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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0245

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6. Gefäße aus Edelmetall und anderen kostbaren Stoffen

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lorenen oder noch nicht Entdeckten seien. In den Schachtgräbern waren zweifellos
die Führer ihrer Zeit bestattet; daß in vornehmen, wenn auch nicht fürstlichen
Grüften Gefäße aus Edelmetall sehr selten sind, lehren alte und neuere Ausgra-
bungen in Mykenai1). So darf man unser Material durchaus als repräsentativ ver-
werten.

Von den goldenen Toilettengefäßen aus Grab III (Taf. CHI f.) erinnern die
Dosen 72 und 85 sofort an eine in Ton und Stein auf den Kykladen geläufige Form
'Eq). d.Qi. 1899, 95 Taf. 8, 11; Bossert Abb. 32); nur hat diese meist einen flachge-
wölbten Deckel. Die beiden Töpfchen 83/4, vor allem das erstere, geben in Minia-
tur einen in mattbemalter mittelhelladischer Keramik häufigen Typus wieder
(unsere 590/1, CLXXI. 948, CLXXIV), der auf Kreta gelegentlich als Fremdkör-
per auftaucht (Evans I 465 Abb. 333. 557 Abb. 404), aber bald wieder verschwin-
det. Um so lehrreicher ist die nach dem Minoischen hin entwickelte Gestaltung des
größeren Exemplars 391, CXIV. Auch dessen Verzierung ist minoisch bestimmt,
nicht minder die von 84, das ihm auch in der Form schon nahe steht. Allen diesen
Gefäßen ist indessen der unminoische Drahtbügel des Deckels eigentümlich, der
natürlich aus dem Festbinden der Deckel an frühen ägäischen Pyxiden und Töpfen
entstanden ist2). So kehren auch hier wechselnde Verbindungen kretischer und
alteinheimischer Elemente wieder.

Nun ist aber Folgendes zu beachten. Wir besitzen zunächst Werke wie die
Rhyta 273 und 384, oder die Tasse 786/7, die ohne weiteres als kretischer Import
gelten können. Neben diesen treten Gefäße auf (wie etwa die Becher mit Bogen-
friesen), die man nach Form und Verzierung für minoisch ansehen, aber nach
ihrem geringen Feingehalt und ihrer noch unbeholfenen Technik der glänzenden
kretischen Kunst jener Zeit nicht zutrauen möchte1); hat man sie doch für bloße
Grabware halten können. So billiges Geschirr war gewiß kein Import, sondern ein-
heimisch mykenisch. Endlich erscheinen Prachtstücke von hoher technischer und
künstlerischer Vollendung, wie die hochfüßigen Becher mit Rosetten (122. 351)
und ,.Altären" (390) oder der glatte Becher 427, CVII, und gerade diese zeigen
eine in wechselndem Verhältnis durchgeführte Mischung minoischer und festlän-
discher Elemente. Der Schluß scheint mir unabweisbar: zu Beginn des kretischen
Einflusses steht die einheimisch mykenische Goldschmiedekunst noch auf ziemlich

*) Nat. Mus. Nr. 957—961. Vier Becher und eine Tasse aus Gold, Schatz südlich der Schachtgräber, Schliemann,
Mykenae 398 ff. Abb. 528; Geisl. Kat. 23, 17. — Nr. 2489. Silberschale mit bärtigen Köpfen, 'E<p. äpx. 1888, Taf. 7. —
Nr. 3147. Silbertasse mit Goldrand. — Nr. 3121. Silberschale mit Wellenmuster. Dazu die Vasen von Vaphio, JEcp. dp/.
1889, 146 Taf. 7. 9; Evans II 175 Abb. 88, und Mideia, Art and Archaeology XXII 1926, 234 f. XXV 1928, 276; Persson,
The Royal Tombs at Dendra 43 ff. Taf. 1 ff. 9 ff.

2) Man vergleiche die wohl Deckelkörbe nachahmenden jungmykenischen Gefäße wie Furtwängler-Loeschcke,
Mykenische Vasen VII 38; Annuario R. Scuola Italiana di Atene VI/VII 1923/4, 163. 205. 256. Sie finden sich häufig
auf Rhodos, sonst m. W. nirgends.

3) Ich kenne auf Kreta kein Beispiel so niedriger Goldlegierung wie sie bei den geringeren Schmucksachen und
Gefäßen der Schachtgräber gebräuchlich ist. Sogar die dünnen, wohl fürs Grab hergestellten, frühminoischen Stücke
von Mochlos besitzen einen wesentlich höheren Feingehalt.

31 Karo, Schachtgräber
 
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