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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Schubring, Paul: Das Kaiser Friedrich-Museum in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0106
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KAISER FRIEDRICH-MUSEUM IN BERLIN AUSSENANSICHT
(IM VORDERGRUND DAS ERST AM 18. OKTOBER ENTHÜLLTE KAISER FRIEDRICH-DENKMAL)

DAS KAISER FRIEDRICH-MUSEUM IN BERLIN

Am 18. Oktober, dem 73. Geburtstage Kaiser Fried-
richs, ist in Berlin das seinem Andenken ge-
weihte neue Museum für die Sammlungen der
christlichen Epoche eingeweiht worden, das an der
äußersten Nordspitze der schon so übermäßig be-
setzten Museumsinsel den letzten verfügbaren Platz
eingenommen hat. In das Spreewasser hat man
seine Fundamente legen müssen. Die Stadtbahn saust
an der einen Seite vorbei; Kasernen und Charite-
Bauten bedrängen die übrigen Fronten. Der Wunsch,
die Museen der hohen Kunst an einer Stelle zu
sammenzulassen, war stärker als das Bedürfnis,
einem monumentalen Bau eine freie, offene und
eindrucksvolle Lage zu schaffen. Hatte schon der
Dom in den Fluß hineingebaut werden müssen, so
taucht das neue Wasserschloß der Künste ganz aus
den Fluten hervor; man kann nur auf Brücken zu
ihm gelangen und einen Anblick des Baues kann
man von keiner Stelle aus gewinnen.

Vielleicht hätte man diese Platznot benützen
können, um ein eigenartiges Wasserschloß aus
Felsen und Wellen im Rustikastil aufsteigen zu
lassen. Nichts dergleichen; man hat einen Spät-
Renaissancebau als fertigen Kasten in das Wasser
gesetzt. Die dritte (Land-)Seite wird von der Stadt-
bahn abgeschlossen; trotzdem ist sie auch als Fassade
behandelt.

Der Architekt Ihne und sein ausführender Bau-
rat Hasak haben zweifellos viele Möglichkeiten er-
wogen. Ein Museumsbau soll in erster Linie den
Beständen dienen. Einem Schinkel freilich war
es vergönnt, unbeschadet der Rücksichten auf die
Sammlungen ein monumentales Gebäude zu schaffen.

Der äußerst ungünstige Baugrund gebot eine
Dreiecksanlage des Ganzen. Zudem verlangt die
moderne Museumstechnik, daß Korridore vermieden

werden. Fünf Binnenhöfe bilden die großen inneren
Lichtschachte. Nach den beiden Wasserseiten zu
öffnen sich die Wände in ununterbrochenen Fenstern.
Der Oberstock hat dazu durchgängiges Oberlicht.

Man kann sich denken, ein wie krauser Grund-
riß auf einem Dreieck mit fünf Binnenhöfen ent-
stehen muß. Aber diese Verzwicktheit ist eher er-
freulich. Sie wehrt dem dumpfen Durchschieben
der Besucher und zwingt jeden, das Geliebte be-
sonders aufzusuchen. Einen offiziellen Rundgang,
wie er beim Münchener Nationalmuseum Pflicht
ist, gibt es hier nicht. Auch im Leben wird nicht
alles möglichst kokett serviert. Man soll sich um
Dinge bemühen, die einem teuer sind. Man wird
besonders gern die versteckten Säle aufsuchen, wo
man der Masse der Gaffenden entrückt ist.

Der unsymmetrische Grundriß ist nun freilich das
einzige Unsymmetrische des Baues. Wohl mag der
Plan erwogen worden sein, ob man nicht moderne
Räume den Schätzen der alten Kunst bauen sollte.
Man ist aber zu den alten Museumsgedanken zurück-
gekehrt, und hat auch innerhalb der Säle die Sym-
metrie der Aufstellung durchgeführt. Die Zimmer-
achsen bleiben markiert. Nach dieser Seite weist
der Bau keine neue Richtung auf. Das Neue des
Baues liegt nicht in seiner Architektur, nicht in
seiner Anordnung im großen, sondern in der Aus-
stattung der einzelnen Räume und in deren Gesamt-
aspekt. Kaiser Friedrich, dem der greise Goethe
1831 den Gruß der Musen in die Wiege gelegt,
hatte schon 1883 gelegentlich einer Ausstellung von
Berliner Privatbesitz, die zur Feier seiner Silber-
hochzeit veranstaltet war, den Gedanken ausge-
sprochen, daß man die Bildersäle eines Museums
ihres magazinartigen Charakters entkleiden und statt
dessen wohnliche Kabinette mit alten Möbeln, Tep-

Dte Kunst für Alle XX.

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