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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Winter, Franz: Der Silberschatz von Boscoreale
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Ebers, Georg: Goethes Königslieutenant und Frankfurter Bilder aus der Provence
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0238

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von Franz lvinter. — Goethes Aönigslieutenant und Frankfurter Bilder aus der Provence.

I8Z


die Fig. 12 abgebildete mit dem liebenswürdigen
und außerordentlich gut modellierten Bilde des kleinen
Herakles, der die Schlangen an sich drückt. Ähn-
lich, aber freilich künstlerisch nicht ganz so bedeutend,
sind die Prunkschalen des Schatzes von Boscoreale. Die
eine (Fig. 8), sehr groß und durch reichliche Vergoldung
ausgezeichnet, ist ein glänzendes Repräsentationsstück. Die
Büste einer üppigen Frau füllt das Medaillon des inneren
Rundes aus, von einem schmalen Lorbeerband umrahmt.
Das Bild ist künstlerisch nicht von sehr glücklicher Wir-
kung und gewinnt am wenigsten durch den reichen Auf-
putz und die vielen,
von allen Seiten ge-
häuften Attribute, das
Elefantenfell auf dem
Kopf, das Füllhorn in
der Linken, Aehren,

Früchte, Panther, Ad-
ler, Uraeusschlange,
die aber der Darstel-
lung ein um so höhe-
res Interesse durch
die gegenständliche
Bedeutung verleihen:
sie alle weisen auf
Aegypten und spe-
ziell auf Alexandrien
hin und lassen in
der Büste das Bild
der Stadtgöttin dieser
seit den letzten vor-
christlichen Jahrhunderten bedeutendsten Handels- und
Großstadt der griechischen Welt erkennen.

Aus der Allegorie dieser Schilderung führt uns das

Emblem der anderen Schale des Schatzes (Fig. 7) in die
volle Wirklichkeit hinein. Ein echtes Römergesicht blickt uns
hier in sehr wenig geschmeicheltem Porträt entgegen, ein
Mann von knochigem Bau, mit faltigen, knappen, ver-
kniffenen Zügen, weit abstehenden Ohren, das Haar kurz
geschnitten. Dazu gehört noch ein Pendant, ein weibliches
Porträt, offenbar das Bild der Frau dieses Mannes, in
einer Schale, die leider — übrigens als das einzige
Stück — aus dem Gesamtbestande des Fundes verschlagen
und in das Britische Museum gelangt ist. Die Ver-
mutung ist ausgesprochen, daß wir in diesen Bildern den

Besitzer des Schatzes
selbst und seine Frau
vor Augen haben. Die
Frau trägt eine Haar-
frisur, wie sie bei den
römischen Damen zur
Zeit der Claudischen
Kaiser Mode war.
Die Bilder waren
also, als sie unter die
Erde kamen, ihre 20
bis 30 Jahre alt und
wir müssen uns dar-
nach den Besitzer der
Villa, der in diesem
Porträt a ls nicht mehr
junger Mann darge-
stellt ist, zur Zeit des
Unterganges als alten
Herrn denken. Wie
sehr gewinnt der ganze Fund des Silberschatzes noch an
Reiz durch das persönliche Moment, das diese beiden
Porträtbilder hineintragen!

OoetheF AünigDcutenant und Frankfurter Bilder auF der Provence?)

6^u meinen liebsten Erinnerungen gehört der Weihnachts-

abend, an dem mir mitten im muslimischen Morgen-
lande ganz unerwartet volltönendes Glockengeläut das
Ohr berührte. Einem Eindruck ähnlicher Art dankt das
Buch, das ich eben aus der Hand legte, die Entstehung.
Leuchtenden Äuges hatte der Verfasser seiner Zeit dem
Schreiber dieser Zeilen geschildert, was ihm in der
Provence Ueberraschendes begegnet war.

Vorsichtig und geschickt, feinsinnig und mit aus-
dauernder Forschungslust und Kunst machte er sich sodann
das Erspähte und Erworbene auch innerlich zu eigen.
Zwanzig Jahre vergingen indes, bevor er es weiteren
Kreisen zum Mitgenuß und Gebrauch in Gestalt eines
Buches darbot; dies aber verdient als ausgereifte Frucht
sowohl denen, die sich an den „Mitteilungen" zu ergötzen,
als den anderen, die in den „Beiträgen" wissenschaft-
lichen Aufschluß zu finden erwarten, empfohlen zu werden.

Jene verheißen die Erlebnisse des Verfassers, seine
Thätigkeit in der Provence und die Fundstücke zu fesseln,
die von der sonnigen Küste Liguriens aus helleres
Licht auf die heimische Kunst des achtzehnten Jahr-

*) Zu Martin Schubarts Vravyois äe l'UäLs comte
äe DUoranc, Goethes Königslieutenant. Dichtung und Wahr-
heit. Drittes Buch. Mitteilungen und Beiträge. (München.
Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G. 1896, geb. 15 M )

Hunderts und auf Persönlichkeiten werfen, die ihnen
durch Goethes „Dichtung und Wahrheit" bekannt sind.
Diese werden sich durch die Sorgfalt und den gesunden
Sinn angezogen fühlen, mit denen der Verfasser das
Erworbene benützt und alles Erreichbare heranzieht, um
der Persönlichkeit des Königslieutenants, der durch
Gutzkows Lustspiel in Deutschland bekannt wurde, gerecht
zu werden und um alles — auch das Kleinste — richtig
zu stellen, was sich an seinen Namen, an seine Persön-
lichkeit und an seine Wirksamkeit in Frankfurt knüpft.

Diese Klärungsarbeit erforderte tiefgehende Unter-
suchungen, die wohl geeignet sind, das Interesse der
Mitforscher in Anspruch zu nehmen; Martin Schubart
darf aber auch der Aufmerksamkeit der Nichtgelehrten
gewiß sein; denn der Sammler und Kunstkenner ist zu
gleicher Zeit ein vortrefflicher Erzähler, und wer sich
über seine merkwürdigen Erlebnisse und Erwerbungen
in der Provence zu unterrichten wünscht, dem können
wir nichts Besseres raten, als sein Buch zur Hand zu
nehmen und seiner eigenen Darstellung zu folgen.

Hier ist uns nur gestattet, in aller Kürze zu be-
richten, wie ein freundliches Ungefähr ihn in der Fremde
auf den Weg stellte, den er sodann zu Gunsten der
heimischen Kunst und Litteratur zielbewußt weiter
verfolgte.
 
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