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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Reber, Franz von: Über Bühnenkostüme
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0153
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ll. Iahrgang. Left §

15. Ianuar 1557



Kevcrusgegeberr von IvieövicH 'UecHt

„Die Kuust fiir Allc" crjcheiut iu halbnioimliichcii Licflcn vou !>/-—2 Bogeu rcich illustricrtcii Textes und ca. 4 Bilderbeilageii ill Uiuschlag. AbomiemeiitSpreis im
Buchbaiidcl odcr durch dic Post (ReichsposwcrzcichuiS Nr. SgliS, bavr. Verzeichnis SSöa) S M. S0 Pf. fiir das Vicrteljahr (6 Hefte); das einzelne Left
7ö Pf. — Jnscrate l»ur durch R. Mossc) die viergcspaltcne Nonpareillezcile so Pf. loooo Beilagcn 60 M., bei größerem Format oder Umsang Preisauffchlag.

Uber Bühnenkostüme
Von Lranz von Reber

deu in der vorigeu Nniiimer dieser Zeitschrift
eiitivickelten Ansichteii über die Szeuerie kciiiii bezüg-
lich uiiserer Steltuug zu dem Bühueiikvstüm kein Zweifel sein.
Wie dort die exukte Beobnchtuiig vou Zeit uud Ort der
Haiidluug in der szeuischen Ausstattuug eigentlicher dra-
matischer Dichtuugeu als uicht so absvlut wichtig erkauiit
wurde, wie mau gemeiniglich glaubt, so gilt das auch hier:
die volle „Echtheit" ist untergeordnet, die ideale Schöu-
heit steht über der Aiiforderung der Treue.
Wir brauchen iu der That sür das ganze klassische
Altertum eigeutlich uur eineu Kostümtypiis, so verschieden
auch das Kostüm von den Zeiteu des trojauischeu Krieges
bis Alexauder uud diesseits wie jeuseits des adriatischen
Meeres gewesen sein mag. Jphigenia ivird im Kostüm
der perikleischen Zeit auftreteu müssen uud erschiene sehr
fremdartig und ihrcr Sprache uud Empfiuduug wider-
strebend, wenii sie etwa uach Art alter Vasenbilder ge-
kleidet die Bühue beträte. Auch Köuig Thoas wird zwar
das klassische Gewand mit etwas Barbarentum verbindeu
dürsen, wie es aber gauz unnütz ware, aus prähistorischeu
Fuudeu sein Gewand zn rekonstruieren, io widerspräche es
der Vorstellung des Dichters uud dem Kern des Dramas,
ihn nach Maske, Haar und Kleidnug als Urahn der
douischen Kosaken charakterisieren zu wollen, da iu dem
Gedicht keine Rechtfertigung liegt, aus deni taurischen
König eineu abschreckenden Unmenschen zu machen. Jch
sehe auch keineu Grund ein, die griechische Königstochter
kostümlich vou der Gattin des Romulus oder Coriolan
wie von der Mutter der Gracchen wesentlich zu unter-
scheiden. Wichtiger erscheinen mir Konzessionen an unsere
Zeit sowohl nach den Bedürfnissen der Darsteller wie
nach den Aiiforderuugeu der Sitte, wie z. B. hinsichtlich
der Gürtung oder der Fußbekleidung, bei welcher wohl
die Sandale über dem nackten Fuß ausgeschlossen seiu dürfte.
Wir erscheinen gewiß mauchem Leser doch zu lax,
weun wir Heroisches und Historisches, Griechisches uud
Römisches in ein und dasselbe Kostüm stecken nnd auch
für diese summarische Klassizität uoch mauche Modernisie-
rung für znläßig erachten. Dagegen müssen wir besorgen,
Die Kunst für Alle II

manchem wieder als zu ausprnchsvoll zu erscheiuen, wenn
ivir andere llnterschiede betout sehen möchten. Jch glaube
ucimlich, daß wie die Szenerien so auch die Kostüme nicht
die gleichen sein dürfeu, je nachdem die Autlle. in einer
Dichtung von Sophokles, von Racine, Goethe oder von
Shakespeare vorliegt. Wird nämlich ein klassisches Drama
wie Odipus, Elektra, Autigoue in einfacher Übersetzung
nach dem griechischen Dichter vder ein Lustspiel vou
Plautus oder Tereuz iu Verdeutschung aufgeführt, sv ver-
lange ich eugereu Auschluß au perikleisches beziehuugs-
weise augusteisches Kostüm, als in einer mehr oder
weniger selbständigen llmdichtung des autikeu Stoffes durch
Racine und Goethe, wobei die Kostümieruugsanschauungen
der genannten Dichter und ihrer Zeit wenigstens einige
Berücksichtiguug erfordern, um mit Form und Jnhalt
wie mit der gleichfalls der Entstehungszeit des Gedichtes
einigermaßen auznpasseuden Szenerie übereinzustimmen.
Eiue noch tiefer eiuschneidende Modifikation muß aber das
Kostüm erfahreu, wo es sich nicht wie iu Jphigenia,
Phädra n. s. w. blvs um die llmbilduug klassischer Werke,
sonderu um ganz selbständige Schöpfiingeu aus dem autiken
Stoffkreis haudelt, wie dies z. B. bei den eiuschlägigen
Werken Shakespeares der Fall ist. llnseres Erachtens
wäre dabei archäologische Kostümtreue ganz nnd gar ver-
fehlt. Hier handelt es sich noch mehr als bei Werken
von Racine oder Goethe um die Berücksichtigung jeuer
Vorstelluiig, welche die Traditiou, vom Hnmanismus ge-
trageu, in der Zeit des Dichters geschaffeu hat. Wir
werden da mit den Bildwerkeu der Reuaissancemeister
zu rechuen haben, welche diese Vorstellung verkörpern,
und wenn wir auch uicht mit dem Barock eines Rubeus
durch Dick uud Dünn zu geheu habeu, so dürfte doch
die nordische, speziell niederländische Knnst dabei nicht un-
gefragt bleiben. SNitAneignuug ihres Charakters auch sür das
Kostüm würden wir jedenfalls zu einer Repräsentation
gelangen, welche mit den antiken Vorstellnugeu der Zeit
Shakespeares übereinstinimeu köunte.
Zu den antiken Stoffen sind aber auch die biblischen
Darsteüungen aus deni Gebiete des alten und neuen
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