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1. Jacob Spon: "les pierres parlent"
Bei Jacob Spon (1647-85), den man zu den ersten Altertumsforschern zählen
kann2, zeigen sich deutlich die methodischen Anleihen bei der Philologie. Für Win-
ckelmann gehört er zu den von ihm nur tadelnd erwähnten "antiquarii"3, die oft
Paläographen, Reiseschriftsteller, Kunstführer und Kunsthändler in einem waren;
Münzen und geschnittene Steine waren die Lieblingsobjekte der Antiquare. Spon
beteuert dagegen seine lauteren Motive, die ihn zum Studium der Antike veranlaßt
haben: "c'est seulement l'amour de l'Antiquite, qui m'a fait entreprendre le voyage
d'Italie et de Grece"4. Spon hatte nämlich eine Reise unternommen, die ihn über
Rom, Venedig nach Konstantinopel und zu den griechischen Inseln und schließlich
bis nach Athen und Korinth führte.
In seiner Geburtsstadt Lyon fand Spon, als Arzt und Medizinprofessor ein typi-
scher Vertreter der damaligen Altertumswissenschaft, genügend Anschauungsmate-
rial für seine Beschäftigung mit der Antike; und auch mit einigem Lokalpatriotismus
widmete er sich seiner Liebhaberei. Er konnte sich dabei auf Vorstudien beziehen, so
auf die Veröffentlichungen von Guillaume Paradin5, der die Inschriften als Quelle für
die städtische Geschichte benützte und zeigte, "que les pierres parlent dans tous les
coins de nos rües, pour nous instruire de ce que cette Ville etoit sous la Domination
des Romains." Spon ergänzt und korrigiert Paradin durch neue Funde, deren Bedeu-
tung und Wert für die Geschichtswissenschaft er darlegen will. Zuvor muß er sich
noch mit dem Einwand auseinandersetzen, daß zerbrochener Marmor und halbver-
wischte Inschriften zum Studium der alten Geschichte nichts beitragen; schließlich
lassen sich die Kenntnisse über die alte Geschichte ausführlicher und mit weniger
2 vgl. C.B. Stark, Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst (=Hdb. der Archäologie der
Kunst, Bd.l) Leipzig 1878/80, S.130, s. auch S.137 ff.; vgl. auch J.B. Montfalcon, Jacob Spon,
Recherche des antiquites et curiosites de la Ville de Lyon ... Nouv. ed augm. [...], Lyon 1858, S. vij
u. cxx; Spon betrachtete sich gewiß als ein Kollege "des Principaux Antiquaires et Curieux de
l'Europe", deren Name, Wohnort und Tätigkeit und deren Kunstobjektsammlungen ("la qualite de
leur curiosoite") er aufzählt, in: Recherche des antiquites et curiosites de la ville de Lyon, Lyon 1673,
S.212 u. Untertitel des Buches. Ohne Würdigung des hermeneutischen Ansatzes Spons urteilt
Wolf gang Schiering: "Ein Fortschritt über die Beschäftigung des Antiquars hinaus ist [...] freilich
nicht bezeichnet." (W.S., Zur Geschichte der Archäolgie, in: Handbuch der Archäologie, Allgemeine
Grundlagen der Archäologie, hrsg. von U. Hausmann, München 1969, S.11-161, S.13).
3 "Spon und die gelehrtesten Reisenden haben vornehmlich Inschriften und alte Bücher gesuchet [...]
um die Kunst hat man sich unbekümmert gelassen." (Kleine Schriften, S. 185).
4 [Jacob Spon] Voyage d'Italie, de Dalmatie, de Grece, et dv Levant, fait es annees 1675 et 1676 par
Jacob Spon, Docteur Medecin Aggrege ä Lyon, et George Vvheler Gentilhomme Anglois, 3 Bde.,
Lyon 1678, Bd. I, Epitre [S.l]; Bd.III: "Contenant les Inscriptions de chaque Ville et leur
explication, avec quelques Medailles et autres Monumens antiques." (Titelblatt); Jean Pouilloux
hebt die Pioniertat der Griechenlandreise Spons hervor: "Par lui la Grece reprenait vie et realite."
(J.P., Lyon et la culture grecque, in: Cahiers d'Histoires, Bd. VII, 2 (1962), S. 153-163, S.160).
5 Guillaume Paradin, Memoires de l'histoire de Lyon, en trois livres, avec les inscriptions antiques, les
tombeaux et epitaphes etc., Lyon 1573.
