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Schumann, Paul; Klinger, Max; Kunstsalon Keller & Reiner
Max Klingers Beethoven — Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.70308#0013
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weltcrlösendes Leiden verschmelzen und zu höherer künstlerischer Einheit
vereinigen.
Prachtvoll umrahmt wird dieses Reliefgemälde, dessen Stimmung
durch die Tönung der Bronze noch verstärkt wird, durch zwei auf-
strebende Palmstämme, gleichsam die Säulen des Thrones; der obere
Rand aber ist belebt durch füns liegende menschliche Gestalten — Mann,
Frau und Kind und nochmals Mann und Fran, die da droben ein be-
schauliches Dasein führen: mögen wir sie deuten als erfülltes Verlangen
und Liebessehnsucht oder schlechthin als Menschengewürm, nicht wert,
Beethoven die Sandalen zu lösen.
Eine gewaltige Summe von schöpferischer Kraft, von unermüdlicher
zäher Energie und rein körperlicher Arbeit ist in dem Werke niedergelegt.
In allen Himmelsstrichen mußten die Materialien zusammengesucht
werden: aus den Pyrenäen, aus Griechenland, von den Tiroler Bergen
und vom Hochwald bei Idar; überall ist Max Klinger persönlich gewesen.
In Paris hat er zweimal sechs Monate verweilt, nm bei Pierre Bingen
den überaus schwierigen Bronzeguß zu überwachen, der ganz außer-
gewöhnliche Vorarbeiten und Bauten nötig machte. Auch die schwierige
Bearbeitung der verschiedenen, zum Teil sehr spröden Gesteinsarten hat
er überwacht, und selbstverständlich hat er überall die letzte Arbeit gethan,
um dem Werke, ganz besonders der Gestalt Beethovens selbst, den
Stempel seiner eigenen Hand anfzndrücken. Wunderbar ist alles geglückt;
kein Fehler im Guß, kein Fehler im Stein hat das Gelingen des Werkes
auch nur im kleinsten in Frage gestellt.
Der Beethoven ist Max Klingers bedeutendstes plastisches Werk, ein
Kunstwerk von einer Monumentalität, einer Kraft der Innerlichkeit, einer
feierlichen Pracht und einer so selbständigen Eigenart der Gestaltung,
wie kein zweites auf Erden zu finden ist. Denken wir an den Moses
des Michelangelo, der Beethoven ist ihm überlegen in dem Reichtum und
der Tiefe der zu plastischer Anschaulichkeit verarbeiteten Ideen und in
der Farbigkeit, welche Max Klinger zu wahrhaft monumentaler Größe
gesteigert und damit widerspruchsfrei für die Plastik endlich wieder-
gewonnen hat. Von dem Zeus des Phidias, den die Alten zu den sieben
Wunderwerken rechneten, von dessen Reichtum an edlen Materialien und
erhabener tiefinnerlicher Auffassung die alten Schriftsteller Wunderbares
berichten, ist nichts erhalten. Diesem Werke aber mag der Beethoven
 
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