Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36

I. Die Schachtgräber und der P1 a 11 e n r i n g

4. Die Art der Bestattung.

Das verschiedene Format der einzelnen Schachtgräber wurde offenbar mit Rück-
sicht auf die Zahl der darin zu Bestattenden gewählt. Grab II war für einen Toten
bestimmt, ebenso VI, das freilich nachträglich einen zweiten aufnehmen muhte;
die übrigen waren von vornherein auf mehrere, gewöhnlich drei Leichen einge-
richtet, in IV hätten leicht mehr als die fünf von Schliemann gefundenen Er-
wachsenen mit den beiden Kindern Platz finden können. Daraus folgt natürlich
nicht, daß es sich jeweils um mehrere gleichzeitig Verstorbene handelte. Dies gilt
allerdings wohl für die drei Frauen von Grab I, deren Beigaben so völlig gleich-
artig sind, daß kein namhafter zeitlicher Abstand glaubhaft erscheint. Aber in
III, IV, V machen sich umgekehrt zeitliche Unterschiede in den Beigaben klar
bemerkbar: es sind Familiengrüfte, in denen unzweifelhaft Nachbestattungen statt-
fanden. Da kein den Dromoi der Kuppel- und Kammergräber entsprechender
Zugang vorhanden war, muß wohl in der Decke unserer Grüfte eine Falltür oder
eine andere ähnliche Vorrichtung angebracht gewesen sein.

Die Skelette, die Schliemann zum Teil noch sehr gut erhalten fand, obwohl
sie dann bald zerfielen, lagen lang ausgestreckt auf dem Rücken, die Köpfe nach
Osten, also nach Westen blickend. Nur in Grab IV waren, offenbar zur besseren
Ausnützung des Raumes, zwei der fünf Toten mit dem Kopf nach Norden bestattet.
Die regelmäßig unter die Leichen gebreitete Schicht großer Kiesel sollte die Feuch-
tigkeit von ihnen abhalten1). Schliemann schloß aus zahlreichen Resten von Asche,
Holzkohle und entsprechend schwarzer Färbung der Steine, daß die Toten in den
Gräbern verbrannt worden seien. Diese Auffassung ist mit Recht sehr bald auf-
gegeben worden. Denn hier wie in der überwiegenden Mehrzahl minoischer und
mykenischer Nekropolen weisen die Gebeine selbst keine Spur von Feuer auf. Ver-
brannte Tierknochen in solchen Gräbern und Reste von Holzasche stammen offen-
bar von Brandopfern im Grabe. Holzkohle aber und die von ihr hinterlassenen
Spuren beweisen nichts, denn sie können durch jahrhundertelange Einwirkung
der Erdfeuchtigkeit genau ebenso entstehen wie durch einmaliges Feuer. Ander-
seits spricht in den Schachtgräbern, wie in allen minoischen und mykenischen
Gräbern, der Befund unbedingt für Bestattung, gegen Verbrennung der Leichen.
Sonst könnten diese nicht in vollem Schmuck, die Männer in ihrer Rüstung, bei-
gesetzt worden sein. Wenn Stamatakis in Grab VI, neben einem lang ausgestreckten
Skelett, die zusammengescharrten Knochen eines zweiten fand, so handelt es sich
auch hier keineswegs um Verbrennung, vielmehr sind die Reste des ursprüng-
lichen Inhabers der Gruft offenbar in eine Ecke geschoben worden, um einem neuen
Leichnam Platz zu machen. Daher lassen sich auch hier die Beigaben nicht mit
Sicherheit auf die beiden Toten verteilen. Klar ist bloß, daß die W äffen und Werk-

1) In Grab VI hat Stamatakis (nach Tsuntas, Muxfjvcu 113) unter den Kieseln noch eine etwa 50 cm starke Schicht
von Feldsteinen festgestellt.
 
Annotationen