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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Ritter, William: Nikulae Jon Grigoresco
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0172

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Entwurf für eine rumänische Banknote, von N. I. Grigoresco.

^^ancheKünst-
ler lassen
sich mit wenigen
Worten charakte-
risieren. Der
Zauber ihrer Ar-
beit macht des
Schriftstellers
Thätigkeit leicht.
Zwei, drei, gut ge-
wählte Beiwörter
genügen, um in
großen Zügen den
Künstler zu zeich-
nen. In welcher
Richtung man das
Lob und die Kritik
eines Puvis de
Chavannes, eines
Böcklin, eines
Nikulae Ion Grigorrsro. Courbet odereines

Manet zu suchen

hat, ist schnell gesagt. Im Gegensatz zu ihnen giebt es
andere, deren Anmut und Feinheit sich einer genauen,
kurzgefaßten Synthese entziehen; dafür erfordern sie eine
sorgfältige Analyse. Es würde meinerseits viel Nach-
denken erfordern, um das Talent Grigorescos in drei
Worten zusammenzufafsen, ohne daß diese Worte so matt
und unbestimmt wären wie die folgenden: Poesie, Auf-
richtigkeit und Schnelligkeit. Und doch fallen mir für
Grigoresco keine besseren ein.

Nikulae Jon Grigoresco erblickte das Licht der
schönen rumänischen Sonne in Bukarest am 15. Mai
(a. St.) 1838 in einer zahlreichen, aber mit irdischen
Gütern wenig gesegneten Familie, der die Liebe zur
Malerei angeboren zu sein scheint. Sein älterer Bruder

schon hatte ernste Neigungen, die man leider vernach-
lässigte, zu erkennen gegeben. Als der kleine Nikulae ihn
arbeiten sah, wurde er von der Neigung zur Kunst an-
gesteckt. Er trat bei einem jener naiven Kirchenmaler,
die man dort zu Lande Zugrav nennt, und deren
Kunst und Geschlecht heutzutage gänzlich verschwunden
sind, in die Lehre. Sie waren Giottos ihrer Art, diese
ländlichen Künstler. Sie malten al lresco, setzten ihre
Farben selbst zusammen und zeichneten nach geschriebenen
Rezepten, die jeder besaß und nach seiner persönlichen
Erfahrung zu einem dicken Buche vermehrte. Solch
schriftliche Aufzeichnungen sind leider unauffindbar ge-
worden; kein Museum, keine Bibliothek, kein Sammler
ist auf den Gedanken verfallen, sie aufzubewahren.
Will man von den Werken der Zugravs eine Idee be-
kommen, so muß man in irgend einem in den Bergen
versteckten Dorfe sehen, wie ihre Kunst verstand, Köst-
liches zu bieten; es ist unmöglich, sich zartere Farben-
harmonien vorzustellen. Im Museum zu Bukarest hat
man einige Reste jener Fresken aufbewahrt, die aus
Curtea d'Argesch herrühren; alles übrige aber kann dem
Schicksale dieser Kunst nicht entgehen: es wird ver-
schwinden. Solchen Dingen gegenüber herrscht in Ru-
mänien die absoluteste Gleichgültigkeit, ja die „Gebildeten"
sprechen sogar mit einer gewissen Verächtlichkeit davon.

Als Grigoresco die Kunst eines Zugrav erlernt
hatte, sagte er 1859 Bukarest Lebewohl, um nach Paris
zu gehen. Mit einem Freunde aus der Moldau machte
er sich auf den Weg; der Freund erkrankte unterwegs.
Grigoresco, nun aus seine eignen Mittel angewiesen,
ging sofort an die Ausführung eines Heiligenbildes,
welches die Bewunderung des religiösen Publikums her-
vorrief. Es kam in eine Verlosung. Der Ruf, den
er sich dadurch erwarb, verschaffte ihm eine große Be-
stellung von den Nonnen zu Agapia, einem der berühmtesten
Klöster Rumäniens, dessen Kirche neu ausgeschmückt werden

Die Kunst für Alle XII, y. Februar 189?.
 
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