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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Heilbut, Emil: Ein Brief Gainsboroughs
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0035

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21

Lin Vrief GmnDormighF.

.gainsborough galt, im Gegensatz zu Reynolds, für keinen

Gelehrten. Von Reynolds sind literarisch nieder-
gelegte Äußerungen keine Seltenheit, von Gainsborough
sind sie es. Und so findet man mit Freude in einem
jetzt erschienenen Bande der „Kommission für geschicht-
liche Manuskripte"*) drei Briefe des liebenswürdigen,
naiven Künstlers, der mehr träumte als dachte.

Sie wurden in Bath geschrieben, als Gainsborough
im Frühling von 1771 beschäftigt war, die Gräfin von
Dartmouth zu malen
und sind ein Plai-
doyec für das Natür-
liche in den Zuthaten
eines Porträts, im
Gegensatz zu den Ab-
surditäten in der
Kleidung, die damals
im Schwange waren
und die darauf ab-
zielten, durch eine
heroische Maskerade
den Dargestellten
„interessanter" zu
machen. Dieser kon-
ventionelle Stil scheint
gerade von dem Gra-
fen und der Gräfin
Dartmouth vorgezo-
gen worden zu sein,
aber der Maler ver-
trat ganz wacker
seinen Standpunkt.

In dem letzten der
drei Briefe drückte er
sich wie folgt aus.

„Nichts kann
thörichter sein als
die Gewohnheit der
Maler, die Leute wie
einen Hanswurst an-
zuziehen und noch zu
erwarten, daß die
Ähnlichkeit hervor-
treten könnte. Hätte
ein Gemälde Stimme,
so daß cs reden
könnte wie auf der Bühne ein Schauspieler, so würde
keine Verkleidung imstande sein, eine Person zu ver-
bergen; aber nur ein Gesicht, von Einem Standpunkt
aus zu sehen, und kein Muskel, der sich bewegen könnte
und sagen: hier bin ich — das macht die Aufgabe für
den armen Maler sehr schwer. Eure Lordschaft wird,
dessen bin ich sicher, für die Bestandteile der Bekleidung
Empfindung haben, aber nur die Maler können sich
über die Wirkung klar sein, die die einzelnen Teile
eines Bildes aufeinander ausüben. Ein Tonstück kann
(Gainsboroughs Vorliebe für Musik!) durch eine falsche
Baßgeige so verdorben werden, daß, mag es noch so

2) Historieal klanuseripts Oommission. I'ke klanuscripts
ok tke Larl o5 Oartmoutli. Vol. III. anä 8poMs>voode.

schlicht und ungekünstelt sein, cs ein Durcheinander von
Unsinn wird; so kann ein hübsches Gesicht durch einen
unechten Haufen Flitterwerk, von der eigenen Erfindung
des Malers, ganz vernichtet werden! Für meinen Teil
(Eure Lordschaft mag mich für Lügen verdächtigen) habe
ich den Blick für die Wahrheit, der mich alles Erfundene,
selbst das Schöncrsundene, gering achten läßt und ich
denke, ich werde immer ein unwissender Knabe bleiben,
denn ich könnte mich nie zu der Geduld bringen, etwas

Poetisches zu lesen,
das unmöglich wäre,
obwohl solche poeti-
sche Lektüre die rich-
tige Nahrung für
einen Maler ist, der
in diesem Roastbeef-
Lande zum Sir ge-
macht werden möchte
(wie scharf, o mein teu-
rer Gainsborough!).
Aber wohin bin ich
geraten, mein hoher
Lord, dies ist meine
freie Meinung, ver-
gebt mir, mein hoher
Lord, ich bin eine
wilde Gans. Was
ich sagen möchte, ist
dieses, das Bild von
Lady Dartmouth wird
ähnlicher sein und
nicht so groß wirken,
wenn es ordentliche
Kleidung zeigt. Und
wenn das nicht der Fall
sein sollte, will ich ein
anderes anfangen."
Ähnlicher und nicht so
groß! Wie einfach und
wie wahr; wie ist der
Gegensatz zwischen
natürlicher und klassi-
zistischer Kunst epi-
grammatisch kürzer
und anspruchsloser
formuliert worden.

Der Brief ist so frisch und temperamentvoll, zeigt
so unmittelbar, in dem aus der Musik gezogenen Ver-
gleiche, Gainsboroughs Neigungen, während er anderer-
seits des antiquarisch und poetisch gelehrten Reynolds
spottet, daß es lohnte, ihn wieder abzudrucken. Man ist
angemutet, als lüftete sich ein Vorhang vor den Er-
scheinungen jener glorreichen Zeit. Man sieht Gains-
borough in Bath leben und jene Laufbahn beginnen, die
er in London krönen sollte; man sieht mit so feinen,
lebensvollen Zügen diese entfernte, entzückende und poetische
Gestalt wieder, daß man sich für einen Augenblick als
ihr Zeitgenosse fühlt und nur bedauert, daß nur eine
Spalte des Vorhanges sich öffnete, der eine so ent-
zückend frische Natur, wenn auch leicht nur, verhüllt.

Herman Helserich.

Dir Festung Juice in Bosnien, von Bola Sxänyi.

Millenniums-Ausstellung zu Budapest 1896.
 
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