mit ägyptischer Grammatik als Voraussetzung kann allerdings dem potentiellen Leser
nicht erspart werden. Dennoch will diese Arbeit nichts weiter als Werkzeuge liefern, Werkzeuge,
die vielleicht weiterhelfen können im Bestreben, die Ägypter noch ein wenig deutlicher zum
Sprechen zu bringen.

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