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aujourd'hui ce qui etoit peut-etre confus dans la tete de celui qui ordonnoit de
l'ouvrage, & dans l'esprit de l'artiste qui avoit lui-meme ses opinions?" Als Beispiel
führt er den ägyptischen Apis-Stier an. Betrachte man einen Stier, geschaffen nach
ägyptischem "Geschmack", so werde voreilig behauptet, es sei Apis; "mais un attri-
but particulier ä cet Apis pretendu, etoit-il dependant de son culte, ou seulement
imagine pour tourner Apis meme en ridicule? Voilä ce qui me pardit comme impossi-
ble ä distinguer". Es erscheint ihm deshalb unmöglich zwischen dem Bezug auf den
Kult und dem Lächerlichmachen der Gottheit zu unterscheiden, weil das Kunstwerk
von sich aus darauf keine Antwort zu geben vermag. Dabei setzt er uneingestanden
voraus, daß sich Kunst in der Antike auch ohne jeden Bezug zum Kult, zur Mytholo-
gie als Kunst verstehen läßt; auf gelehrte Recherchen will er verzichten, die zur
Wahrheit, aber genauso von ihr weg führen können.
Was Caylus hier, bei seiner Beschäftigung mit geschnittenen Steinen, als weise
Beschränkung hervorhebt, war sein stetes Arbeitsprinzip: "je n'ai entrepris que de
faire envisager les pierres, comme ouvrage de Fart; de prouver que l'on peut distinguer
les manieres, le temps & les pays oü les pierres ont ete travaillees, & determiner les
originaux avec la meme certitude que dans la peinture"33. Als Ergebnis seiner akribi-
schen Untersuchungen stellt er der Altertumswissenschaft ein Instrumentarium zur
Verfügung, auf das diese von nun an, und allen voran Winckelmann, nicht mehr
verzichten kann: Caylus untersucht an einem Gegenstand den Werkstoff, die
Tönung, die Patina, die Oberflächenbehandlung, die Gravierung, die Schrifttypen,
die Farbe, Linie, Kontur, Zeichnung, um Entstehungszeit, Ort und Originalität eines
Kunstgegenstandes zu bestimmen. Auf Caylus' Frage, wie aus der historischen und
kulturellen Distanz heraus die objektgemäßen Verstehensbedingungen zu rekonstru-
ieren seien, wird Winckelmann antworten34.
33 le Comte de Caylus, Memoire sur les pierres gravees, in: Memoires de Litterature... Bd. XIX,
S.239-249, S.240f.
34 Diesen Fortschritt in der Sinndeutung der antiken Kunst will Raimond Bayer nicht wahrhaben:
„Winckelmann (1717-1768) est moins original et revolutionnaire qu'il n'apparait tout d'abord. La
conception reputee originale de Winckelmann est au fond celle de Caylus et du XVIIe siecle francais."
(R.B., Histoire de l'Esthetique, Paris 1961, S. 161).
aujourd'hui ce qui etoit peut-etre confus dans la tete de celui qui ordonnoit de
l'ouvrage, & dans l'esprit de l'artiste qui avoit lui-meme ses opinions?" Als Beispiel
führt er den ägyptischen Apis-Stier an. Betrachte man einen Stier, geschaffen nach
ägyptischem "Geschmack", so werde voreilig behauptet, es sei Apis; "mais un attri-
but particulier ä cet Apis pretendu, etoit-il dependant de son culte, ou seulement
imagine pour tourner Apis meme en ridicule? Voilä ce qui me pardit comme impossi-
ble ä distinguer". Es erscheint ihm deshalb unmöglich zwischen dem Bezug auf den
Kult und dem Lächerlichmachen der Gottheit zu unterscheiden, weil das Kunstwerk
von sich aus darauf keine Antwort zu geben vermag. Dabei setzt er uneingestanden
voraus, daß sich Kunst in der Antike auch ohne jeden Bezug zum Kult, zur Mytholo-
gie als Kunst verstehen läßt; auf gelehrte Recherchen will er verzichten, die zur
Wahrheit, aber genauso von ihr weg führen können.
Was Caylus hier, bei seiner Beschäftigung mit geschnittenen Steinen, als weise
Beschränkung hervorhebt, war sein stetes Arbeitsprinzip: "je n'ai entrepris que de
faire envisager les pierres, comme ouvrage de Fart; de prouver que l'on peut distinguer
les manieres, le temps & les pays oü les pierres ont ete travaillees, & determiner les
originaux avec la meme certitude que dans la peinture"33. Als Ergebnis seiner akribi-
schen Untersuchungen stellt er der Altertumswissenschaft ein Instrumentarium zur
Verfügung, auf das diese von nun an, und allen voran Winckelmann, nicht mehr
verzichten kann: Caylus untersucht an einem Gegenstand den Werkstoff, die
Tönung, die Patina, die Oberflächenbehandlung, die Gravierung, die Schrifttypen,
die Farbe, Linie, Kontur, Zeichnung, um Entstehungszeit, Ort und Originalität eines
Kunstgegenstandes zu bestimmen. Auf Caylus' Frage, wie aus der historischen und
kulturellen Distanz heraus die objektgemäßen Verstehensbedingungen zu rekonstru-
ieren seien, wird Winckelmann antworten34.
33 le Comte de Caylus, Memoire sur les pierres gravees, in: Memoires de Litterature... Bd. XIX,
S.239-249, S.240f.
34 Diesen Fortschritt in der Sinndeutung der antiken Kunst will Raimond Bayer nicht wahrhaben:
„Winckelmann (1717-1768) est moins original et revolutionnaire qu'il n'apparait tout d'abord. La
conception reputee originale de Winckelmann est au fond celle de Caylus et du XVIIe siecle francais."
(R.B., Histoire de l'Esthetique, Paris 1961, S. 161).