Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

DOI article:
Zimmermann, Ernst: Hans Thoma
DOI article:
Schultze-Naumburg, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0382
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
von Ernst Zimmermann.

30Z


sicht eine Ahnung geben: Thoma ist Kolorist und Zeichner zugleich; die beiden Hauptelemente der Malerei halten
sich bei ihm die Wage. Oft wie in seinen Lithographien überwiegt noch die Linie, die Farbe niemals. Thoma
ist der Natur gegenüber kein zielbewußter Idealist, der sie gewaltsam zu steigern sucht; er sieht sie, wirklich
geschaut oder nur geistig geträumt, groß und einfach, der Zufälligkeiten entblößt und, indem er sie so darstellt,
wächst sie von selber, ohne weiteres Zuthun, über die Alltäglichkeit hinaus und empfängt eine gewisse Größe
des Stils. Als Zeichner ist Thoma oft ersten Ranges, oft aber auch, wie leicht jene Künstler, die ganz aus
dem Innern hcrausschaffen, nicht frei von Verstößen. Man entsetze sich nicht über diese Verzeichnungen.
Verzeichnungen sind zwar wie Detonierungen in der Musik die Präpositionsfehler der künstlerischen Sprache.
Aber im Reiche der Künste herrscht eine andere Wertschätzung, als in dem der „allgemeinen Bildung". Als
Kolorist aber komponiert Thoma gern seine Farbenharmonien in üloll, nur die reinen Landschaften fast immer
in Our. Man rege sich auch hier nicht über die schneidende Grellheit dieses Our auf. Das Licht, das diese
bewirkt, ist in der Natur immer noch um viele Male so stark, als es nur in irgend einer Malerei erreicht
wird; denn unser künstlerisches Sehen, vor allem unser Vergleichen mit der Natur, ist ja mehr Konvention,
als man für gewöhnlich denkt, wir empfinden aber dieses nur, so oft der Natur künstlerisch etwas wirkliches
Neues abgerungen wird.

Ist mau aber mit diesen Dingen ins Reine gekommen, dann wird man Thomas volle Bedeutung
auch gänzlich zu erfassen im stände sein, in ihm bald einen Willkommenen Freund begrüßen. Thoma ist ja
allerdings kein Böcklin — dessen prometheische Gestaltungskraft ist ihm nicht gegeben; er ist auch kein Max
Klinger — eine solche Gedankentiefe, wie in diesem, liegt ihm ferm. Aber er ist auch kein Hans von
Marecs, der niemals den Weg von der inneren Erfindung zur äußeren Ausgestaltung fand. Vor Böcklin
empfindet man daher Bewunderung, vor Klinger Staunen, vor Marees Bedauern. Thoma aber wird der
Geistes- und Gemütsverwandte wohl am leichtesten lieben können.

Die Vrosze Verlmrr Kunstausstellung.

von Paul Schulhe-llaumburg.

II

as Bedeutendste, was in den Karlsruher Sälen zu
finden, ist wohl Kalckreuths „Die Fahrt ins
Leben"; eines der wenigen Meisterwerke, die wir auf
der ganzen Ausstellung finden.

Kalckreuth fing an, sich als Maler in die Darstellung
des Bauerntums, das ihm wohl ans Herz gewachsen, zu ver-
senken. Vom Zufälligen ging er aus, um dann endlich
auf dem Wege des ernstesten Realismus auf eine Höhe
der Einfachheit, Klarheit und Stärke des Ausdrucks zu
kommen, in der die Darstellung zur großartigen Allegorie
wird. Nichts erinnerte auf diesem Gang an das Mit-
machen irgendwelcher Modeströmungen, sondern es war
das folgerichtige organische Auswachsen jedes ernsten
Realismus in einem echten Künstler — ein Vorgang,
wie er sich bei Millet beobachten läßt.

Seine Werke wurden von Darstellungen ländlicher
Vorgänge zu Manifestationen des ganzen Bauerntums,
wie sie natürlich sind in einer Zeit, in der die Armen
mehr und mehr ihren Einzug in das Bereich künstlerischer
Darstellung genommen hatten. Kalkreuth bezeichnet das
gesunde Auswachsen der Pleinair-Bestrebungen der acht-
ziger Jahre, die mit der unserer Zeit eigenen Hast viel-
fach unnötig durchschnitten wurden, ohne das Reifen der
Früchte abzuwarten. Ein philosophisches Element trat
bei ihm hinzu, das zur großen Kunst führt, auf gesunden,
von selbst sich öffnenden Wegen. Nicht Riesenleinwanden
und prunkvolle lebende Bilder eines Kaulbach und Piloty
konnten der Kunst ihre verlorene Größe geben, aber aus
solchen Werken, wie denen Kalckreuths, spricht wieder etwas
von der monumentalen Sprache, die wir so lang nicht gehört.

ch I. siehe in Heft 18.

Die Scheu vieler Leute vor deu malerischen Roheiten
der hinter uns liegenden Pleinairzeit kann sich legen vor
solchen Schöpfungen, die die Errungenschaften jener Zeit
benutzen zu koloristischen Harmonien, die nicht allein der
Wirklichkeit nachgebildet, sondern auch dem Auge wohlthätig
und dem geistigen Inhalt des Werkes zur Steigerung

Park im Herbst. Studie von Hans Thoma Jsr-O.
 
Annotationen