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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Zimmermann, Ernst: Hans Thoma
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0381

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Hans Tboma.

Aber auch hier in der Landschaft kommt die
Sehnsucht, die Melancholie der Romantik zum Durch-
bruch. Deshalb schildert er die eigene Heimat und den
nahen Rhein, indem er von der Höhe zu Thal sehen
läßt, diese Ansicht seinerseits ebenso bevorzugend, wie ihr
die moderne Kunst sonst aus dem Wege geht. Träumerisch
schweift da der Blick über Berg und Thal oder den
ruhigen Linien des sich schlängelnden Flusses der Ebene
entlang, in die Tiefe hinein, hier sich verlierend oder zum
Bilde hinaus, in beiden Füllen des Zieles ungewiß. Oder
Thoma flieht diese weite Welt; einsiedlerisch zieht er sich
zurück in ein enges Thal, in den düsteren Tann, an
den rauschenden Bach, wo man die Welt so ganz vergißt
und sich und der Natur nur ganz allein gehört. Und
der Mensch ruht.hier in der Abgeschiedenheit müssig und
sinnend; dort, in der weiten Natur, zieht er eilends dahin
zu Pferd oder zu Fuß, mit dem Wanderstab oder der
Laute in der Hand. Wer weiß, wohin? Die Natur
aber leuchtet und strahlt in den Farben wie im Fest-
gewande. Blau dunkelt die Ferne, grün leuchtet die
Nähe, es glitzert das Wellenspiel des Flusses, und so ist
sie als ganzes in ihrem Kontrast von Sehnsucht und
Heiterkeit eine echte Verkörperung der Goetheschen „Wonne
der Wehmut".

Künstlern, die, so wie Thoma, sich ganz in
ihrer Kunst ausgeben, und meist nur, wenn in Stimmung,
schaffen, ist oft das Oel ein zu schwerflüssiger Stoff, als
daß sie mit ihm die temporären Regungen ihrer Seele
technischen Prozessen, in der Regel zur Zeichnung, zur

' 5

Mudienkopf. von Hans Tboma.

Lkudirnkopf. von Hans Thoma.

sesthalten könnten. Sie greifen dann zu schnelleren
Radierung. Thoma hat sich das Aquarell und die
Lithographie ausgesucht, jenes oft nur als kolorierte
Umrißzeichnung behandelnd, diese, die, eine echte
Erfindung des 19. Jahrhunderts, von einer anderen
nicht minder echten, der Photographie, schon fast
verdrängt zu sein schien, für Deutschland überhaupt
wieder neu belebend und oft im Sinne der Aquarelle
farbig erweiternd. Der Inhalt dieser entspricht ganz
dem seiner großen Kunst. Häufig ist dieselbe nur
Wiederholung jener, häufig auch Variation, oft aber
zeigt sich Thoma hier noch mehr als „Erfinder",
als echter Phantast, wie er auch hier bisweilen noch
intimer wird. Im Anschluß hieran aber hat Thoma,
wie bekannt, auch noch im Verein mit Henry Thode,
dem Professor der Kunstgeschichte in Heidelberg,
seine reizenden „Federspiele" zusammengedichtet, er,
indem er die Bilder erfand, dieser, indem er den
poetischen Kommentar dazu lieferte, Federspiele des-
halb genannt, weil beide hier in der That mit der
Feder spielen und dann, weil dieses Werk gleichsam
so entstand, daß „Hans" dem „Heinz" wie Feder-
bälle seine Einfälle zuwarf, die dieser dann fassen
und mit poetischer Antwort zurückwerfen mußte.

Dies alles ist Inhalt der Thomaschen Kunst,
der sich noch mit Worten geben läßt, zwar, wie
Thode es gethan, nur mit poetischen. Worte aber
versagen immer, wo es sich um die Angabe handelt,
wie der Inhalt in die künstlerische Erscheinung tritt.
Dies mag vielleicht von Thoma's Kunst in dieser Hin-
 
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