MI T S U O KI T O S A (1617 — 1691)
WACHTEL-PAAR
DAS TIER
IN DER OSTASIATISCHEN KUNST
In der Kunst äußert sich das Empfinden., das die Es ist kein großer Kreis von Gestalten, die der ost-
Xatur im Künstler erregt, die Stellung die er in ihr asiatische Maler aus der reichen Tierwelt seines
und zu ihr einnimmt, und seine Einstellung ist vor- Landes auswählt — immer wiederholen sich die
wiegend objektiv. So stellt der europäische Maler gleichen Arten, oft zusammen mit den gleichen
das Tier dar aus Freude an der schönen Form., an Pflanzen. Am häufigsten erscheinen der Tiger, der
der lockenden Farbe einerseits,, dann inhaltlich als Affe, Kranich und Reiher, Adler und Falke, der Rabe,
das, was es uns gibt und ist — der treue Diener oder der Star, Wildgans und Ente und einige Fische, vor-
das Opfer unseres Appetits. Mit höchstem maleri- wiegend der Karpfen. All diese Tiere, wie sie meist
sehen Können stellten die holländischen Meister z.B. groß im leeren Raum stehen, erscheinen uns immer
in genießerischem Behagen sauber gerupfte Hühner, in Haltung und Bewegung irgendwie bedeutungs-
glänzende Fische und Wild zusammen mit Gemüse voll, eine Erscheinung, die sich nicht durch theore-
lecker küchenfertig hingelegt dar, sie sahen ein gutes tische und kunstwissenschaftliche Untersuchung er-
Teil durch den Magen, die Kunst mußte dies zu klären läßt.
einem ästhetischen Genuß veredeln. Der Ostasiate steht der Natur, der Welt derErschei-
Lange bevor man in Europa sich mit dem Tier als nungen, in der er lebt, ganz anders gegenüber — er
Gegenstand für sich befaßte, entstanden in China steht nicht über den lebenden Wesen aller Kreatur,
und Japan Kunstwerke, die das Tier allein zum sondern neben ihnen — ihnen verbunden durch das
Gegenstand der Darstellung machten, Schöpfungen gleiche Gesetz, die Natur eine große Einheit, im
von einer Kraft und Tiefe, so übervoll von inner- Kleinsten Offenbarung des Einen, Höchsten. Felsen
lichem Leben, daß sie an den wunderlichen alten und Ströme, Bäume und Pflanzen, seine stummen
Märchengedanken — Menschen in Tiergestalt ver- Brüder, die Tiere mit ihm wandernd, wandernd der
zaubert, rühren — ein fesselndes Bätsei für uns. einstigen Vollendung entgegen. Diese Einstellung
Kunst für Alle, Jahrgr. 47, Heft 10. Juli 193-2
285
37
WACHTEL-PAAR
DAS TIER
IN DER OSTASIATISCHEN KUNST
In der Kunst äußert sich das Empfinden., das die Es ist kein großer Kreis von Gestalten, die der ost-
Xatur im Künstler erregt, die Stellung die er in ihr asiatische Maler aus der reichen Tierwelt seines
und zu ihr einnimmt, und seine Einstellung ist vor- Landes auswählt — immer wiederholen sich die
wiegend objektiv. So stellt der europäische Maler gleichen Arten, oft zusammen mit den gleichen
das Tier dar aus Freude an der schönen Form., an Pflanzen. Am häufigsten erscheinen der Tiger, der
der lockenden Farbe einerseits,, dann inhaltlich als Affe, Kranich und Reiher, Adler und Falke, der Rabe,
das, was es uns gibt und ist — der treue Diener oder der Star, Wildgans und Ente und einige Fische, vor-
das Opfer unseres Appetits. Mit höchstem maleri- wiegend der Karpfen. All diese Tiere, wie sie meist
sehen Können stellten die holländischen Meister z.B. groß im leeren Raum stehen, erscheinen uns immer
in genießerischem Behagen sauber gerupfte Hühner, in Haltung und Bewegung irgendwie bedeutungs-
glänzende Fische und Wild zusammen mit Gemüse voll, eine Erscheinung, die sich nicht durch theore-
lecker küchenfertig hingelegt dar, sie sahen ein gutes tische und kunstwissenschaftliche Untersuchung er-
Teil durch den Magen, die Kunst mußte dies zu klären läßt.
einem ästhetischen Genuß veredeln. Der Ostasiate steht der Natur, der Welt derErschei-
Lange bevor man in Europa sich mit dem Tier als nungen, in der er lebt, ganz anders gegenüber — er
Gegenstand für sich befaßte, entstanden in China steht nicht über den lebenden Wesen aller Kreatur,
und Japan Kunstwerke, die das Tier allein zum sondern neben ihnen — ihnen verbunden durch das
Gegenstand der Darstellung machten, Schöpfungen gleiche Gesetz, die Natur eine große Einheit, im
von einer Kraft und Tiefe, so übervoll von inner- Kleinsten Offenbarung des Einen, Höchsten. Felsen
lichem Leben, daß sie an den wunderlichen alten und Ströme, Bäume und Pflanzen, seine stummen
Märchengedanken — Menschen in Tiergestalt ver- Brüder, die Tiere mit ihm wandernd, wandernd der
zaubert, rühren — ein fesselndes Bätsei für uns. einstigen Vollendung entgegen. Diese Einstellung
Kunst für Alle, Jahrgr. 47, Heft 10. Juli 193-2
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