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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0246

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238

III. Ergebnisse

niedriger Stufe, sie bemüht sich mit bescbeidenem Erfolge, die schönen fremden
Vorbilder genau nachzubilden (Becher mit Bogenfriesen u. ä.; nur zufällig sind
uns dazu minoische Originale nicht erhalten); je mehr aber die einheimische Toreu-
tik erstarkte1), desto mehr besann sie sich auf ihre eigene Formentradition und
suchte diese mit minoischen Elementen zu verschmelzen, in wechselndem Maße und
mit ungleichem Glück, wie das in solchen Fällen natürlich ist. So wurde es bald un-
nötig, teure Prachtgefäße aus Kreta zu beziehen, man verstand sie ebenso sauber
daheim herzustellen'), in der Formgebung nach eigenem Geschmack Neues zu
schaffen. In der Auswahl der figürlichen Darstellungen werden sich die Gold-
schmiede den Wünschen der fürstlichen Besteller angepaßt, sie auch ihrerseits be-
einflußt haben (unten S. 317 f.). So können Meisterwerke wie das Trichterrhyton
481 und die große Silbervase 605 sehr wohl in Mykenai entstanden sein, und das-
selbe gilt für die Ringe und Schieber 33—35. 240/1, für Prunkwaffen wie die ein-
gelegten Dolchklingen. Solche Werke wird man naturgemäß innerhalb unserer
Schätze ans Ende der Entwicklung setzen. Und dies bestätigt wiederum das oben
S. 233 aus rein typologischen Erwägungen aufgestellte Schema.

Den Gefäßen aus Edelmetall reihen wir einige aus anderen kostbaren Stoffen
verfertigte an. Zunächst eine kleine Gruppe von Straußeneiern, die als
Rhyta gefaßt sind: Taf. CXLI/II. Es sind m. W. die ältesten Beispiele einer solchen
Verwendung des Straußeneis, das ja als Prunkgefäß seit Mittelalter und Renais-
sance überaus beliebt gewesen ist3). Aus ganz anderen, rein praktischen Gründen
werden die leicht erreichbaren, dauerhaften Straußeneier an Stelle des teuren
Glases heute noch im Sudan als Flaschen verwendet. Darauf hat Evans in seiner
meisterhaften Behandlung des ganzen Problems hingewiesen (I 594 f. Abb. 436.
II 221 ff. Abb. 127 ff.). Er führt den Ursprung des Typus auf die XI./XII. ägyp-
tische Dynastie zurück1), zeigt wie solche Straußenei-Rhyta auf Kreta seit MM. II
in Ton nachgebildet wurden und wie sich daraus auch steinerne Exemplare erga-
ben. Dem bekannten Rhyton mit dem Schnitterzug aus Hagia Triada, das nun zum
ersten Male richtig ergänzt erscheint (II Taf. XVII), reihen sich die Bruchstücke
eines der schönsten knossischen Steingefäße an (II 227 Abb. 130), ferner hervor-
ragende tönerne Nachbildungen aus MM. III—SM. I, von denen eine auch in

*) Das kann sehr rasch erfolgt sein, ein paar kretische Lehrmeister und ein oder zwei Jahrzehnte genügten bei
der künstlerischen Begabung der „Mykenaeer", wie sie Kuppelgräber und Löwentor bezeugen.

2) Dabei wurde technische Vollendung gewiß höher eingeschätzt als ästhetische Wirkung. Noch im Epos ist das
wahrzunehmen: die epitheta ornantia sind nicht, wie bei uns so oft, allgemeinen Schönheitsbegriffen entnommen,
sondern beziehen sich auf die Arbeit: eöxuxXoc;, udvToa'eicri (äajtk), eöyvau/rcTo;;, EÖ^ecroc, iv^ooc,, eönXexToc, eüjiXexi'|C,
eüitotr|TO?, ePTpiyroi; u. ä.

3) Vgl. M. Sauerlandt, Edelmetallfassung in der Keramik 1929, 10 f. 68 f. Abb. 34.

4) Sehr lehrreich ist auch der Hinweis, daß die neolithische Bevölkerung der Sahara offenbar Straußeneier als
Gefäße gebraucht hat (II 222 f. mit Abb. 128): ihre Trümmer ersetzen auf diesem großen Gebiet die fehlenden Ton-
scherben. Vgl. für Strauße und ihre Eier in Ägypten Erman-Ranke, Ägypten 272 f. 596, in Mesopotamien Meißner, Baby-
lonien und Assyrien I 224. II 307; Koldewey, Das wiedererstehende Babylon 265.
 
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