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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Kunstleben in Amerika, [1]
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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Ausstellungen und Sammlungen - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst – Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0276

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von P. L. von Berlepsch.

215


an die Reihe kamen, französische und
italienischeRenaiffancevorallenDingen.

Ebenso anerkennend wie sich nun der
Autor unseres Buches über das eine ge-
äußert, ebenso freimütig bekennt er beim
andern, daß ihm hier eine hervorragend
originelle Ausgestaltung nirgends aus-
gefallen sei, so daß er sich beinahe ge-
fragt habe, ob der Zug des amerikani-
schen Lebens nach Eigenartigem hier
überhaupt irgendwo vollwertigen Aus-
druck gefunden habe. Er sprach vom
Aeußern, setzt aber gleich hinzu, daß
beim Betreten derJnnenräume die Sache
sofort ein ganz anderes Aussehen ge-
winne. Da ist nichts zu finden von „An-
leihen an vergangene Zeiten, von An-
leihen an Schöpfungen, die unter andern
klimatischen und Lebensverhältnissen ent-
standen." Vielmehr atmet hier alles den
Ausdruck Persönlicher Anschauung. „Es
giebt da Dinge, die absolut an nichts
bereits Dagewesenes erinnern und
sich zum Typus des älteren amerikanischen Wohnhauses
durchaus gegensätzlich verhalten." Schon der Zugang
hat meist etwas Anheimelndes; überraschend wirkt jener
große Raum, um den sich die andern Zimmer alle
gruppieren, die Halle, auf deren Ausstattung zumeist
große Sorgfalt verwendet ist, und die zusammen mit
dem stets in geschickter Weise angeordneten, als dekoratives
Motiv meist reich entwickelten Treppenaufgang ein köst-
liches Jnnenbild abgiebt. Hier ist es, wo man einer
außerordentlich vielseitig sich äußernden Phantasie in
Bezug auf Ausgestaltung begegnet, denn kaum dürften
sich in einigermaßen besseren Privathäusern diese Räume
in Bezug auf Ausstattung ähnlich sein. Architekt und
Dekorateur arbeiten sich gegenseitig in die Hand. In

der Schaffung solch feiner, geschmackvoller Wohnungs-
Ensembles, das betont Bing ausdrücklich, steht man in
Europa entschieden zurück. Darin dürfte übrigens auch
der Grund für die ungeheure Entwickelung des Kunst-
gewerbes zu suchen sein, dem die zweite Hälfte des

Buches gewidmet ist. Man will sich eben nach des
Tages Hetze und Arbeit in Räume versetzt sehen, die
behaglich und schön gleichzeitig ausgestattet sind. Dem
steht — diese Bemerkung sei hier nebenbei gemacht —
bei uns in Deutschland manchenorts der bereits berührte
Umstand beinahe feindlich im Wege: Das Wirtshausleben.

In weit höherem Maße noch als beim städtischen
Wohnhause ist das „Luen retiro" im Landhause zu

finden. Bing wirft im Vorüberfahren einen Blick auf
die ländlichen Eisenbahnstations-Gebäude. Auch hier
ist er freudig überrascht durch den eigenen Kontrast, in
dem sich solche Anlagen im Vergleiche zu den europäischen
befinden. Er sagt mit Recht, daß das Auge durch die
Mehrzahl der europäischen Stationsgebäude eher beleidigt
als erfreut werde, weil sie zumeist ein Stück städtischer
Architektur in ländlicher Umgebung, mithin einen Wider-
spruch zeigen. Wozu denn diese langweiligen, eckigen
Kasten, an denen sich so recht die Phantasielosigkeit des
Bureaukratenwesens zeigt? Auch hier hat der geniale
Richardson eingegriffen, indem er betonte, solch ein Ge-
bäude brauche nicht wie ein Stadthaus sich zu präsentieren^,

Wohnhaus in Sk. Paul.

Architekten Mould und M c. Nichol.

es solle vielmehr der Idee gerecht werden, daß die
weitaus größere Zahl von Menschen, die das Gebäude
betreten, dieses nur als einen Aufenthalt von kurzer
Dauer betrachten, mithin habe der eingedeckte Raum zum
Ausdruck zu kommen: also möglichst wenig Höhenentwicke-
lung, dafür eine hübsche Gruppierung von guter Silhouette,
ohne Aufwand von Detail, nur durch die Anordnung
der Massen wirkend, dabei aber allen Praktischen An-
forderungen genügend. Es ist sicherlich kein geringes
Zeichen für das vorhandene Schönheitsbedürfnis, wenn
schon solch scheinbar nebensächlichen Dingen Rechnung
getragen wird. Bing zählt denn auch eine ganze Reihe
von dergleichen Erscheinungen auf, deren Entstehen er
hauptsächlich dem Streben der verschiedenen Eisenbahn-
gesellschaften zuschreibt, ihre ganzen Verkehrs-Einrichtungen
für den Reisenden so angenehm wie nur möglich zu gestalten.

Zum Schluffe noch ein Wort über Landhäuser, bei
deren Besprechung, wohlgemerkt, nicht etwa die luxuriösen
Anlagen, wie sie etwa in Newport sich finden, gemeint
sind, wie er denn überhaupt auch im übrigen nicht
die Aeußerungen riesigen Reichtums bei der Behandlung
seines Stoffes als maßgebend angeschaut hat. Denn
sagt er ganz richtig, wo feine Kunst gedeiht, giebt es
keine Prahlerei. »Le serait lourner le ckos ä la loZi^ue
gus cks s'attenckre ä rencoutrer 1a sobre et male bsaute
ckes ctioses, raelee au tourbillon des railieux pompsux
et frivoles.« Auch hier findet der Verfasser, daß man
in Frankreich z. B. — große Schloßanlagen oder die
üppigen Villen von Biarritz, Trouville usw. abgerechnet
— sehr zurück sei. Nirgends vielleicht hat der Amerikaner
es so sehr verstanden, in logischer Weise die Form der
Sache ihrem Zwecke anzupassen. Dabei ist die Erscheinung,
auch wenn die Gediegenheit der Ausführung nirgends
zu wünschen übrig läßt, immer so, daß zwischen dem
Hause des Landmannes und der ländlichen Wohnung
des Städters niemals eine sichtliche Kluft besteht. Die
Anlage ist meist niedrig, d. h. nicht reich an vertikaler
Entwickelung. Gruppierung, und interessante Dachsilhouette
sind das ausschlaggebende Moment der Totalerscheinung.
Die innere Gestaltung verrät feinen Sinn für künst-
 
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