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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Kaden, Woldemar: Mit fremden Augen, [1]
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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0062

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Mit fremden Augen. Von Woldema'r Kaden. — Personal- nnd Atelier-Nachrichten.

Eine Vision, von George Framxton.

diese, wie sie sanft aus den Wassern der klaren Laguna
Herausstiegen, smaragdgrün, zwischen den rauchenden
Fabrikschloten und den ziegelroten Häusern.

Freudig anzuhören war das plötzlich losbrechende
Wechselgespräch zwischen Mädchen und Kondolieren. Aus
den Fenstern am Kanal hingen tiefherabgebeugt vier,
fünf lachende Mädchenköpfe.

„He, Momolo! he, Toni!" „Marietta, Marietta!"

Marietta war die vorderste, sie lachte am lautesten.
Ihr Lachen zeigte zwischen rosigen Lippen die weißesten
liebelockenden Zähne der Braut, die liebt, sie lehnte sich
am weitesten hinaus. Die Gondoliere warfen noch einen
Blick hinauf, ein neuer Ruderschlag, dann lenkten sie
in einen andern langen Kanal ein. Da verschwanden
auch die Mädchen, der Ort war wieder stumm. Leicht,
leicht, wie streichelnd lief die Sonne über die Dinge
hin und ließ, nach kurzer Liebkosung, sie nur um so

schwermütiger zurück.

(Die Fortsetzung folgt im nächsten Hefte.)

tb. Italienische Kunst. Nun ist — freilich bescheiden
genug — auch Sardinien in die Reihe der italienischen
Landstriche und Provinzen eingetreten, die „ihre" Kunstaus-
stellung gehabt. Das heißt, die kürzlich eröffnete Ausstellung
im Palazzo Provinciale zu Sassari gehört nicht der Ver-
gangenheit, sondern der Gegenwart an, nnd die Presse des
italienischen Festlandes stellt das erfreuliche Faktum mit um
so größerer Genugthuung fest, als Sardinien in letzter Zeit fast
nur noch wegen seines horrenden Steuerdruckes, seines wirt-
schaftlichen Elendes und seines Brigantaggio erwähnt wurde.
So klein nun die Ausstellung von Sassari ist, sie zählt, den
italienischen Zeitungsberichten zufolge, doch eine hübsche Reihe von
Werken, die sich sehen lassen können — und zwar „sehen lassen"
auch auf bedeutenderen Ausstellungen. Von den Malern nennen wir
neben den Venezianern Nani und Lancerotto, neben den Vero-
nesen Bordignon und Dall' Oca Bianca, neben Pajetta,
Cojan, Laura, Bono, Marchesi mit Genrestücken, neben
Brancaccio und Casciaro mit feinen Neapler Landschaften,

die Sardinier: Andrea Figari, ein vortrefflicher Marine-
maler mit Veduten von Genua und der Riviera, die überall
Aufsehen machen müssen: Paglietti mit seinen frischen Genre-
bildchen aus dem Sardischen Volksleben, insbesondere seinen
„Zeitungsjungen", Calvia mit Volksstudien aus Sassari, Chessa
mit Radierungen und einem frappanten Bildnis Verdis, ferner
Satta, Pirari, Pietrasanta u. a.; junge Künstler, die sich
zweifellos ihren Weg bahnen werden. Schwach vertreten ist die
Bildhauerei, wo wir — außer den bekannten Festländern
Fasce, Bazzero 2c. — von Sarden eigentlich nur Caprino
mit einer Königsbüste und einer den Eingang zur Ausstellung
schmückenden bronzierten Gipsstatue der „Sardegna" vertreten
finden. Alles in allem ziemlich wenig, aber doch ein Versuch,
der wohlgelungen ist und zum Wunsche berechtigt, daß der ersten
Sardischen Kunstausstellung recht bald eine zweite folgen möge.
Lempre svsriti, 8ar<keANL> — Am Fuße der Montagnola,
dem Lustpark der guten Bologneser und hübschen Bolognesinnen,
ist neulich eine phantastisch-romantische Fontaine Diego Sartis,
wie die Presse sie bewundernd nennt, enthüllt worden. In
einer in die Terrassenwand eingelassenen Nische sehen wir eine
gar merkwürdige Gruppe: eine von den hundert Fangarmen eines
Polypen umklammerte Nixe, die sich in ihrer Todesangst an der
Mähne eines dahergaloppierenden Rosses festhält. ... Die
italienische Kritik findet zwar den scheußlichen Klumpen des
Polypen im Vordergründe und die unglaublichen Verzerrungen
des weiblichen Körpers großartig und wunderbar — was uns be-
trifft, so glauben wir, schon ästhetischere Werke als diese über-
triebene realistische Gruppe gesehen zu haben. Der Polypenszene
reihen sich die gleichfalls von „erster Künstlerhand" (der Name
des Schöpfers ist uns entfallen) stammenden Tiergruppen am
Teiche der Montagnola würdig an — insbesondere der auf einem
gefallenen Büffel knieende Löwe, der von der Seite aussieht wie ein
Pudel, und von vorne wie . . . der Hosdichter Giosua Carducci!
— Die von manchen Leuten als „Monumentomania" verlästerte
Sitte, alle Plätze, Plätzchen und Winkel Italiens mit Statuen
und Büsten zn bevölkern, nimmt ihren ungestörten Fortgang.
Aus der Hochflut der Dutzendware ragt nun das soeben in P'ejaro
enthüllte Denkmal Terenzio Mamianis, des Dichters,
Philosophen und Patrioten, durch seine ebenso originelle, als
geistvolle, ja geniale Auffassung und Ausführung hervor. Ettore
Ferrari — der berühmte Schöpfer des Viktor Emanuel-Denk-
mals zu Venedig — hat sich in diesem merkwürdigen Werke
geradezu selbst übertroffen. Da erhebt sich über einem abgestuften
Sockel und einem würfelförmigen Piedestal die von den Genien
der Dichtkunst, der Philosophie und des Patriotismus triumphierend
emporgehaltene Büste Mamianis, von deren Fuße eine schwere
Draperie zwischen den Genien hinabflutet bis zum Piedestal. Das
Ganze in Einzelausführung und Komposition so großartig, als
 
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