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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Moderne Möbel, [2]
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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnungen, [2]
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Fischbach, Fr.: Ueber Teppiche, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0021
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Nr. 2.

Hochblatt für Innen-Dekoration".

Seite 18.

wir wohl niit der Antwort zurückhalten, bis eine längere Zeit darüber
verflossen ist. Daß die Lache möglich ist, lernen wir in dem als theuer
verschrieenen England: dort haben sich die in bestimmten Stil und eigen-
artigem, gefälligen Charakter gezeichneten Ausstattungen zu ea. 30 Pfd.
Stert, schon vollkommen eingeftthrt. Betreffs der Berliner Konkurrenz
ftel über diese Frage ein Wort, welches um so schlimmer ist, als es
wahr ist: die prämiirten Ausstattungen paßten eher für pensionirte Ge-
heimräthe, als für den „kleinen Mann". Die Schuld hieran möchten
wir aber nicht den Konkurrenten, sondern den erwähnten beiden Gesell-
schaftsklassen zuschreiben. Daß der „pensionirte Geheimrath" Geist und
Kunstbildung genug besitzt, um an Möbelstücken seine Freude zu haben,
die, mit den geringsten Mitteln ihre Aufgabe lösend, einzig in guten
Proportionen, gefälliger Färbung, sorgfältiger Profilirung ihre Schönheit
suchen, ist ebenso erfreulich wie selbstverständlich. Aber leider ist ebenso
wenig das Andere zu leugnen: unser kleiner Bürgerstand ist noch voll-
ständig befangen in dem ungesunden und rohen Gefallen an einem
Scheinlurus, der nach mehr ansneht, als er ist. Ein kleiner Handwerker
verheirathet sich auf die Geschicklichkeit seiner Hände und ein paar
hundert Thaler hin, die ihm seine Frau initbringt; ihr erstes Heim be-
friedigt das nackteste Bedürfniß: eine Stube, in der gearbeitet, gekocht
und geschlafen wird. Die Tüchtigkeit des Mannes und die Wirthschaftlich-
keit der Frau bringen die Leute vorwärts; nach ein paar Jahren können
sie daran denken, für ihre inzwischen vergrößerte Familie eine geräumigere
Wohnung — Stube, Kammer und Küche — und außerdem eine Werk-
statt zu mietben und die Wohnung neu auszustatten. Werden sie jetzt
die Gelegenheit benützen und eines dieser Ausstattungsmobiliare aus
Kiefern- und Eschenholz für 500 Mark erwerben, die das Entzücken der
Künstler und Preisrichter waren? Wahrlich nicht! Es ist 10 gegen 1
zu wetten, daß sie das abscheulichste, liederlich gearbeitete Mahagoni-
Gerümpel aus einer der bekannten unterirdischen Berliner „Möbelhallen"
kaufen werden, wobei der blank vergoldete Spiegel nebst dito Konsole
-— die Marmorplatte nicht zu vergessen! - nicht fehlen darf. Und
warum das ? Jenes Preismobiliar ist ihnen etwas Ungewohntes, Neues,
sie wissen in ihrer Vorstellung damit nichts anzufangen, wissen nicht
wie Schwager Schulze und Freund Krause darüber »rtbeilen werden.
Beim Mahagoni gehen sie ganz sicher - - das ist einmal in der ganzen
Welt das elegante war es doch bei dem Bankier Mauer, wo die
jetzige Handwerkersfrau als Stubenmädchen gedient hat, nicht eleganter.
Wenn mau bedenkt, wie die Bilduugsklasse, welche wir in dieser kleinen
Skizze charatterisirtep, die ungeheure Mehrheit unseres Volkes ausmacht,
so kann man erschrecken, wie schwach noch die besten Bestrebungen im

Vergleich zur Allgemeinheit sind. Wie dem abzuhelfen? Vereine können
da viel thu», indem sie nicht dabei stehen bleiben, die für den „kleinen
Mann" bestimmten guten und mustergültigen Möbel zu schaffen, solider»
auch durch Verloosungen, Belehrung, Schriften usw. dafür sorgen, die-
selben in die Häuslichkeiten, für welche sie bestimmt sind, zu verbreiten.
Aber auch der Einzelne, jeder Möbelhändler, Dekoratör, Du selbst,
lieber Leser, — kann helfen, wenn er vor dem hohlen Lurus warnt und
die Freude am Echten, Schlichten und Einfach-Schönen verbreiten hilft.

AeVev Teppiche.

Von Fr. Fisch buch.

(Schluß.)

jkmjip/tmn mau also in der Folge die Feinheiten und Vorzüge der Teppich-
^ Dekoration hervorheben will, so sei vorausgesagt, daß diese für uns
nur eine Bereicherung, nicht aber ein Ersatz für unsere Architektur-
Ornamentik sein soll. Der Orientale leistete Wunderbares in seiner
Beschränkung. Die Alhambra ist die Blttthe eines Architekturprinripes,
daS mit Teppichmotiven alle Einzeltheile umspinnt. In diesem Netz der
lieblichsten Farben und Formen erstickte die aufblühende freie Kunst.
Das ist der Schatten der für unser Kunstgemerbe so tzochbedeuteuden
und lehrreichen orientalischen Ornamentik. Ordnen wir sie in unseren
Wohnungen den Bildern und Statuen unter, denn diese erheben unsere
Wvhnräume im Kulturrang weit über die nur mit Teppichen geschmückten
Paläste des Orientes. Der freie Bürger sucht erhebende Beispiele
edelster Selbstbestimmung. Diese Kunstwerke schafft keine lediglich dem
Material der Technik, der Architektur und dem Markt dienende Orna-
mentik. Nur diejenigen Völker, welche ihre Götterspmbole und ihre
Staatsform sich selbst gaben, erstiegen den Parnaß der hohen freien
Kunst. Nur sie sind das Salz der Erde, die den ärmeren zurückgebliebenen
Völkerbrüderu von ihrem Kulturhort Schätze bieten. Gefährlich ist da-
her die moderne Verblendung, für ethnographische Kuriositäten sich so
sehr zu begeistern, daß man die ächten Diamanten der veralteten Fassung
wegen geringschätzt und gleißenden Tand vorzieht.

