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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0358

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ANHANG

SONDERSTELLUNG DER SCHACHTGRÄBER INNERHALB
DER MYKENISCHEN KULTUR

Die trotz allen Veröffentlichungen lückenhafte Kenntnis des Materials hat es ver-
schuldet, daß man kaum beachtet, wieviel Singuläres die Schachtgräber bieten, wieviel
anderseits in ihnen fehlt, was uns aus anderen Grüften geläufig ist. Am Klarsten tritt dies
beim Schmuck des Körpers und Gewandes beider Geschlechter hervor (oben Kap. 1. 2).
Die großen und kleinen Diademe, die Kronen, Zacken und Blattsterne kehren weder auf
dem Festlande noch im MM. und SM. wieder, ebensowenig Haarpfeile oder Gewand-
nadeln1), die charakteristischen Ohrgehänge2), die Goldmasken der Männer, die auf dem
Festlande ganz vereinzelte Adlerkette3), ferner „Gamaschenhalter", Schmuckbleche in
Gestalt von Tieren, wappenartigen Tierpaaren, Stierköpfen mit Doppelbeilen, nackten
Göttinnen, runde Goldscheiben aus Grab III und V4), trapezförmige Bleche 23f., XXI,
die Röhren 308 f., XVJII, S. 84 Abb. 20, der Kamm 310, XLIII. Gewiß mag uns viel Ver-
gleichsmaterial dadurch verloren sein, daß sowohl die gleichzeitigen minoischen Fürsten-
grüfte wie die festländischen Kuppelgräber fast alle ausgeraubt sind; aber sowohl die
Wiederkehr von Halsketten aus Bernstein, Amethyst, Karneol in jenen Gräbern wie der
abweichende Befund der unberaubten Grube von Vaphio und des Fürstengrabes von
Dendra bezeugen eine Sonderstellung des Goldschmucks aus den Schachtgräbern. Es ist
gewiß kein Zufall, daß z. B. zu den eingelegten Dolchklingen Parallelen nicht gerade
selten sind (oben S. 313f.), während sie für den Goldschmuck fehlen. Besonders eindring-
lich wirkt die Gegenprobe, welche Schmucksachen sich auch sonst, wenngleich selten,
finden: Goldschieber und -ringe, die Drahtspiralen 56ff., XXI (oben S. 188), Halsketten-
glieder in Form von Röhren6), Herzblättern, Plättchen mit „Efeublättern" (oben S. 189),
das Kreuz 52, XXVII. Also nur ganz wenige Stücke; die Eigenart der Schachtgräber ist
geradezu auffallend.

Anderseits fehlen in ihnen eine große Anzahl von Schmucksachen aus Gold, Fayence,
Glas, die für die spätere Entwicklung bezeichnend sind. Die ältesten Kuppelgräber, Vaphio
und Kakovatos vor Allen, stehen hierin zwischen den Schachtgräbern und einer „minoisch-
mykenischen Koine", die für die Keramik etwa im XIV. Jahrhundert einsetzt, für den
Schmuck schon im XV. begonnen haben muß0). Einfache kugelige Goldperlen, glatt und

*) Daß diese zwar im kykladischen und troischen Bereich Analogien finden, aber nicht im Minoisch-Mykeni-
schen, verdient besonders betont zu werden; oben S. 173 f., unten S. 353.

2) Eine Ausnahme bildet der Spiralohrring aus Mykenai im Louvre, A. de Ridder, Catal. somm. d. bijoux anti-
ques (1924) Nr. 135 Taf. 6. Dazu kommt ein verwandtes vierfaches Schmuckstück aus dem oben S. 188 erwähnten
thyreatischen Schatz; s. jetzt R. Zahn, Ausstellung von Schmuckarbeiten aus d. St. Museen zu Berlin (1932) P 1, 10.

3) S. oben S. 179 und 339. Wenn eine solche Kette das Abzeichen königlicher Würde war, wird der mit der
Nachbildung ausgezeichnete Tote von Grab V der letzte in den Schachtgräbern bestattete Herrscher von Mykenai sein.

3) Die Blattrosetten eines athenischen Grabes, Arch. Anz. 1931, 213, bieten keine genauen Parallelen.
a) Vgl. Wace's Grab 516 von Mykenai u. a.

") Ich stelle einige Literaturangaben zusammen, ohne Vollständigkeit zu erstreben: Mykenai:'E<pr(H. dpx. 1887,
Taf. 13. 1888, Taf. 8 f. 1896, Taf. 2. 1897, Taf. 7. — Tiryns: Ath. Mitt. LV 1930, 124. 127 f. Abb. 2, Taf. 4. — Dendra:
 
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