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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Voll, Karl: Die VII. internationale Kunstausstellung der Münchener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0411
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Die VII. internationale Kunstausstellung der Münchener Lecesfion.

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dieses Recht nicht zugesteht, das ist um so wunderlicher, als
die Entwickelung der Kunst des neunzehnten Jahrhunderts
in überraschender Konsequenz darauf hingedrängt hat, die
Behandlung der Farbe als den ausschlaggebenden Faktor
eines Gemäldes zu betrachten. Wo das Kolorit so schön
ist wie hier, sollte man eigentlich die etwa vorhandenen
Mängel — und deren hat Danae — nicht allein in
Betracht ziehen. Unsere Illustration kann natürlich keine
Vorstellung von dem farbigen Reiz des Bildes geben;
sie zeigt aber wenigstens, daß es nicht frivol wirken
konnte und wollte.

Die Münchener Schule ist im übrigen am besten
mit den Dachauern vertreten, mit Ludwig Dill, Adolf
Hölzel u. a.. Skarbina in Berlin hat sich ihnen mit
der etwas banalen „Reisigsammlerin" angeschlossen.
Unter den Landschaftern sind noch zu nennen Benno
Becker mit einer bis in die kleinste Tonnuance ausge-
bildeten toskanischen Scene, Voellmy mit einer den
Schotten sehr verständnisvoll nachempfundenen herbstlichen
Schwarzwaldlandschaft und Crodels ehrliche Arbeiten,
unter denen zwei Schneelandschaften sich besonders aus-
zeichnen. Franz Stuck wird auch Heuer als Maler nicht
die gewohnten Triumphe feiern können. Der „Sisyphos"
ist ein phrasenhaftes Stimmungsbild, das in eintönigem
stumpfem Schwarz und Grau gehalten sich vergeblich be-
müht, durch das Rot des gewitterschwülen Hintergrundes
einen koloristischen Effekt zu erzielen. Der arglistige
Ränkschmied Sisyphos, der Siebengescheit der griechischen
Sage, ist von Stuck in jenem von ihm so oft ausge-
beuteten Typus des Athleten dargestellt, der eigentlich
gar nicht zu der Idee des schlauen Sisyphos paßt. Stuck
will den Eindruck äußerster Kraftanstrengung in uns
erwecken, er will uns einen Mann von ungeheurer Kraft
zeigen, der einen zentnerschweren ungefügen Stein die steile
Anhöhe hinauswälzt. Aber statt des kräftigen Mannes
giebt er eine riesige Molluske und statt des Felsens

Danae. Max Slevogt xiax.

einen leichten Karton. Hier haben wir Begriffsmalerei,
die mit Symbolen arbeitet, ebensogut wie bei der jetzt
in Acht und Bann gethanen Historienmalerei. Albert
von Keller hat die Arbeiten der letzten zwei Jahre
weit überholt; besonders in der „Dame auf dem Sopha"
giebt sich ein viel gesunderer koloristischer Sinn kund.
Fritz v. Uh des neueste Version der heiligen drei Könige
ist nicht ganz fertig gestellt und läßt uns zu keinem Ur-
teil kommen. Es mangelt einerseits die Frische der Skizze
und anderseits die Reife des fertigen Werkes. Was wir
hätten erwarten dürfen, können wir am besten an der
Gruppe der Mutter mit dem Kinde sehen, die an die
besten Uhde erinnert. Habermanns weibliche Porträts
verbinden Feingefühl, den Schein der Solidität und all-
zugroße Nonchalance in glücklicherer Weise als sonst.

Anetsbergers „Sage" führt uns in das Gebiet
des sogenannten Neu-Jdealismus, wo Reminiscenzen an
alte Meister mit Anleihen aus modernen in Eins gerührt
werden. Neben einem Brunnen läßt Anetsberger rechts
einen böcklinartigen Ritter stehen, der sich mit einer links
stehenden Frau im Stile Palma Vecchios zu einem
stimmungsvollen Existenzbilde im Sinne Giorgiones ver-
einigt. L. H erterich gab den Ritter Ulrich von Hutten
in einer trotz der idealisierenden Tendenz vielleicht nur
zu wahren Weise. Ulrich von Hutten soll nämlich in-
folge schwerer, entstellender Krankheiten recht häßlich
gewesen sein und über diesen Eindruck kommen wir auch
im Gemälde nicht hinaus. Herterich hat die Absicht
verfolgt, den „christlichen Ritter" auf das Deutlichste
zu charakterisieren; er stellt Hutten auf einen Plan
in gleicher Größe neben ein holzgeschnitztes Kruzifix. Er
erweckt damit einen phantastischen Eindruck, der durch
das barocke Kolorit noch gesteigert wird. Paul Höckers
„Ave Maria" ist eine wunderliche Verzwickung von
deutschen und romanischen Zügen. Der heilige Joseph kehrt
nach des Tages mühevoller Arbeit abends zu seiner
Familie zurück, die ihn unter hohen Bäumen erwartet.
Wenn der Inhalt deutschen Werken nachempfunden ist, so
klingt das Motiv der Bäume hinter Maria in der Mitte
des Bildes stark und erfreulich an den schönen Ton an,
den Bellini und seine Schule mit so vielem Erfolg immer-
wieder verwertet haben. Einem wesentlich vergnügteren
und doch vielfach ernsteren Werke begegnen wir in Hierl-
Deroncos „Liebesgarteu". Die große Tafel behandelt
das ewig junge Lied vom Zaubergarten der Venus. Im
Schatten der mächtigen Bäume und unter dem unsicheren
Schutz einer Pansherme lustwandeln die schlanken, schönen
Mädchen in dem Kostüm, das für so paradiesische Scenen
das einzig richtige ist. Die Empfindungen durchlaufen
die ganze Skala der Liebeslust, vom zarten Traum bis
zum kecken Begehren. Die Farben sind reich aber nicht
bunt, jedoch zu glatt und fest, die Zeichnung von einer
Sorglosigkeit, die der schöne Stoff eigentlich nicht ver-
dient hat und die gerade die gewünschte leichte Wir-
kung einigermaßen beeinträchtigt und uns bedauern läßt,
daß das Bild nicht mehr ausreifen konnte.

Böcklins apokalyptische Reiter, genannt „Der
Krieg", stammen aus dem Jahre 1896, greifen aber in
Kolorit und grausiger Stimmung auf so frühe Werke wie
den Sturm in der Schackgalerie zurück; ein eigentümlicher,
halbirrer Humor geht durch die unheimliche Scene. Ob
Böcklin das beabsichtigt hat, ist natürlich schwer zu
sagen, aber es scheint mir, daß gerade diese Auffassung
 
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