Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

DOI Artikel:
Popp, Joseph: Die Ausstellung der deutschen Gesellschaft für christliche Kunst, München 1899
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0136

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-^32> DIE GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST -CÖ^

Dieser junge Künstler ist ein ursprüngliches,
starkes Talent, dessen Frische wohlthuend
wirkt. Auch sein „hl. Wolfgang" zeigt viel
Tiefe und Kraft. Ein Reichbegabter, der für
seine volle Ausbildung zum Historienmaler
nur grosse Aufgaben brauchte, ist Gebh.
Fugel. Sein „Gebhards-Cyklus" beweist
deutlich den Architekturmaler grossen Stils.
„Christus vor Pilatus" ist zwar mehr als
Galeriebild gedacht, zeigt aber doch deutlich
die Art seines Talentes. Lebhaft bewegte
Gruppen, deren Konzentration, seelischer
Ausdruck, eingehendes Natur-, Menschen-
und Zeitstudium zeichnen diese Darstellung
aus, deren dramatische Wucht gesteigert
würde durch das erhobene Haupt des Er-
lösers. Nüttgens „Madonna mit dem Kinde"
verdient eingehendst beachtet zu werden
wegen der liebevollen Durcharbeitung und
dem ganz verinnerlichten Ausdruck Marias.
Wieviel zarte Empfindung, Hingebung und
Reinheit liegen in diesen ätherisch - feinen
Zügen, in den Augen und Händen! Mittel-
alterliche Marien-Minnelieder fangen an in
unseren Herzen zu klingen — hinaus in die
lauschige, lyrische Landschaft, in der die
„Mutter mit dem Kinde" wie auf Rosen und
Lilien dahinschreitet.

Ganz anderer Art, aber nicht weniger inter-
essant hebt sich aus altem Rahmen das durch-
geistigte Haupt des sei. Canisius von Sam-
berger. Welch heroische Kraft der Selbst-
beherrschung, welch überirdischer Seelen-
wandel, welch erleuchtete Gewalt und Leidens-
macht reden aus diesen bleichen, asketischen
Zügen. Das ist ein Heiliger, der ergreift und
fesselt! Gegenüber den tausend süsslichen,
verschwommenen Leistungen derKunstfabriken
mutet diese geistvolle Interpretation einer
hervorragenden Persönlichkeit wie Quell-
wasser an.

Feuerstein hat verschiedene Kartons ge-
bracht, die ihn als den längst anerkannten
Meister der eleganten Linie und freien Form-
gebung aufs neue dokumentieren. „St. Huber-
tus" ist eines jener herrlichen Glasfenster für
die hl. Geistkirche in München, welche in
diesen Blättern schon von Fr. Pecht be-
sprochen wurden. Stockmann bearbeitete in
ganz moderner Weise das Thema „Kain",
nicht ohne koloristisches Talent, doch wohl
zu unförmlich im Ausdruck. Schnurr malte
eine Heilige in weitem Mantel, knieend mit
einem Kelch in den Händen. Ein reicher
und weicher Farbenaccord wogt in dem Bilde
und ^ergreift den Beschauer unwillkürlich.
Sehr geschickte Kartons für eine gotische
Kirche brachte Balmer. Neu in der Vortrags-

weise, Empfindung und Auffassung sind die
prächtigen Glasfenster-Entwürfe von Pacher.
Das breitere Publikum ist vor diesen Lei-
stungen betroffen gestanden; sie sind aber
die Gabe eines originellen Künstlers, der
uns doch einmal etwas anderes zu bieten
weiss, als diese ewigen stilgerechten An-
passungsmuster. Wenig Sympathien hat auch
der „Thomas" von Feldmann gefunden. Die
Gebhardtschule liegt ja wohl dem katholischen
Empfinden ferner; aber man sollte über der
äusseren Form dieser knorrigen, wetterfesten,
nordischen Schiffer nicht die tief ergreifende
Charakterisierung der einzelnen Apostel ver-
gessen! Thomas in seiner elementaren Be-
schämung und Christus als liebevollster Freund
können kaum in dramatischeren Gegensatz
gebracht werden.

Noch liese sich manches Werk nennen von
Schleibner, Müller, Seitz, Pfannschmidt
u. a.; aber wir müssen noch der Plastik ge-
denken, die zudem reicher und gehaltvoller ist.

Georg Busch, der unermüdliche zweite
Präsident der Gesellschaft, lieferte neben
einem „Crucifixus" und ergreifenden betenden
Mönch, der das „Benedicite" spricht, einen
grossen romanischen Altar für das Stift Tepl
bei Marienbad, zu Ehren des sei. Hroznata.
Ueberdem Altartisch ruht derReliquienschrein,
der ebenso bewunderungswürdig ist wegen
seiner Reliefs, wie ob der künstlerischen
Metall- und Emailarbeiten von Meister Har-
rach in München. Die Predella zeigt National-
heilige, welche um Christus mit den Sym-
bolen der Evangelisten in Anbetung gruppiert
sind. Es war sehr schwer, in diese Einzel-
gestalten Selbständigkeit, Abwechslung und
doch harmonischen Zusammenschluss zu
bringen. An den Flügeln stehen, Säulen
gleich, in stummer Versunkenheit Johann
Nepomuk und Adalbert, daran schliesst sich
je eine bewegtere Figur — den Mittelpunkt
jeder Hälfte bildet ein Heiliger mit Christus
als Kind und in sakramentaler Gestalt; von
da geht die Bewegung weiter zu Christus
als König der Glorie. Eine prächtige Wellen-
linie des Gedankens und der Empfindung,
welch letztere Busch stets in vorzüglicher
Weise besonders gelingt. Das Ganze wirkt
einheitlich und monumental.

Ebenfalls romanisch, aber viel schärfer ist der
„Gekreuzigte" von Balth. Schmitt gehalten.
Das Urteil der Gläubigen, welche das Original
in der Bennokirche zu München vor sich haben,
geht hierüber sehr auseinander. Man kann
einen gewissen, forcierten Zug im Leidens-
ausdruck nicht leugnen; auch mag die allzu
starke Einfügung in den alten Stil für unser

124
 
Annotationen