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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Gronau, Georg: Edward Burne-Jones
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Perfall, Anton von: Unter dem Schlapphute!, [1]: Novelle aus dem Künstlerleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0018

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Edward Burne-Iones. Von Georg Gronau. — Unter dem Schlapphutei

samen Arbeit mit dem Jugendfreund gingen jene zahllosen dekorativen Werke hervor, welche den englischen
Geschmack von Grund aus umgebildct haben. Nicht nur unzählige Entwürfe für Glasfenster, die ausgeführt in
verschiedenen Weltteilen sich befinden, für Webereien, für Mosaiken — das bedeutendste Produkt auf diesem
Gebiet in der amerikanischen Kirche in Rom ausgeführt; hiefür auch „der Baum des Lebens" bestimmt —, er
hat auch wundervolle Entwürfe für Grabdenkmäler geschaffen, hat Illustrationen für Bücher gezeichnet, hat
selbst gelegentlich Möbel künstlerisch geschmückt.

Und wenn gegen Abend seines Lebens der Künstler seine Werke überschaute, so hätte er sich selbst und
seine Kunst nicht besser charakterisieren können, als durch ein Wort von John Ruskin: „Und das ist eine
Hauptlehre, welche die Gesamtheit meiner Werke enthält; mag auch die Handlung und das gegenständliche
Interesse bei Bildern bewundernswert sein — die größten Kunstwerke stellen Männer und Frauen in
Ruhe dar, beruhigt Wolken und Berge; Männer und Frauen edel gebildet; Wolken und Berge herrlich schön".

Unter dem Z-chlupphute!

Novelle aus dem Künstlerleben von Anton Freiherrn von persall. ^ ^ ^

ie in allen künstlerisch veranlagten Naturen ver-
dichtete sich auch in Julei schon in frühester
Jugend jede Empfindung, jeder Wunsch zu etwas Gegen-
ständlichem, zu einem Symbol.

So in dem Bilde des knarrenden Botenwagens,
welcher alle acht Tage von dem kleinen Bergdorfe S . . .
in die Stadt fuhr, der Abschied von der Heimat, obwohl
zwei Jahrzehnte darüber vergangen und der arme, der
ganzen Gemeinde lästige Waisenknabe durchaus keinen
Grund zu einer besonderen Anhänglichkeit hatte, diese selbst
in einem ganz kleinen an sich unbedeutenden Ausschnitte
der großen Gebirgsnatur, einer alten zerfallenen Mühle
am grauen Felsen angelehnt, ihrem schwerfälligen be-
moosten Rade, dem geschwätzigen Bache und dem stock-
tauben Müller, seinem einzigen Jugendfreunde; seine lang-
jährige Thätigkeit bei Meister Schwarzmann, dem Tischler,
in einem Haufen sich ringelnder, groteske Formen an-
nehmender Hobelspähne, wobei auch stets der ätzende Ge-
ruch frisch geschälten Holzes nicht fehlte.

So nahm denn auch sein glühendster Wunsch, Künstler
zu werden, Gestalt an und zwar die eines schwarzen,
riesigen Schlapphutes, wie er sie unzähligemale mit
neidischen Blicken auf den Lockenköpfen der Kunstjünger
gesehen.

Er erschien ihm in unzähligen Nächten, wie von
einer Gloriole umgeben.

Er konnte sich von keinem Ladenfenster trennen, hinter
dem er einen entdeckte.

Der Schlapphut mit der Willkürlichkeit seiner Form,
der Unerschöpflichkeit der Arten, wie er getragen werden
konnte, bald kühn aufgestülpt in den Nacken gesetzt, bald
ernst und feierlich in die Stirne gedrückt, erschien ihm
als das Symbol der Freiheit, mehr, von etwas, was er
selbst noch nicht nennen konnte, nur dunkel empfand, -—
der Individualität! Er hätte es für einen Frevel ge-
halten, für eine erbärmliche Lüge und Fälschung, sich
einen anzuschaffen, bevor er wirklich der freien Künst
angehörte.
 
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