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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0247
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6. Gefäße aus Edelmetall und anderen kostbaren Stoffen

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Mykenai selbst, in einem der 1922 von der Britischen Schule geöffneten Kammer-
gräber, gefunden worden ist1)- Die formale Entwicklung läßt sich anschaulich bei
Evans II 225 Abb. 129 verfolgen. Ihm gebührt auch das Verdienst, die Straußen-
eier aus den Schachtgräbern als Rhyta erkannt zu haben, nachdem Stais mit der
Zusammensetzung und Aufstellung dieser kostbaren Reste vorangegangen war.
Es kann m. E. kaum zweifelhaft sein, daß es sich um fertig aus Kreta eingeführte
Seltenheiten handelt, die rasch beliebt geworden sein müssen. Denn in Grab IV
und V sind vier solche Eier gefunden worden, drei davon glatt (552. 832), das
vierte (828) mit Delphinen in Fayence besetzt, die zu dem Ei des Wüstenvogels
freilich ebenso schlecht passen wie die Palmen des tönernen Exemplars Evans I
594 f. Abb. 436 gut. Alle die Originale aus den Schachtgräbern zeigen oben ein
ziemlich breites Eingußloch (Dm. nur an 552 meßbar, 3,5), unten ein kleines zum
Ausgießen (Dm. 0,6: 0,8—1,0); rings um beide ist das Ei ein Stück weit grünlich
oder gelblich verfärbt, hier waren also offenbar Fassungen aufgesetzt, entweder
bloß geklebt, wie die Delphine von 828, oder angenietet, wie die paarweisen Löcher
auf 832, CXLII lehren. Hier sind auch noch Reste von Bronze- und Goldblech vor-
handen: in der bei Verkleidung von Silbergefäßen mit Goldblech üblichen Weise
war auch hier eine verbindende Bronzeschicht dazwischengelegt. Stais hat sehr
scharfsinnig zwei Hälse und einen Deckel aus Fayence sowie zwei goldene Deckel
(651 mit Holzfutter) als Fassungen von Straußeneiern erkannt (Taf. CXLII,
S. 113 Abb. 41). Nur hielt er — wie auch ich vor der Belehrung durch Evans — die
Hälse für Untersätze und verband Stücke aus Grab IV und V willkürlich mitein-
ander. So ist leider auf Taf. CXLI das Ei mit den Delphinen durch den Hals 567
vervollständigt, der zu einem der beiden Eier unter 552 gehören wird, ebenso wie
der Deckel 573, während 648 und 651, sowie der glatte Hals 774, auf die Eier 828
und 832 zu verteilen sind. Es fehlen auf jeden Fall zwei Hälse aus Grab IV und V
und ein Deckel aus IV. Sie mögen aus vergoldeter Bronze bestanden haben (vgl.
die Beschreibung von 832, oben S. 147) und zerfallen sein. Die Wirkung der so
gefaßten Eier war gewiß von echt minoischer, bunter Pracht. Noch mehr als für
den silbernen Trichter 481 waren für diese gebrechlichen, henkellosen Rhyta Un-
tersätze unerläßlich. Reste davon sind nicht erhalten, sie bestanden wohl aus Holz2).

Auf Kreta weisen auch die Alabastergefäße der Schachtgräber, schon
wegen ihres auf dem Festlande und den anderen Inseln nicht anstehenden Mate-
rials. Zum Teil zeigen sie auch rein minoische Formen, z. B. das Schälchen 165,
CLXVI, das zu der auf Kreta so häufigen Gattung der kleinen Vasen für Trank-
opfer gehört; die große Kanne mit breiter Tellermündung, 592, CXL, welche die

*) Dieses Rhyton wird von Wace in der Archaeologia veröffentlicht. S. vorläufig Evans II 225 Abb. 129, 9.

-') Scherben von Straußeneiern sind noch ein paar Mal in Mykenai gefunden worden: Nat. Mus. Nr. 2667. Dazu
das prachtvolle, goldgefaßte Exemplar aus dem Fürstengrab von Mideia, Persson, Art and Archaeology XXV 1928, 276-
The Royal Tombs at Dendra 17. 37. 54 Taf. 3. Scherben aus Palaikastro, BSA. X 202.

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