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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Schultze-Naumburg, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0383

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Die Große Berliner Kunstausstellung.

ZOH

dienen. Hier ist die Farbe nicht mehr die gleichgültige
Zulhat, die nur die eine Qualität aufweist, daß sie einer
gleichgültigen Wirklichkeit entspricht, sondern sie steigert
sich zur Symbolik, die dem Werk eine Unmittelbarkeit
des Eindrucks giebt, wie sie nur noch ein Analogon an
der Musik hat.

Auch Kallmorgcn ist farbenfreudiger geworden,
was man besonders au seinem „Hamburg von der Elbe
aus" sieht, während er in seinem kleinen holländischen
Straßenmotiv bei Nacht eine seiner intimsten Leistungen
giebt. Schönleber bleibt derselbe, auf derselben Höhe.
Neben seinem bekannten Bilde „San Fruttuoso" hat er
noch einige kleinere Sachen
da, die seine Kunst in jener
ungemeinen Verfeinerung
zeigen, wie wir sie schon
seit Jahren kennen. Auch
von Pötzelberger finden
wir ein bekanntes Bild, das
Motiv vom Starnbergersee.

Volkmann hat neben tüch-
tigen Leistungen seiner ge-
wöhnlichen Art noch ein
Bild gesandt, das ihn auf
eigeneren, sehr interessanten
Wegen: den zur dekorativen
Malerei im besten Sinne,
zeigt. Es erfüllt den Zweck:
zu schmücken, in höheren:

Grade als seine Oelbilder
und scheint mir nebenbei
in der Einfachheit seiner
Sprache mehr zu sagen,
als die komplizierte seiner
Oelbilder. Grethe zeigt in
ein paar neuen Werken sein
sicheres Können, Kamp-
mann ist, wie gewöhnlich,
gut vertreten. Von neuen
Namen fällt Haueisen auf,
dessen bedeutendes Talent
man an zwei ausgezeichneten
Porträts erkennt. Sonst
noch der Aquarellist Franz
Hein, der diesmal ein Oel-
bild, eine schöne Landschaft,
schickt. Von sonstigen Land-
schaftern Hoch, Mathies-Masuren, Nagel, Oertel,
Ravenstein, während die Tiermalerei merkwürdiger
Weise diesmal nur durch Kerschensteiner mit einem
kleinen Bildchen vertreten ist. Gute Porträts re. von
Conz, Heine, Klug, Stephan, Tyrahn.

Vom Ausland finden wir nur ganz vereinzelte
Beispiele. Zwei Kollektivausstellungen von Spaniern,
Villegas und Benlliure, sind eigentlich recht überflüssig.
Sie bringen tüchtige Sachen, in denen viel Können steckt,
— im Niveau viel höher als der Durchschnitt der Aus-
stellung — aber wir brauchten das Ausland eigentlich
doch nur zu holen, wenn wir was von ihm lernen
können oder wenn es ganz hochinteressante Typen bietet.
Die beiden genannten sind aber bei uns so bekannt, wie
irgend welche deutsche Künstler und vermehren diese Be-
kanntschaft auch um nichts Neues.

Für uns wertvoller ist die Kollektion des Amster-
damers Jan Veth, der sich als Zeichner etwa die Werke
eines Holbeins zum Vorbild genommen und auch als Maler
ähnliche Wege geht. Es ist eine ernste und männliche
Kunst, überaus herb, die sich schon verlohnt, kennen zu
lernen. Nenne ich dann noch eine schöne Arbeit von
Koldewey und ein kleines, übrigens ausgezeichnetes Bild
von Fantin Latour, eine Venus im Bade, so ist das
Wichtigste vom Ausland genannt.

Hier wären wir so ungefähr mit dem fertig, was

die Kunst der Gegenwart vertritt. Ich will damit nicht

sagen, daß nicht noch mehr Kräfte da wären, die Anteil

nehmen könnten — nur
stellen sie sich auf dieser

Ausstellung nicht in den
Dienst der Kunst.

Betrachten wir die
ganze Veranstaltung einmal
von einer andern Seite,
etwa von derjenigen, von

der aus sie das Publikum
sicht. Dem erscheint natur-
gemäß, der offiziellen Kenn-
zeichnung gemäß, der Ehren-
saal als das wichtigste. Doch
ist die Ehre, in demselben
zu hängen, nur so aufzu-
fassen, als die Werke in
irgend einer Beziehung zu
unserm Kaiserhaus stehen —
mit der Kunst hat sie direkt
absolut nichts zu thun. Ja,
wenn nicht ein paar Len-
bachs (Bismarck, Hohen-
lohe) darin vertreten wären,
so wäre der Saal künstlerisch
so gut wie belanglos. Man
kann betrübt werden, wenn
man ihn sieht. Die Vielen,
die alle patriotische Motive
zu Bildern verarbeiten —
mein Gott, sie wissen viel-
leicht selbst am besten, wie
abtrünnig sie ihrer Kunst
sind. Vom menschlichen
Standpunkt aus ist ihr
Thun erklärlich; aber schade
ist's bei vielen um ihr Talent. So z. B. bei William
Pape, lieber sein Bild „Die Jubelfeier am 18. Januar
1896 im Weißen Saale" ist nicht viel zu sagen. Ein
Menzel hätte vielleicht, trotz der schweren Aufgabe, ein
Kunstwerk daraus gemacht. Pape hat's nicht gethan.
Aber ich glaube, die meisten der offiziellen Künstler hätten
die Aufgabe nicht mal s o gelöst, denn es ist nicht das
schlechteste Stück Malerei in seiner Umgebung.

Auch Westfalens „Vals senex imperawr" (Leichen-
begängnis des alten Kaisers) ist ein ganz gutes Bild im
Dioramenstil, das eben mit Kunst wenig zu thun hat. Es ist
doch wohl auch gar nicht von künstlerischen Gesichtspunkten
ans entstanden und es wäre also falsch, einen gar nicht
beabsichtigten Maßstab anzulegen. Aber da ich hier eben
über den künstlerischen Wert der Ausstellung schreiben
soll, ist dabei so ein Bild belanglos.
 
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