1. Jacob Spon: "les pierres parlent"
Bei Jacob Spon (1647-85), den man zu den ersten Altertumsforschern zählen
kann2, zeigen sich deutlich die methodischen Anleihen bei der Philologie. Für Win-
ckelmann gehört er zu den von ihm nur tadelnd erwähnten "antiquarii"3, die oft
Paläographen, Reiseschriftsteller, Kunstführer und Kunsthändler in einem waren;
Münzen und geschnittene Steine waren die Lieblingsobjekte der Antiquare. Spon
beteuert dagegen seine lauteren Motive, die ihn zum Studium der Antike veranlaßt
haben: "c'est seulement l'amour de l'Antiquite, qui m'a fait entreprendre le voyage
d'Italie et de Grece"4. Spon hatte nämlich eine Reise unternommen, die ihn über
Rom, Venedig nach Konstantinopel und zu den griechischen Inseln und schließlich
bis nach Athen und Korinth führte.
In seiner Geburtsstadt Lyon fand Spon, als Arzt und Medizinprofessor ein typi-
scher Vertreter der damaligen Altertumswissenschaft, genügend Anschauungsmate-
rial für seine Beschäftigung mit der Antike; und auch mit einigem Lokalpatriotismus
widmete er sich seiner Liebhaberei. Er konnte sich dabei auf Vorstudien beziehen, so
auf die Veröffentlichungen von Guillaume Paradin5, der die Inschriften als Quelle für
die städtische Geschichte benützte und zeigte, "que les pierres parlent dans tous les
coins de nos rües, pour nous instruire de ce que cette Ville etoit sous la Domination
des Romains." Spon ergänzt und korrigiert Paradin durch neue Funde, deren Bedeu-
tung und Wert für die Geschichtswissenschaft er darlegen will. Zuvor muß er sich
noch mit dem Einwand auseinandersetzen, daß zerbrochener Marmor und halbver-
wischte Inschriften zum Studium der alten Geschichte nichts beitragen; schließlich
lassen sich die Kenntnisse über die alte Geschichte ausführlicher und mit weniger
2 vgl. C.B. Stark, Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst (=Hdb. der Archäologie der
Kunst, Bd.l) Leipzig 1878/80, S.130, s. auch S.137 ff.; vgl. auch J.B. Montfalcon, Jacob Spon,
Recherche des antiquites et curiosites de la Ville de Lyon ... Nouv. ed augm. [...], Lyon 1858, S. vij
u. cxx; Spon betrachtete sich gewiß als ein Kollege "des Principaux Antiquaires et Curieux de
l'Europe", deren Name, Wohnort und Tätigkeit und deren Kunstobjektsammlungen ("la qualite de
leur curiosoite") er aufzählt, in: Recherche des antiquites et curiosites de la ville de Lyon, Lyon 1673,
S.212 u. Untertitel des Buches. Ohne Würdigung des hermeneutischen Ansatzes Spons urteilt
Wolf gang Schiering: "Ein Fortschritt über die Beschäftigung des Antiquars hinaus ist [...] freilich
nicht bezeichnet." (W.S., Zur Geschichte der Archäolgie, in: Handbuch der Archäologie, Allgemeine
Grundlagen der Archäologie, hrsg. von U. Hausmann, München 1969, S.11-161, S.13).
3 "Spon und die gelehrtesten Reisenden haben vornehmlich Inschriften und alte Bücher gesuchet [...]
um die Kunst hat man sich unbekümmert gelassen." (Kleine Schriften, S. 185).
4 [Jacob Spon] Voyage d'Italie, de Dalmatie, de Grece, et dv Levant, fait es annees 1675 et 1676 par
Jacob Spon, Docteur Medecin Aggrege ä Lyon, et George Vvheler Gentilhomme Anglois, 3 Bde.,
Lyon 1678, Bd. I, Epitre [S.l]; Bd.III: "Contenant les Inscriptions de chaque Ville et leur
explication, avec quelques Medailles et autres Monumens antiques." (Titelblatt); Jean Pouilloux
hebt die Pioniertat der Griechenlandreise Spons hervor: "Par lui la Grece reprenait vie et realite."
(J.P., Lyon et la culture grecque, in: Cahiers d'Histoires, Bd. VII, 2 (1962), S. 153-163, S.160).
5 Guillaume Paradin, Memoires de l'histoire de Lyon, en trois livres, avec les inscriptions antiques, les
tombeaux et epitaphes etc., Lyon 1573.