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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Graf-Pfaff, Cäcilie: Das Tier in der Ostasiatischen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0305

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des buddhistischen Ostens zur Y\ elt des
Sichtbaren, die sich durch Aufnahme
alter, taoistischer Ideen zu einer ganz
eigenartigen Mystik vertiefte, hat in
der Malerei und auch in der Dichtung
sich die Sprache geschaffen. Sie schil-
dert nicht das Tier an sich in seinem
natürlichen, materiellen Dasein, in seiner
malerischen Schönheit, seiner sinn-
lichen Form, sondern es ist ihm stets
Symbol, Träger eines verborgenen, geisti-
gen Sinnes, Bild aus der wahren Y\ elt,
die hinter der Welt der diesseitigen Er-
scheinungen voll Täuschung besteht. Jedes
Tier hat eine ganz bestimmte Bedeutung,
drückt immer den gleichen mystischen
Gedanken, die eigenste Empfindung er-
schauten Geheimnisses aus. Man könnte
nun annehmen, daß eine so in Gestalten
und Gedanken festgelegte Malerei die
Formen allmählich zu einer toten, sche-
matischen Formel verwandelt. Das Merk-
würdige und echt Große bei dem ost-
asiatischen Maler ist es aber, daß er im
Gegenteil niemals über dem Inhalt die
Form vernachlässigt, daß er zu keiner Zeit
und Epoche die Wahrheit und die Natur
in ihrer gesetzmäßigen Schönheit verge-
waltigt hat. Er beobachtet und studiert
mit eisernem Fleiß die äußere Form bis
er sie ganz beherrscht, um sie dann in ein-
facher, innerlich geschauter Größe zum
Träger seiner seelischen Empfindung zu
machen. Daher ist es auch verständlich,
daß in China wie in Japan der Künstler
beinahe nie ausschließlich und einseitig
Tiermaler ist. Das kleinste wie das größte
Wesen ist ihm gleich bedeutungsvoll, und
sein Können ist so vielseitig, daß er die
menschliche Gestalt wie Pflanzen und
Tiere in gleicher Meisterschaft darstellt.
Aber auch sein technisches Können ist
gleich umfassend und derselbe Meister,
der diese wie hingeworfenen Tuschskizzen
schuf, die einem einzigen Aufschrei aus
innerer Glut geboren gleichen, malte Tiere
oder Pflanzen in der realistischen Schön-
heit ihrer farbigen Erscheinung, miniatur-
haft treu auf alle Einzelheiten eingehend
— und doch in einer streng stilistischen
Haltung. Diese Kunst ist eine ausge-
sprochen subjektive, dient einzig dem per-
sönlichen Ausdruck, nicht der Bewun-
derung der Menge — und entsteht wie aus
dem Drange einer inneren Eingebung —
sehr oft sind diese Künstler nicht Maler
von Beruf, sondern Mönche. Priester
der Zensekte. einer innerhalb des
 
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