PETER HALM
SCHMIEDE BEI TRAUNSTEIN
so auch in der Kunst nie aufhören können,
obwohl es gleichzeitig stets den Anschein hat,
als ob ein goldenes Zeitalter ganz nahe läge.
Es kommt ja nur darauf an, ob die Einseitigen
oder die Doppeltveranlagten an der Spitze
stehen.
In diesen widerspruchsvollen Tatsachen liegt
auch die alleinige Ursache des Tragischen, so-
wie der Grund aller menschlichen Irrungen
und deren unbedingte Entschuldbarkeit. Fried-
liebende Künstlernaturen haben deshalb in un-
serer Zeit vielfach angestrebt oder auch aus-
geführt, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen.
Zu unserem Thema haben wir jetzt vor
allem noch auf den bedeutenden Ausspruch
Schopenhauers hinzuweisen: „Der gute Wille
ist in der Moral alles, aber in der Kunst ist
er nichts: da gilt, wie schon das Wort an-
deutet, allein das Können." Ebenso beweisen
viele hervorragende Werke Shakespeares, daß
auch bei ihm das „Wie" in der Kunst den
Ausschlag gibt, sonst hätte er nicht mehrere
fertige Dramen seiner Zeitgenossen nur durch
Umformung zu unvergänglichen Meisterwerken
seiner Phantasie verwandeln können.
Das geborene Genie wird, wenn es in der
Lage ist, sich zugleich des höchsten Könnens
zu bedienen, zu einer Art Doppelgenie, des-
halb ist van Gogh für uns der Typus des
einfachen Genies. Van Gogh hat ja öfters
seinem Bedauern darüber Ausdruck verliehen,
daß es ihm nicht vergönnt gewesen ist, ein
höheres Können sich anzueignen.
Das künstlerische Können besteht aus über-
lieferten Berufserfahrungen und ist im Gegen-
satz zu der angeborenen künstlerischen Be-
gabung eine zu erlernende Eigenschaft. So-
lange ein Werk nicht zugleich ein genügendes
Maß künstlerischen Könnens aufweist, solange
wird es nach altem Brauch als Kunstwerk nicht
anerkannt, sondern als ein dem Dilettantismus
nahestehendes Machwerk bezeichnet werden.
Das künstlerische Können entwickelt sich
aber sehr verschieden je nach dem vorhan-
denen Grade der natürlichen Veranlagung;
beim Genie entwickelt es sich immer bis zum
höchsten Können, beim Talent immer bis zum
akademischen Können. Zwischen beiden besteht
nur der Unterschied, daß das eine einen in-
dividuellen und das andere einen allgemeinen
Charakter hat. Das Verständnis für das höchste
Können erschließt sich der großen Menge
schwer oder gar nicht, während das akademi-
sche Können sofort allgemein populär ver-
ständlich ist und beim Publikum sich der
größten Beliebtheit erfreut. Lehren und lernen
kann man nur das akademische Können und ob
es sich dann weiterentwickelt bis zum individu-
ellen Können hängt nicht vom Lehrer, sondern
allein vom Schüler ab. Selbst die größten Mei-
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SCHMIEDE BEI TRAUNSTEIN
so auch in der Kunst nie aufhören können,
obwohl es gleichzeitig stets den Anschein hat,
als ob ein goldenes Zeitalter ganz nahe läge.
Es kommt ja nur darauf an, ob die Einseitigen
oder die Doppeltveranlagten an der Spitze
stehen.
In diesen widerspruchsvollen Tatsachen liegt
auch die alleinige Ursache des Tragischen, so-
wie der Grund aller menschlichen Irrungen
und deren unbedingte Entschuldbarkeit. Fried-
liebende Künstlernaturen haben deshalb in un-
serer Zeit vielfach angestrebt oder auch aus-
geführt, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen.
Zu unserem Thema haben wir jetzt vor
allem noch auf den bedeutenden Ausspruch
Schopenhauers hinzuweisen: „Der gute Wille
ist in der Moral alles, aber in der Kunst ist
er nichts: da gilt, wie schon das Wort an-
deutet, allein das Können." Ebenso beweisen
viele hervorragende Werke Shakespeares, daß
auch bei ihm das „Wie" in der Kunst den
Ausschlag gibt, sonst hätte er nicht mehrere
fertige Dramen seiner Zeitgenossen nur durch
Umformung zu unvergänglichen Meisterwerken
seiner Phantasie verwandeln können.
Das geborene Genie wird, wenn es in der
Lage ist, sich zugleich des höchsten Könnens
zu bedienen, zu einer Art Doppelgenie, des-
halb ist van Gogh für uns der Typus des
einfachen Genies. Van Gogh hat ja öfters
seinem Bedauern darüber Ausdruck verliehen,
daß es ihm nicht vergönnt gewesen ist, ein
höheres Können sich anzueignen.
Das künstlerische Können besteht aus über-
lieferten Berufserfahrungen und ist im Gegen-
satz zu der angeborenen künstlerischen Be-
gabung eine zu erlernende Eigenschaft. So-
lange ein Werk nicht zugleich ein genügendes
Maß künstlerischen Könnens aufweist, solange
wird es nach altem Brauch als Kunstwerk nicht
anerkannt, sondern als ein dem Dilettantismus
nahestehendes Machwerk bezeichnet werden.
Das künstlerische Können entwickelt sich
aber sehr verschieden je nach dem vorhan-
denen Grade der natürlichen Veranlagung;
beim Genie entwickelt es sich immer bis zum
höchsten Können, beim Talent immer bis zum
akademischen Können. Zwischen beiden besteht
nur der Unterschied, daß das eine einen in-
dividuellen und das andere einen allgemeinen
Charakter hat. Das Verständnis für das höchste
Können erschließt sich der großen Menge
schwer oder gar nicht, während das akademi-
sche Können sofort allgemein populär ver-
ständlich ist und beim Publikum sich der
größten Beliebtheit erfreut. Lehren und lernen
kann man nur das akademische Können und ob
es sich dann weiterentwickelt bis zum individu-
ellen Können hängt nicht vom Lehrer, sondern
allein vom Schüler ab. Selbst die größten Mei-
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