Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 4.1903-1904

DOI Artikel:
Die Wandmalereien in der Kirche zu Ottmarsheim
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6479#0070

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6o

Die Wandmalereien in der Kirche zu Ottmarsheim.

In den gotischen Kirchen seiner Tage war
dem Maler wenig Raum übrig geblieben.
In der Ritterburgundim Bürgerhause konnte
er zumeist seine Tätigkeit entfalten. So
konnten seine religiösen Wandbilder nichts
anderes als in große Masse übersetzte Per-
gamentblätter sein; in profanen Darstel-
lungen aber war er selbständiger, seine
Hand weitaus geübter; auch in der Bildung
der ausdrucksvollen Köpfe zeigt sich die
neue Formenbildung in reifer Entwicklung.

Einst muß sich aber das Ganze zu
einem überaus farbenprächtigen, stim-
mungsvollen Gesamtbilde zusammenge-
schlossen haben. Und an den Resten
dieser Kirchenausstattung läßt sich tech-
nisch und künstlerisch auch in der Gegen-
wart noch lernen. Unsere moderne Kirchen-
malerei steht im Allgemeinen leider auf
keiner hohen Stufe. Man wendet sich ihr
auch nicht gerne zu, weil sie gleich hohe
Anforderungen an das Geschick und an
den Geist des Malers stellt. Es genügt
hier nicht allein, die Lilien-, Rosetten- und
Eichenblattranken zu stilisieren. Man ver-
langt auch Vertrautsein mit dem Geiste
der christlichen Kirche, mit der Liturgik,
mit der Ikonographie und Symbolik der
Kunst. Die Kirche in Ottmarsheim, deren
Malereien in strengster Anlehnung an das
Alte wiederhergestellt werden, in die
keine fremde Linie, kein fremder Zug

hineingetragen werden durfte, kann auch
unsern modernen Kirchenmalern eine
Schule der Belehrung sein.

Die Proben, die wir als Textillustra-
tionen geben, umfassen nicht den ge-
samten Zyklus. Aber auch aus ihnen
läßt sich bereits ersehen, daß die wiederher-
gestellten Teile ihre alte, kräftige Formen-
sprache nicht eingebüßt haben, sondern
durch vorsichtige Reinigung und dezente
Ergänzung des Fehlenden im Gebiete der
kräftigen Umrisse ihrer ursprünglichen
Erscheinung wieder nahekommen.

Seit dem Buche A. Woltmanns über
« Die deutsche Kunst im Elsaß » war es
üblich geworden, zu behaupten, die Wand-
malereien im Elsaß seien über das Deko-
rative und schlicht Handwerksmäßige
nicht hinausgekommen. Wohl fällt ein
Vergleich mit den rheinischen Denk-
mälern nicht zu Gunsten der elsässischen
aus, wenn wir Anmut und Seelenausdruck
verlangen, aber in der Fähigkeit, sprechende
und kühne Stellungen zu schaffen und
eine heitere, zart verschmolzene Färbung
zu geben, stehen sie gewiß nicht zurück.
Und so freuen wir uns denn ihrer Wieder-
geburt und hoffen, daß ein gleiches günstig
Geschick auch den übrigen alten Wandma-
lereien im Elsaß im Lauf der Jahrebeschieden
sein wird, damit sie wenigstens vor ihrem
völligen Ruin bewahrt werden. F. L.

Ausschnitt aus der Darstellung des jüngsten Gerichts in der Kirche zu Ottmarsheim.
 
Annotationen