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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Meißner, Carl: Wilhelm Steinhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0251

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Wilhelm Steinhaufen.

von Larl Meißner-Drcsden.

Iv. Steinhaufen 6-1.
Ans „Die Geschichte von der Geburt
unseres Herrn".

(Stuttgart, Vereinsbuchhandlung.)

ie Kunstentwick-
lung dehnt sich,
ein breites Gelände,
durch die Jahrhunderte
hin. Es wird in Win-
dungen durchlaufen von
gut ausgetretenen und
schön mit Theorien ge-
pflasterten Hauptwegen.
Auf ihnen fahren die
großen zeitbeherrfchen-
den Herren der Kunst
und kommen unglaub-
lich weit; hinter jenen
drein zu Fuß pilgern
kameradschaftlich in
Trupps, bald mühselig
und schwitzend, bald
fröhlich - sorglos die
kleineren Leute, und
manche unter ihnen
laufen jedem neuen
herrschaftlichen Wagen ein Stuck nach. Eine Weile hinter-
drein kommt der Historiker, macht sich unzählige Notizen,
steckt dann die Perioden ab und freut sich, wenn es alles
schön stimmt. — Rechts und links von diesen Straßen
aber wandern, erquickt aus halbverschütteten
Quellen, auf verwachsenen, oft ungebahnten
Pfaden einzelne Einsame. Sind sie Hoch-
ragende, sind sie Kraftnaturen, so bleiben
schließlich die auf dem Wege doch bewundernd
stehen und einzelne brechen durchs Gestrüpp
und treten ihre Pfade nach, der Historiker
aber läuft diese bisher nicht beachteten Pfade
von dort aus eifrig bis zum Anfang zurück.

So ist es Böcklin und Thoma gegangen.

Doch auch auf die anderen, die Träumer-
naturen, deren Eigenstes zart und fein ist,
so daß es weder laut schreien, noch hoch
aufragen kann, sollte man mehr achten. Sind
sie doch sicherlich wichtiger und echter als die
Leute vom soliden Durchschnittsmaß mit dem
unfehlbar „tüchtigen Können" dort auf der
breiten Straße. Auf einen von diesen
„Stillen im deutschen Kunstlande" aufmerk-
sam zu machen, das will unser „Wilhelm
Steinhausen-Heft".

Einiges Biographische mag zunächst
dazu dienen, uns den Menschen und Künstler
zu erklären und näher zu bringen. Als der
jüngste von fünf Brüdern, aus denen allen
etwas in der Welt geworden ist, — ich nenne
nur den Pfarrer Heinrich Steinhaufen, den
Dichter stimmungsfeincr Novellen —, wurde
er am 2. Februar 1846 in Sorau in der
Niederlausitz geboren. Sein Vater war Stabs-
und Regimentsarzt, ein echter Niedersachse,
aus dem Harz gebürtig, ein großer prächtiger
Mann mit breiter gewölbter Stirn. Seine
Mutter war eine kluge und heitere Frau


von tiefer, werkthätiger Herzensfrömmigkeit. In seine
Jugend klingt es noch herüber von den Märchen, die seine
Vatersmulter, eine einfache Frau, wundervoll erzählen
konnte, eine der letzten, in der die Volksdichtung noch
als ein Wirkliches lebte, und von der auch die Gebrüder
Grimm einzelne Märchen haben sollen. In Sorau hatten
Steinhaufens ein eigenes Heim und einen großen Garten
dabei und seine Blumen und Lauben gaben die frühesten
Erinnerungsbilder, die das aufmerkende Auge des Knaben
aufnahm. Dann zog die Familie nach Berlin, und dort
starb dem neunjährigen Jungen der Vater. Das war
ein frühes Leid. In einsamen Wanderungen über die
sandigen Wege und armen Wiesen von Berlins nächster
— heute schon bebauter — Umgebung fand seine Natur-
liebe melancholische Nahrung. Die Großstadt, das Wohnen
in ihren Hinterhäusern ließ ihn früh Blicke in ihr vieles
soziales Elend thun und weckte in seiner empfindlichen
Seele tiefes Mitfühlen mit den Armen und Beladenen.
All das wirkte zusammen, schon dem körperlich nicht
kräftigen Jüngling jenen feinen tiefen Zug der Wehmut
zu geben, der fast überall durch seine Kunst hervorschaut.

Nach den Gymnasiastenjahreu lernte er dann auf der
Berliner Akademie das Maler-ABC und ging 1866-
verlockt durch die damals noch großen Namen Lessing
und Schrödter, nach Karlsruhe. Doch von ihnen hatte
er nichts, auch kaum etwas von dem unbedeutenden Lehrer-

Selbstbildnis ((898).


Die Kunst für Alle XIV, IZ. I. Axril (899.

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