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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Die englische Gardine, deren Ursprung, Einführung in Deutschland und die gegenwärtige Lage derselben
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Lincrusta-Walton
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Ueber das Tapeziren mit der Bürste
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0083
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Nr. 9.

Seile 73.

„Fachblatt für ^nnsn-Dekoration".

dienste haben sich auf diesem Gebiete die Firmen Steiger-Meyer in Herisau
und Fritz Schelling in St. Gallen erworben. Letzterer erhielt von Fr.
Fischbach die Anregung und Zeichnungen für farbige Stores re. Die
Spachtelwaare ist zwar vorwiegend Handstickerei, sie kann aber auch durch
die Kettenstich-Maschine unterstützt werden. In Ravensburg leistete die
Firma Albert Schwarz Hervorragendes in diesem neuen Artikel, der durch
Schönheit und Eleganz die gewebten Gardinen in den Schatten stellt.
Die besseren Spitzengewebe wurden oft durch farbige Konturen ergänzt
(krochirt), doch überlassen die großen englischen Firmen diese Arbeit den
Spezialisten.

Die Versuche hervorragender St. Galler Firmen, z. B. der H.rren
Gebrüder Jkls, mit Hülfe der Heilmann'schen Stickmaschine
Schiffli-Spitzen - Vorhänge herzustellen, sind zwar nicht ge-
scheitert, aber noch nicht von glänzenden Resultaten begleitet.

Einestheils sind die Effekte sehr beschränkt in der Größe
(damit nicht zu viele Nadeln blind laufen) und anderntheils
drängt jede gute Saison diese Versuche zurück.

Das Bedürfniß ist jedoch unstreitbar vorhanden, die
trotz gut gezeichneten Mustern etwas nüchtern wirkende
Spitzengewebe durch farbige Effekte zu heben oder durch ein
gediegeneres Material zu ersetzen. Die zarten englischen Fenster-
gardinen mit farbigen Ornamenten, die wie krochirt er-
scheinen, haben manches Auge entzückt, sie sind jedoch durch
ihre eigenthümliche Technik nicht sehr dauerhaft und ist
also auch bei diesen der Effekt vor dem Waschen viel schöner
wie nachher. Die scheinbare Broschirung wird
erzielt, indem die nicht gebundenen Schußfäden
so angehängt werden, daß feine Messerchen sie
leicht abschneiden können, ohne das Gewebe sonst
zu verletzen.

Das sind im Wesentlichen die Ergänzungen,
die uns mitgetheilt wurden. Das große Ka- ->
pital, welches in der Bobinet-Weberei auch in
Deutschland angelegt ist, läßt gewiß es wünschens-
werth erscheinen, das; durch gute Muster und
solide Gewebe (also nicht nur durch schöne Aus-
rüstung) die deutsche Waare von Jahr zu Jahr
exportfähiger werde. „Pr eis würdig, gut
und schön" soll auch bei jenen Artikeln die
Losung sein, bei denen es heißt: „Die Masse
muß es bringen!" Schnell ist durch schlechtes
Material und durch Schleuderpreise ein Artikel
diskreditirt und das Ansehen Deutschlands in
fernen Ländern geschädigt. Aufgabe der Fach-
blätter ist, das Gute überall hervorzuheben und
es zu fördern, jedoch auch den Pranger aufzu-
stellen, an den die Namen der Schund-Fabrikan-
ten und Schwindelmeier gehören.

Lincrusta^ Walton.

(Mit Beilage.)

^elch' große Aufnahme und allseitige An-

erkennung die Lincrusta (Patent-Relief-
Tapeten) von Fredk. Walton in Hannover
in den letzten Jahren gefunden hat, braucht wohl
an dieser Stelle nicht hervorgehoben zu werden;
ebenso ist die Schönheit, Solidität und Zweck-
mäßigkeit dieses Artikels in seiner Verwendung
als Wandbekleidung den Fachkreisen zur Ge-
nüge bekannt, als daß wir nöthig hätten, auf
das Material selbst näher einzugehen, und begnügen uns mit einigen
Worten über die Verwendung desselben.

Der Erfinder der Linerusta hat es von Anfang an verstanden,
schöne Wandmuster in stilvollen Zeichnungen zu bringen, und ist auch
— seitdem der Artikel in Deutschland fabrizirt wird — eifrigst bemüht,
sich dem deutschen Geschmack mehr und mehr anzupaffen.

