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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Voll, Karl: Die VII. internationale Kunstausstellung der Münchener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0412

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Ausstellung der „Secession", München, ^899-


recht gut zu der schrecklichen Scene paßt. Die blinde
Zerstörungswut hat immer etwas vom Wahnsinn an sich.
Höchst interessant und erquickend ist Böcklins kleine Skizze
zum Meeresidyll aus der Schackgalerie. Noch nachträg-
lich ist auch das berühmte Bild „Armut und Sorge" aus
dem Jahre 1890 eingetroffen.

Hans Thomas Frühlingslandschaft aus Ober-
italien ist diesmal spitziger ausgeführt, als das sonst der
Fall ist. Ein eigentümliches Stimmungsbild aber hat
er in dem Angler geschaffen; ganz im Vordergründe der
Scene steht im vollen Mondlicht in schweigender Nacht
der Fischer; vor ihm liegt das Wasser und die Ebene.
Von Naturwahrheit findet sich hier so gut wie nichts;
dagegen ist der Effekt aufs äußerste übertrieben und zwar
nicht etwa ins Gleißende, sondern in das Blasse. Ein
geheimnisvoller, schwerkontrollierbarer Ton kommt dadurch
in die Scene, die ihre Bedeutung erst durch ihn erhält.

Von Theodor Hummel ist vor allem die heilige
Magdalena zu nennen, die nackt vor dem Kreuzesstamm
zusammengebrochen ist. Es liegt etwas Schauriges in
der fahlen Stimmung und doch etwas Zartes in dem
feinen Glanz des zartempfundenen Silbertones. Landen-
bergers „Badende Knaben" schließen sich im Lichtstudium
an Harrison an, aber halten sich zu ihrem Glück von
aller Schablone fern, was man von Harrisou nicht immer
sagen kann. Leistikows stilisierte Landschaften fangen
dagegen an, etwas monoton und in ihrer ziemlich unver-
änderten, häufigen Wiederkehr etwas gleichgültig zu werden.
Der Wiener Ribarz stellte eine sehr subtil ausgeführte
sonnige Dorfstraße aus.

Graf Leopold von Kalckreuth brachte wieder eine
soziale Allegorie in der Gestalt eines alten, beinahe
karikiert aufgefaßten Mütterleins, das in sehr nach vor-

wärts gebeugter Haltung einen Kinderwagen hinter sich
herzieht. Das Genrebild, das sich allerdings hauptsäch-
lich nach koloristischen Prinzipien unterordnet, kommt
auch Heuer in der Secession zur Geltung. Hans Bor-
chardt, Paul Schröter, Hans v. Bartels, Ludwig
Zumbusch und mitunter auch Angelo Jank bewegen
sich mit Glück auf diesem Gebiet.

Die deutschen Porträtisten sind nicht gar zahlreich
und recht wenig charakteristisch vertreten. Sambergers
Kollektion führt Lenbachs Tradition mit allzugroßem
Elan weiter. Auch bei Sauters Uhdebildnis mag
man einen Mangel an gegenständlicher Auffassung bemerken.
Bei Fritz Burger fällt dagegen die Sorgfalt in der
Ausarbeitung der einzelnen Züge auf, eine Sorgfalt, die
besonders im Bildnis des Malers Stückelberg an die
beiden Porträts erinnert, die Kroyer im vorigen Jahre
bei der Secession ausgestellt hatte. HubertHerkomer
dürfen wir wohl nicht mehr zu den Deutschen rechnen,
so weit seine „Kunst" in Betracht kommt, und wir haben
keinen Grund, diesen Verlust zu beweinen.

Vom Auslande bekamen wir Heuer nicht viel,
aber sehr Gutes, leider ist nicht alles eingetroffen, was
der Ausstellungsleitung versprochen war. Die Haupt-
stücke sind die zwei Zeichnungen von Degas, dem in
München so gut wie unbekannten großen, französischen
Meister. Sie sind etwas abseits aufgehängt und sind
darum nicht leicht zu finden, zumal sie gar keinen An-
spruch erheben, gesehen und gelobt zu werden. Obwohl
vortrefflich gehören sie doch noch nicht zum allerbesten,
was der launische Künstler gemacht hat, der sich dem
Kunsthandel und dem geschäftsmäßigen Produzieren ferner
hält als irgend ein anderer. Sie behandeln das Thema,
auf dem er noch immer unerreicht geblieben ist, und das
 
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