Es ist sonst üblich, die kankurrirendeu Lichter zu verhüllen, wenn
man ein Licht besonders bemerkbar machen will. Plan wird es jedoch
für zeitgemäß und wichtig halten, daß jedes Dekorations-Material nicht
für sich, sondern in Beziehung zur Allgemeinheit erörtert wird. Kommen
Kulturfragen ersteitz Ranges in Betracht, so gebührt diesen der Vorzug.
Jede Zeit will in ihrem Kunstschaffen in die Sichtbarkeit treten lassen.

einen Stil vorstellt, der alles nicht Dahingehörende ganz von selbst aus-
schließt. Es soll hiermit nicht gesagt sein, daß nicht auch die Engländer
von anderen Völkern gelernt Hütten, so sind z. B. die Einflüsse ihrer
Kolonien unverkennbar und Indien, sowie China und Japan spielen eben-
falls eitie große Rolle in der Entwickelung des „englischen Stils" ; aber
alle diese Motive wurden dem englischen Geschmack dadurch erst dienstbar
gemacht, daß sie sozusagen erst anglisirt wurden. Die Richtung desselben
Stils ist selbstredend in Amerika eine andere geworden, deshalb aber
eine nicht weniger originelle, und ihre Produkte unterscheiden sich immer-
hin auf das Nachdrücklichste vou den englischen.

Die Vvrtheile nun, welche diesen Völkern aus ihren, man möchte
sagen, nationalen Stilett entstehen, liegen auf der Hand. Das englische
Haus erscheint deshalb so gemüthlich, weil die verschiedenen Theile des-
selben durch lange Jahre immer nur dem englischen Geschmack und Be-
dürfnis; unterordnet waren und weil es dadurch etwas „patriarchalisches",
von den Vorfahren Ueberkommenes, AnererbteS enthält, etwas was ein
neuer Stil, eine neue Mode nie zu bieten vermag.

Es sind denn nun auch in Deutschland wiederholt Stimmen laut ge-
worden, welche einfach das Nachinachen der englische» Gothigue empfehlen,
und welche glauben machen wollen, daß dadurch allen Kalamitäten dieser
Richtung vorgebeugt sei. Wir wollen diesen Standpunkt etwas ȟber
beleuchten: Vor Allein sollte inan bedenken, daß wir Deutsche sind
und nicht Engländer; dieser Stil hat sich nicht aus unseren Bedürfnissen
und aus unferm Geschmack herausgebildet, und wäre uns deshalb eben-
sosehr aufgedrungen, wie eine Richtung aus früheren Jahrhunderten.
Ter Hauptvortheil dieses Stils: daß er ganz von selbst in ganz
uatürlicher Weise aus den Bedürfnissen und der Geschmacksrichtung
seines Volkes entstand, fällt bei uns fort, er würde hier nur eine

Nachahmung sein, welcher der Geist und das Leben fehlen würde.
Ganz abgeselien davon, daß wir uns kaum zu Nachahmern des Eng-
lischen herabwürdigen würden, HM, was- die Engländer haben, würde
für uns nicht dasselbe sein, iveil unsere LPensanschauuugen und Be-
dürfnisse eben entschieden andere sind. Ferner haben die Formen des
englischen Stils, wie schon früher angedentet, etwas pedantisch Starres,
Mageres, welches nicht überall dem deutschen Charakter entsprechen dürfte,
Dazu kommt, daß gewisse technische Fähigkeiten in Deutsch-
land einen weit höheren Grad der V o llko mm euh'e'it erreicht
haben, wie in England und daß naturgemäß diese Fertigkeiten dadin^
einfach brach gelegt wären. Die Holzbildhauerei z. B., welche sich bei
englischen Ausstattungen nur zu streng manirirten Ornamenten versteigt,
bildet bei den Produkten der deutschen Innendekoration einen ganz
namhasten, viel weiter gehenden Faktor; ähnlich ist es mit der Jntarsien-
sägerei und anderen Zweigen unseres Kunstgewerbes. Auch hat das eng-
lische Haus eine ganz andere Anlage wie das deutsche; während dort
möglichst jedes Zinuner für sich abgeschlossen ist, nur eine Thüre hat
und den Kamin als Hauptmoment des Jimmers betrachtet, gehen bei
uns möglichst alle Wohnräume ineinander, haben dadurch viele Thüren
und der Konti», wenn überhaupt vorhanden, spielt meist eine unter-
geordnete Rolle. (Schluß folgt.»

Illv gefälligen Neachtung!

lim unser Blakt so vielseitig wie möglich zu gestalten, suchen wir zur Mt-
thciluug über Alles, was das Tekorationssach betrifft, ständige Mitarbeiter im
In- und Auslände. Wir sind gerne bereit, größere Aussätze zu honorircn.

Beschreibungen vou Neuerungen und Verbesserungen aus technischem ttzebiete »sw.
nehmen wir ohne besondere Berechnung jederzeit gerne äus. Nie Ne-altkioil.
 
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