Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

DOI Artikel:
Popp, Joseph: Die Ausstellung der deutschen Gesellschaft für christliche Kunst, München 1899
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0135
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-*-S£> DIE GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST -C^-

Inhalt betonen, während doch für die Kunst
das Massgebende der künstlerische Ausdruck
ist. Die Renaissance war hierin viel glück-
licher; sie erfreute sich einer Zeit, welche
die Sprache der Kunst verstand, sowie diese
eine allgemein verständliche Ausdrucksform
besass.

Der Gegenwart mangelt dieser künstlerische
Zug, worüber auch hinsichtlich der profanen
Kunst viel und laut geklagt wird — was
Wunder also, wenn Werke der kirchlichen
Kunst nur schwer die heutige Welt befrie-
digen? Ueberdies macht man sofort den
Vergleich mit berühmten Werken der Ver-
gangenheit, lehnt aber Arbeiten für roma-
nische, gotische oder Renaissancekirchen ab,
weil sie zu archaistisch sind. Wer kann es
da recht machen? Bald soll das Bild oder
die Skulptur in den betreffenden Stil der
Kirche passen, bald wird der Vorwurf der
Nachahmung ohne den Geist der „Alten"
erhoben — und das Neue erstickt das Miss-
trauen; man denkt sich zu wenig hinein,
urteilt zu schnell und ohne Kenntnis des-
selben. So kann sich nur schwer jene Er-
neuerung der religiösen Kunst anbahnen, die
so dringend notwendig ist.

Dass innerhalb sechs Jahren die Deutsche
Gesellschaft für christliche Kunst schon vielen
Widerspruch beim Publikum überwunden
wie Künstler gewonnen hat, beweist, dass
der Boden der Bereitung wert ist.

Diese Erörterungen waren notwendig, um
ein richtiges Urteil über die Ausstellung zu
ermöglichen, welche die Deutsche Gesellschaft
für christliche Kunst heuer im Glaspalast
arrangiert hat. Der Kenner wird da und
dort Werke finden, welche nach irgend einer
Seite Konzessionen machen; aber dies liegt

im Charakter alles Werdenden und in den
erwähnten Verhältnissen. Im grossen und
ganzen umweht uns ein freierer, frischerer
Geist, als wir ihn bisher gewohnt waren.
Wir sehen Künstler, die sich persönlich
geben, etwas Tüchtiges können und nur der
Aufträge, Anregung und Selbstkritik bedürfen,
um eine zeitgemässe christliche Kunst er-
stehen zu lassen.

Mehrere sehr gute Werke, welche in diese
Abteilung gehörten, sind in Kirchen niet- und
nagelfest angebracht, so dass sie nicht trans-
portiert werden konnten. Eine Ausnahme
macht nur der gotische Flügelaltar von Alt-
heimer, aus der Albertus-Kapelle des Fürsten
Thum und Taxis. Es war eine sehr schwierige
Aufgabe zu lösen, für die es keine Vorbilder
gab: Maria bringt und nimmt dem hl. Albertus
die Wissenschaft. Es erscheint die Himmels-
königin das eine Mal dem mühsam studierenden
Jüngling, das andere Mal dem lebensmüden
Greis. Sachlich und technisch nimmt die
„Gnadenvolle" den Hauptraum ein und ver-
mittelt klar den Grundgedanken. Die Farbe
ist frisch wie auf den übrigen Bildern. Die
Innenseiten zeigen in vier Feldern Scenen
aus dem Leben des Heiligen. Eine hervor-
ragende Leistung bietet Altheimer in dem
„hl. Albertus bei Donaustauf". In natur-
getreuer Landschaft, voll deutschen Gemütes,
sitzt der Gottesgelehrte und sinnt über seinem
Kommentar zu Lukas. Der friedlich be-
trachtende Geist des Heiligen scheint seine
ganze Umgebung zu durchleuchten. Jeder
Baum und Strauch, alle Gräser, Blätter und
Blüten atmen in seelenvoller Stille. Von
ähnlicher Unmittelbarkeit der Empfindung ist
der „Betende Bauer" von Schiestl, wenn er
auch manche Ungleichheiten in sich birgt.

123

16»
 
Annotationen