In diesen Zeilen möchten wir die Verwerthung der Lincrusta als
Ersatz für Holzvertäfelung näher ins Ange fassen; wir finden da, daß
sie dem Holze gegenüber folgende sehr wesentliche Vortheile bietet:

1. hat die Lincrusta den Vorzug, daß sie sich an der Wand nicht
mehr verändert, während Holz schwindet und nach einiger Zeit klaffende
Risse und dergleichen zeigt;

2. trägt sie die Wand nicht auf, was besonders in Treppenhäusern
und engeren Räumen nicht zu unterschätzen ist;

3. ist sie dauerhafter als Holz, da sie vermöge ihres Oelgehaltes
gegen Fäulniß, Holzwurm und dergleichen geschützt ist;

4. kann beim Oelanstrich die Grundirsarbe gespart werden;

5. stellt sich eine reich ausgestattete Lincrusta-Lambris wesentlich billiger
als eine einfach gestemmte Holzvertäfelung.

Um diese Eigenschaften der Lincrusta - Walton zu verwerthen, fehlte
es leider bislang noch an geeigneten, dem Karakter eines
Sockels auch wirklich entsprechenden Musters. Man bot wohl
sehr hübsche Zeichnungen, welche jedoch, da zu süßlich und
unbestimmt in den Formen, ihren Zweck nicht vollständig
erfüllten.

Eine der bedentendsten Firmen der Tapetenbranche ist
bemüht gewesen, eine neue Lambris herauszubringen, die
wie unsere heutige Beilage zeigt, bis in die kleinsten Theile
einheitlich durchgeführt ist. Sowohl Fuß-Sockel und Teller-
brett als Begleitleisten und Konsole sind extra hierzu ge-
zeichnet, sodaß durch diese Neuheit in der That etwas wirk-
lich Harmonisches und Schönes geschaffen worden ist.

Das Ganze läßt sich auf 1,80 bis 2 Meter Höhe zu-
sammenstellen, außerdem je der untere und der obere Theil
für sich auf Brüstungshöhe verwenden, sodaß be-
sagter Sockel in einer Wohnung auf drei verschie-
dene Arten angewendet werden kann, ohne das
Auge zu ermüden. Selbstredend ist es Sache
des Malers, durch entsprechende Behandlung
Abwechslung zu erzielen, um den Sockel in jedem
Zimmer zweckentsprechend zur Geltung zu bringen.

Fig. 32. Rokoko-Waterne
in vergoldeter Bronze.

Entworfen und ausgeführt von der kunstgewerblichen
Werkstätte von Paul Stotz in Stuttgart.

Im Auftrag der Großh. Bad. Hof-Verwaltung für das
Absteigequartier des Erbgroßherzogs in Karlsruhe.

Nester das Uapeffiren mit
der Dürste.

Von H. Kr.

ieit einer Reihe von Jahren ist die bewährte
Methode des Tapezirens vermittelst eines
Tuches durch die Bürste verdrängt worden.
Dieses neue Verfahren ist wohl nur darum so
allgemein in Aufnahme gekommen, weil man
damit schneller fertig wird und daher billiger
arbeiten kann. Leider inacht sich vielfach die
Billigkeit auf Kosten der Minderwerthigkeit be-
zahlt, und ist solches auch in Betreff des Tape-
zirens mit der Bürste der Fall.

Wie oft hört man Klagen über Abfärben
und Durchschlagen der Tapeten. In den meisten
Füllen soll alsdann der Händler dafür verant-
wortlich gemacht werden, welcher seinerseits wie-
derum sucht, den ihm zugemutheten Schaden dem
Fabrikanten aufzubürden. Hiermit ist aber die
Sache nicht immer erledigt, denn welcher Händler
weiß nicht davon zu erzählen, daß ihm in
solchen Fällen manchesmal ein indirekter Scha-
den dadurch zugesügt wird, daß der Käufer
bei späterem Bedarf seine Gunst einem andern
Geschäfte zuwendet, in welcher Handlungsweise
derselbe gar oft noch durch einen unkundigen oder
dem Händler nicht gut gesinnten Tapezirer gestärkt wird. Der Käufer
gießt hier einfach das Kind mit dem Bade aus und schließt von diesem
einen Vorkommnisse ungerechterweise auf das ganze Lager des Händlers
und meint, die Tapeten des Letzteren schlagen alle durch, bezw. färben ab.

Die meisten Fälle ereignen sich bei Naturell-Tapeten, und dann
vor allen Dingen bei solchen mit kräftigen satten Farbentönen, welche
wie Velour-Nachbildung wirken. Es ist nun eine bekannte Thatsache,
daß die heute vielfach verwendeten kräftigen dunklen Farben, besonders
Schwarz, Bronzebraun, Dunkelroth, Braun und Dunkelolive sich sehr
 
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